Der Iran freut sich zu früh
Analyse Der mutmaßliche Mord an einem saudischen Journalisten wird in Teheran als Chance gesehen, seine Position im Machtkampf mit dem Golfstaat zu verbessern. Doch es gibt gute Gründe dafür, dass diese Rechnung nicht aufgehen wird
Augsburg Der Iran war von vorneherein gesetzt in Donald Trumps außenpolitischer Gedankenwelt: als Staat, der die Schurkenrolle innehat. Ein weiterer Fixpunkt ist SaudiArabien. Und zwar schon lange bevor Trump zum US-Präsidenten gewählt wurde. Als Geschäftsmann knüpfte er enge Kontakte zu dem wahhabitischen Königreich. Gelder aus dem Golfstaat sollen ihn einst vor der Insolvenz bewahrt haben. Jetzt braucht Trump Riad auch politisch: im Inneren, um mit milliardenschweren Waffengeschäften heimische Arbeitsplätze zu sichern, und nach außen, um den Iran zurückzudrängen. Eine Konstellation, die Riad aus vollem Herzen begrüßt, sehen die Saudis doch Teheran als Erzfeind im Kampf um eine Vormachtstellung im Nahen Osten. So machte sich Trumps Nahostbeauftragter und Schwiegersohn Jared Kushner daran, eine arabische Allianz gegen den Iran zu basteln.
Washington kündigte das über Jahre mühevoll ausgehandelte Atomabkommen mit dem islamistischen Mullah-Staat und begann Teheran mit Sanktionen zu überziehen. Der neue US-Sicherheitsberater John Bolton verschärfte den Ton weiter. Als Partner bei den Saudis bot sich der ehrgeizige Kronprinz Mohammed bin Salman an. Zumal – und das ist tatsächlich ein Pluspunkt – der 33-Jährige offenbar entschlossen ist, die Beziehungen zu Israel weiter zu stabilisieren.
Doch seit sich die Indizien verdichten, dass der regierungskritische Journalist Dschamal Kaschoggi im saudischen Konsulat in Istanbul kaltblütig ermordet wurde, ist alles anders. Nun richtet sich der Blick auf die dunklen Seiten des Golfstaates: Das Land exportiert nicht nur Öl, sondern auch religiös getriebenen Terror und führt derzeit einen brutalen und völlig irrwitzigen im Jemen. Das alles ist natürlich seit langem bekannt, doch die Tat von Istanbul und die dilettantischen Versuche Riads, die Verantwortung dafür zu leugnen, tauchen die hässlichen Zustände in ein grelles Licht. So grell, dass sich viele in den USA und Europa blinzelnd eine Frage stellen: Das also soll nun unser Sicherheitspartner und Verbündeter in Nahost sein, mit dem wir gute Geschäfte machen und den wir mit Waffen versorgen?
Der Iran griff diese Stimmung sofort auf. Der Westen müsse angesichts dieses „grausamen Verbre- chens“seine Unterstützung für Riad stoppen, forderte der iranische Präsident Hassan Ruhani. Schon sehen Beobachter den Iran als großen Profiteur der veränderten Lage.
Ist das realistisch? So zugespitzt sicher nicht. Denn die Verfehlungen der Saudis können kein Hebel sein, um die verheerende Rolle, die der Iran in der Region spielt, zu relativieren. Teheran lässt seit JahrzehnKrieg ten nichts unversucht, andere Staaten politisch und militärisch zu destabilisieren. So ist der Iran neben Russland die wichtigste Stütze für den syrischen Diktator Baschar alAssad. Mit Waffen und Beratern versorgt das Land die libanesische Hisbollah, die radikalislamistische Hamas oder die schiitischen HuthiRebellen im Jemen. Die Führung ist vom Hass auf Israel getrieben. Widerstand der eigenen Bevölkerung wird blutig unterdrückt.
Natürlich dürfte sich Ruhani darüber freuen, dass aktuell die Saudis am Pranger der Weltöffentlichkeit stehen. Doch die Probleme bleiben. Im Syrien-Konflikt hat die partielle Zusammenarbeit mit Russland einen erheblichen Knacks erhalten, seitdem sich Moskau in letzter Minute dazu entschieden hat, Verhandlungen einem Angriff auf die eingeschlossene Region Idlib vorzuziehen. Bitter für Teheran: Der Iran saß gar nicht erst mit am Tisch, als das Abzugsprogramm für islamistische Kämpfer beschlossen wurde. Gleichzeitig wird die wirtschaftliche Lage im Iran immer prekärer. Die gegen den Willen der Europäer von Trump betriebene Aufkündigung des Atomabkommens zeigt – flankiert von neuen Sanktionen – Wirkung. Allerdings besteht die Gefahr, dass sie den politischen Hardlinern im Iran zugutekommt und die Gefahr für Israel eher noch erhöht.
Der unverstellte Blick auf den Charakter des saudischen Königreiches muss Konsequenzen haben. Zeigt er doch, dass auch die Saudis für den Westen kein verlässlicher strategischer Partner sein können. Das bedeutet nicht, dass man mit Riad nicht mehr reden und verhandeln sollte. Es war und ist ja auch richtig, dass Europa die Kontakte zum Iran nicht kappt. Die Wirtschaftsbeziehungen mit den reichen Saudis werden die Krise überdauern. Deutsche Waffenlieferungen sollten hingegen bis auf Weiteres eingestellt werden. Sie widersprechen ganz klar den Richtlinien für derartige Rüstungsexporte. Spätestens seit Beginn des Jemen-Krieges sind sie nichts anderes als ein politischer Tabubruch.
Der Druck auf den Iran muss selbstverständlich aufrechterhalten werden. Der Westen ist sich einig, dass Teheran nicht über Nuklearwaffen verfügen darf. Dieser Grundsatz führte letztlich zum Atomabkommen. Wer das Land durch immer schärfere Sanktionen destabilisieren will, geht ein unkontrollierbares Risiko ein.
Teheran spielt seit Jahren eine verheerende Rolle