Europas neuer Elan
Brüssel Wenn Gerd Müller auf Afrika angesprochen wird, wählt er gerne deutliche Worte: „Die in Brüssel haben immer noch nicht verstanden, was da auf uns zukommt“, sagte der deutsche Bundesminister für die Entwicklungszusammenarbeit, als er vor einigen Wochen den ersten Haushaltsentwurf der EU für die sieben Jahre nach 2021 in den Händen hielt. Statt 31 sollen dann 32 Milliarden Euro im Rahmen von Entwicklung und internationaler Zusammenarbeit für den schwarzen Kontinent ausgegeben werden. Müller: „Ein Regentropfen.“
Das stimmt vor allem im Vergleich zum derzeit mächtigsten Partner der Afrikaner. China hat erst vor wenigen Wochen angekündigt, 60 Milliarden Dollar (rund 51,5 Milliarden Euro) zu investieren. Darunter sind nicht nur Ausgaben für Häfen, Airports, Straßen oder sonstige strategisch wichtige Vorhaben. Als Staatschef Xi Jinping vor einigen Monaten den Senegal besuchte, weihte er auch einen Museumsneubau und ein Nationaltheater mit 1800 Plätzen ein. Die Partnerschaft zwischen den 54 afrikanischen Staaten und China beruht auf weitaus mehr als nur Eigennutz: 2015 waren an chinesischen Universitäten mehr afrikanische Studenten immatrikuliert als an US-amerikanischen und britischen Hochschulen zusammen. Der amerikanische Afrikanist Stephen Smith nennt die Gründe für die Offenheit, mit der Pekings Engagement so sehr begrüßt wird: „Afrikaner sehen in China einen ehemaligen Underdog, dem es innerhalb von zwei Generationen gelang, in die weltpolitische Elite aufzusteigen.“Diesen Erfolg will man auch schaffen.
Vor diesem Hintergrund wirkt Europa weit abgeschlagen – aller afrikanisch-europäischen Gipfeltreffen zum Trotz. Zwar gab es auch in der Vergangenheit immer wieder Initiativen wie die Mittelmeer-Union des früheren französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy. Doch daraus ist kaum mehr als ein Beschäftigungsprogramm für elitäre politische Zirkel geworden. Am vergangenen Freitag folgte nun ein neuer Aufschlag, nachdem Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in seiner Rede „Zur Lage der EU“zwei Tage vorher Afrika als einen der wichtigsten Schwerpunkte für die Union benannt hatte.
„Europa und Afrika haben viele gemeinsame Interessen“, erklärte die Außenbeauftragte der EU, Federica Mogherini, dann bei der Vorstellung eines Aktionsplans. Soll heißen: Die Gemeinschaft will „strategische Investitionen“möglich machen, den Privatsektor stärken und mehr für die Bildung tun. Konkret sieht das so aus: 35 000 Studenten werden bis 2020 über das Austauschprogramm Erasmus+ gefördert und können an Hochschulen in den EU-Mitglied-
Zuletzt konnte man den Eindruck gewinnen, dass das Handelsvolumen zwischen der EU und Afrika verschwindend gering ist. Alle sprechen von den gewaltigen Anstrengungen, die China seit Jahren auf dem Kontinent unternimmt. Dennoch ist die EU noch immer vor China und den USA der größte Handelspartner Afrikas.
Doch China ist ohne Zweifel in der Offensive. Das Land setzt viel stärker als Europa auf Investitionen und Ausbildungsprogramme für junge Afrikaner. Dazu muss man wissen, dass die daran beteiligten Unternehmen von der Regierung in Peking für diese Programme wie Schachfiguren eingesetzt werden können. Dafür trägt der Staat die finanziellen Risiken der Konzerne, falls das Engagement Verluste einbringt. Das ist so nur in einem autoritären Staat wie China möglich.
Wahr ist aber auch, dass in der Handelspolitik der EU-Staaten verhängnisvolle Fehler gemacht worden sind. Wohlklingende Investitionsund Kooperationsprogramme entpuppten sich als nahezu wirkungslos. Dadurch wurde in Afrika Vertrauen zerstört. Nicht förderlich ist auch der Eindruck, dass Europa erst unter dem Eindruck der Migration aus Afrika neuen Elan entwickelte, wieder mehr Boden zu gewinnen. Ein Afrika-Forum jagt seitdem das nächste.
Immerhin scheint sich die Einsicht durchzusetzen, dass gerade bei Agrarexporten in die ärmsten Länder Afrikas behutsamer als in früheren Fällen vorgegangen werden muss, um die einheimischen, oft lokal strukturierten Anbieter nicht aus dem Markt zu drängen. Es gilt, dass für den Handel zwischen zum Teil bitterarmen und reichen Partnern nicht automatisch für beide Seiten die gleichen Regeln gelten können.