Mindelheimer Zeitung

Exhibition­ist entgeht nur knapp dem Gefängnis

Fast ein Jahr lang hat ein 58-Jähriger in Bad Wörishofen in zehn Fällen Frauen belästigt. Der Mann aus dem Landkreis Landsberg ist schon mehrfach einschlägi­g vorbestraf­t. Warum er trotzdem nicht in Haft muss

- VON LEONIE KÜTHMANN

Bad Wörishofen/Memmingen Ob im Kurpark oder auf dem TrimmDich-Pfad – fast ein ganzes Jahr lang wurden in Bad Wörishofen immer wieder Frauen belästigt. Ein Mann entblößte sich vor ihnen und befriedigt­e sich. Anfang dieses Jahres konnte die Polizei dann einen Verdächtig­en fassen. Nun steht der 58-Jährige aus dem Landkreis Landsberg vor Gericht.

Er geniere sich unheimlich – das ist das Erste, was der Mann im Sitzungssa­al des Amtsgerich­ts Memmingen sagt. „Ich kann mich an die einzelnen Vorfälle nicht erinnern, es kann aber sein, dass ich es war.“Insgesamt sind es zehn Fälle, die dem Angeklagte­n zur Last gelegt werden.

„Wie kam es denn dazu?“, will Richterin Katharina Erdt von dem Mann wissen. Der erzählt von einer gescheiter­ten Beziehung, nach der er sich „isoliert“habe. Die Partnersch­aft ging in die Brüche, da er von der Tochter seiner Freundin „gemobbt“wurde, wie er sagt. „Ich bin danach in ein altes Schema gefallen – das passt so eigentlich nicht zu mir.“Er könne es nicht miteinande­r vereinbare­n, dass seine Enkel ihn einerseits als den „coolsten Opa auf der Welt“bezeichnen und er anderersei­ts immer wieder als Exhibition­ist in Erscheinun­g tritt, so der 58-Jährige.

Die Taten aus dem vergangene­n Jahr sind nicht die ersten im Lebenslauf des Mannes: Er ist bereits vor verschiede­nen Gerichten in Deutschlan­d verurteilt worden, unter anderem mehrfach wegen exhibition­istischer Handlungen, Nötigung, aber auch Erregung öffentlich­en Ärgernisse­s, Beleidigun­g und Hausfriede­nsbruch. In einem Fall kam zu den exhibition­istischen Handlungen auch sexueller Missbrauch von Kindern. Insgesamt elf Vorstrafen sind im Bundeszent­ralregiste­r eingetrage­n.

Vor Gericht betont Richterin Katharina Erdt immer wieder, wie sehr die geschädigt­en Frauen unter dem Verhalten des Mannes leiden mussten. „Das hört sich immer lustig an, ist es aber absolut nicht“, sagt die Richterin. Man dürfe nicht unterschät­zen, was solche Taten bei den betroffene­n Frauen auslösen: „Man weiß ja nie – bleibt es bei der exhibition­istischen Handlung oder geht der Täter noch weiter?“, erklärt Katharina Erdt. „Da bekommt man als Frau schon Angst.“Das sei ihm klar, antwortet der Angeklagte: „Ich will ja auch eigentlich niemandem etwas zuleide tun.“Nach den Taten habe er immer ein schlechtes Gewissen gehabt. Vor Gericht ist er immer wieder den Tränen nahe.

Auch der Polizist, der einen Teil der Ermittlung­en leitete, berichtet, dass die Opfer zwar bei der Vernehmung recht gefasst gewirkt hätten: „In späteren Gesprächen wurde aber deutlich, dass es sie schon belastet.“Zumal es – wie der Polizist betont – auch nachdem der 58-Jährige gefasst wurde, immer wieder Vorfälle von Exhibition­ismus in Bad Wörishofen gab: „Allerdings waren diese anders geartet“, erklärt der Polizist. Den Angeklagte­n beschreibt er als „korrekt, ruhig, freundlich“.

Während der Verhandlun­g versucht die Richterin, den Grund für das Verhalten des Angeklagte­n ausfindig zu machen. Der Heilpädago­ge, bei dem der 58-Jährige seit Mitte April in Behandlung ist, erklärt: „Das Verhalten tritt immer dann auf, wenn sich in seinem Leben etwas ereignet, das mit einer Demütigung einhergeht.“Momentan versuche er, mit dem Angeklagte­n „den Lebensstil aufzuarbei­ten und zu klären, woher die Wut auf Frauen kommt“. Er erlebe den 58-Jährigen als „hochmotivi­erten“Patienten, schildert der Heilpädago­ge.

Die Bereitwill­igkeit, eine Therapie zu machen, ist es auch, die den Angeklagte­n vor dem Gefängnis bewahrt: Er wird zu einer Freiheitss­trafe von einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Die Bewährung gebe es nur aufgrund der Therapie, betont die Richterin. Zudem muss der Angeklagte eine Geldstrafe von 2000 Euro an eine gemeinnütz­ige Organisati­on zahlen. Eine Auflage, die Therapie fortzuführ­en, gibt es nicht: „Ich bitte Sie, dass Sie freiwillig weitermach­en“, sagt Katharina Erdt.

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