Bei Ryanair kostet das Handgepäck
Das Unternehmen will Zeit sparen, die am Gate verloren geht. Dort wurden bisher viele Koffer aufgegeben. Jetzt heißt es bei der Billig-Airline wohl: Handtasche ja, aber mehr nicht
Dublin Passagiere von Ryanair dürfen zum Normaltarif künftig nur noch ein kleines Stück Handgepäck mit ins Flugzeug nehmen. Die irische Billig-Airline verschärfte ihre Regeln. Kostenlos soll lediglich ein einzelnes, kompaktes Gepäckteil an Bord erlaubt sein. Ein zweites muss grundsätzlich gegen eine Gebühr von acht Euro eingecheckt werden. Was zunächst aussieht wie der jüngste Kniff des umtriebigen wie umstrittenen Ryanair-Chefs Michael O’Leary, um den Kunden mehr Geld zu entlocken, hat noch andere Gründe.
Bislang konnten Ryanair-Nutzer zum Standard-Flugpreis ihre Rollkoffer oder andere Taschen in Handgepäckgröße kostenlos am Gate abgeben. Also direkt bevor sie in den Flieger einsteigen. Doch das kostete viel Zeit. Teils bis zu 120 Gepäckstücke mussten so kurz vor dem Abflug noch abgefertigt werden, teilte das Unternehmen mit. Damit soll jetzt Schluss sein.
Für Fluggäste mit normalem Ticket heißt das: Handtasche ja, aber mehr nicht. Schon Rucksäcke könnten zu groß sein. Wer ein zu großes Handgepäckstück ans Gate bringt, muss 25 Euro zahlen. Nur „Priority“-Kunden dürfen weiterhin zwei Stücke in der Kabine haben. „Diese neue Regelung wird das Boarding beschleunigen und Flugverspätungen reduzieren“, sagte RyanairVertriebschef Kenny Jacobs.
Das Problem mit der zeitaufwendigen Gepäckabwicklung am Gate war allerdings selbst gemacht. So wollte die Billig-Airline Ryanair der Flut an Rollenköfferchen Herr werden, die das Gepäckfach in voll besetzten Fliegern regelmäßig zum Überquellen bringt. Dies wiederum hatte sich die Branche mit hohen Gebühren für Aufgabegepäck eingehandelt.
Jahrelang hatte man die Kunden davon abgehalten, Reisegepäck am Schalter aufzugeben. Dort, wo Reisende ihre Bordkarte erhalten und größere Koffer aufgeben bevor sie zum Gate gehen. Das sparte Zeit und Geld. Wenn jeder der bis zu 189 Passagiere einen kleinen Koffer mit an Bord nehmen will, gibt es aber ein Problem. In den Gepäckfächern einer Boeing 737-800 wie bei Ryanair finden gerade einmal 118 BordTrolleys Platz.
Doch den Reisekoffer abzugeben, wird künftig bei Ryanair nicht attraktiver sein. Wer zehn Kilogramm Aufgabegepäck zu einem Standard- Ticket dazubuchen will, zahlt mindestens acht Euro. Ein „Priority“-Ticket dagegen, bei dem der Zehn-Kilogramm-Rolli in die Kabine mitgenommen werden darf, kostet nur sechs Euro zusätzlich. Wer größere Mengen dabei hat, kann dagegen mit der neuen Regelung sparen. Statt 20 Kilogramm für 25 Euro bietet Ryanair jetzt die Zehn-Kilogramm-Variante für acht Euro an.
Gelten soll die neue Regelung für alle Buchungen, die vom 1. September an vorgenommen werden. Für bereits gebuchte Flüge greifen die neuen Richtlinien zum 1. November. Passagiere, die rückwirkend betroffen sind, haben die Wahl: Entweder buchen sie gegen Gebühr ein zweites Gepäckstück, oder sie lassen sich den Flugpreis erstatten, sagte ein Ryanair-Sprecher. Die Firma steht mit dem Dilemma der Rolli-Flut in der Kabine nicht allein da. Ob Easyjet, Lufthansa oder Air France: Sie alle bieten heute im billigsten Tarif nur Handgepäck an. Die Fluggäste haben dazugelernt – und nutzen das.
Eine Alternative zur radikalen Lösung von Ryanair könnte die neue Airspace-Kabine von Airbus sein, die der Flugzeugbauer 2017 für seine A320-Mittelstreckenjets vorstellte. Dort gibt es XL-Gepäckfächer über den Sitzen. In einer A320 finden statt 104 dann 166 Rollkoffer Platz.