Trumps Wunschkandidat im Zwielicht
Die Berufung von Brett Kavanaugh ans Oberste Gericht sollte zum großen Coup des Präsidenten werden. Doch auf der Zielgeraden erhebt eine Frau brisante Vorwürfe
Washington Als die Kongressanhörung vor zehn Tagen endete, schien die Berufung von Brett Kavanaugh an das Oberste Gericht der USA faktisch gelaufen zu sein. Ungewohnt scharf hatten sich die Politiker zwar gestritten, aber der erzkonservative 53-Jährige hatte die Fallstricke der oppositionellen Demokraten geschickt umgangen und jede Festlegung in der heiklen Abtreibungsfrage vermieden. Noch in diesem Monat sollte der Senat die umstrittene Personalie mit republikanischer Mehrheit absegnen und Präsident Donald Trump einen bedeutsamen Erfolg bescheren. Sollte.
Durch eine dramatische Intervention gerät Trumps Prestigeprojekt für die dauerhafte Rechts-Verschiebung der amerikanischen Justiz nun in letzter Minute ins Straucheln: Eine kalifornische Universitätsprofessorin beschuldigte Kavanaugh am Montag in der
der sexuellen Nötigung in den frühen 80er Jahren. Nach Angaben ihrer Anwältin ist die Frau bereit, vor dem zuständigen Senatsausschuss auszusagen. Zwar scheint das Weiße Haus fest entschlossen, die Berufung des Verfassungsrichters wie geplant durchzuziehen. Doch erste republikanische Senatoren plädieren für eine Verschiebung der Abstimmung.
Nach Angaben von Christine Blasey Ford, die an der Universität von Palo Alto Psychologie unterrichtet, ereignete sich der sexuelle Übergriff vor mehr als 30 Jahren bei einer Schüler-Party in einem ReichenVorort von Washington. Der damals etwa 17-jährige Kavanaugh soll Ford in „sturzbetrunkenem“Zustand auf ein Bett gedrückt, begrapscht und zu entkleiden versucht haben. Als sie um Hilfe rufen wollte, hielt er ihr angeblich den Mund zu. „Ich habe gedacht, dass er mich unbeabsichtigt umbringt“, schilderte die inzwischen 51-Jährige ihre damaligen Todesängste. Schließlich sei ihr die Flucht gelungen. Ihren Eltern habe sie aus Furcht vor einer Strafe für den heimlichen Besuch der Party, bei der Alkohol getrunken wurde, nichts erzählt.
Das Weiße Haus werde sich durch diese Schilderung von der Personalie nicht abbringen lassen, zitiert die Nachrichtenseite mehrere Insider. „Nicht einen Millimeter. Im Gegenteil“, wird ein Anwalt aus dem Trump-Umfeld zitiert. Tatsächlich ist das Bekanntwerden der Vorwürfe ausgerechnet so kurz vor der für Donnerstag geplanten Abstimmung im Rechtsausschuss des Senats bemerkenswert. Auch gibt es bislang keine Zeugen. Doch im Umfeld der Metoo-Bewegung stoßen die Schilderungen auf eine hoch sensibilisierte amerikanische Öffentlichkeit. Zudem hat Ka- vanaugh unter Eid kategorisch ausgeschlossen, dass es einen solchen Vorfall gegeben habe. Seine Berufung an den Supreme Court würde unwiderruflich auf Lebenszeit erfolgen, was der Forderung nach der vorherigen Untersuchung aller Einwände Nachdruck verleiht.
Entgegen dem öffentlichen Eindruck meldet sich Ford im Übrigen nicht erst jetzt zu Wort. Vielmehr hatte sie den mutmaßlichen Übergriff bereits im Juli in Briefen an die lokale Kongressabgeordnete und die
geschildert – allerdings unter ihrem Mädchennamen und mit der ausdrücklichen Bitte um Anonymität, da sie die öffentliche Bloßstellung ihrer Familie und mögliche Vergeltungsmaßnahmen von Trump-Anhängern fürchtete. Mehrere Medien waren inzwischen jedoch kurz davor, die Identität der Schreiberin aufzudecken. Deshalb habe sie sich „aus staatsbürgerlicher Verantwortung“entschlossen, mit offenem Visier die korrekte Version des Vorfalls zu schildern, sagte Ford. Laut ihren Angaben hat sie der Übergriff traumatisiert. Nach ihrer Hochzeit begab sie sich 2012 in Paar-Therapie und schilderte dort erstmals das Erlebnis. Sie soll sich freiwillig einem LügendetektorTest durch einen früheren FBI-Mitarbeiter unterzogen und diesen bestanden haben.
Noch sind die politischen Auswirkungen der Enthüllung schwer abzusehen. Eigentlich ist für Donnerstag die Abstimmung im Rechtsausschuss des Senats angesetzt, wo
Es geht um Übergriffe auf einer Party in den 80ern
Die Mini Mehrheit der Republikaner wackelt
die Republikaner eine Mehrheit von lediglich einer Stimme haben. Der republikanische Senator Jeff Flake hat jedoch erklärt, vor einem Votum müsste die Anklägerin gehört werden. Das könnte eine Verschiebung erzwingen. Entscheidend ist dann das Ergebnis im Plenum des Senats. Dort stellen die Republikaner 51 von 100 Mitgliedern. Die öffentliche Aufmerksamkeit konzentriert sich nun auf die beiden moderaten republikanischen Senatorinnen Lisa Murkowski (Alaska) und Susan Collins (Maine), die im vorigen Sommer gegen Trumps Gesundheitsreform stimmten und unter starkem Druck von Frauenrechts-Aktivisten stehen, die Berufung des Abtreibungsgegners Kavanaugh an den Supreme Court nicht mitzutragen. Sollten alle demokratischen Senatoren und die beiden Republikanerinnen mit „Nein“stimmen, wäre die Personalie gescheitert. Einen neuen Kandidaten könnte Trump kaum vor den Kongresswahlen im November durchbringen.
Darauf zielt das politische Kalkül der Demokraten. Allerdings ist derzeit völlig unklar, welchen Effekt die Affäre bei den Kongresswahlen haben könnte. Murkowski und Collins halten sich hinsichtlich ihres Abstimmungsverhaltens bedeckt.