Mindelheimer Zeitung

Sie ist so alt wie der Freistaat – und genauso munter

Maria Mühlensiep­en feiert am heutigen Samstag im Türkheimer Seniorenst­ift St. Martin ihren 100. Geburtstag. Sie ist hier glücklich und zufrieden – und doch fühlt sie sich manchmal immer noch etwas fremd

- VON ALF GEIGER

Türkheim/Bad Wörishofen Für Maria Mühlensiep­en ist der heutige Samstag ein ganz besonderer Tag: Sie wird 100 Jahre alt. 100? Unglaublic­h! Wer sich mit ihr unterhält, kann das einfach nicht glauben: Topfit ist sie für dieses biblische Alter, resolut und selbstbewu­sst, liebenswer­t und lustig – sie ist einfach so geblieben, was sie immer war: eine rheinische Frohnatur, mitten im schwäbisch-bayerische­n Unterallgä­u. Geholfen hat ihr dabei ihre gute Laune, ihre positive Lebenseins­tellung und vor allem ihre Familie. Und, na ja, ein kleines Geheminis hat sie schon, das ihr das Leben täglich ein bisserl versüßt ...

Sie sitzt in ihrem gemütliche­n Zimmer im 1. Stock des Türkheimer Seniorenst­ifts St. Martin, ihre Familie ist auch da und – natürlich – gibt Maria Mühlensiep­en den Ton an – eben ganz so, wie sie das auch zeit ihres langen Lebens gehalten hat. Alle lachen miteinande­r, sie erzählt viel von früher und auch von ihrem Leben heute im Seniorenhe­im, wo sie sich bestens aufgehoben und betreut fühlt.

Aber etwas mehr Ansprache würde sie sich manchmal schon wünschen, sagt sie mit einem Augenzwink­ern – sie kann es einfach immer noch nicht glauben, dass viele ihrer betagten Mitbewohne­r schon vor 18 Uhr zu Bett gehen: „Ich will doch nicht mein Leben verschlafe­n“, sagt sie lachend und erzählt gleich wieder von früher, von ihrer Jugend an der Mosel, die sie geprägt hat: „Ich bin ein Muselmädch­e“, sagt die in Ediger bei Cochem an der Mosel geborene Wahl-Türkheimer­in, die bis vor Kurzem mehr als zwei Jahrzehnte lang in Bad Wörishofen gelebt hat.

Ihren rheinische­n Dialekt hört man ganz deutlich, und das ist auch gut so, sagt die Jubilarin. Denn auch wenn sie sich seit vielen Jahren in Bayern und im Unterallgä­u absolut wohl und zuhause fühlt – mit einem kann sich die Rheinlände­rin aber bis zum heutigen Tag nicht anfreunden: dem bayerische­n Dialekt. Oder, fast noch schlimmer, das Allgäu-Schwäbisch hier in der Region. „Ich versteh’ die Leute hier einfach manchmal nicht, da fühl ich mich dann ganz fremd“, wundert sich die Seniorin. Aber wer sie kennt, der weiß auch, dass sie sich dann schon zu helfen weiß: „Ich frag’ halt so lange nach, bis ich alles verstehe.“

Immer ein Lachen auf den Lippen, das scheint ihr Lebensmott­o zu sein. Es hat ihr wohl auch geholfen, wenn ihr das lange Leben auch Schicksals­schläge zumutete. Kurz vor der diamantene­n Hochzeit verstarb plötzlich ihr geliebter Mann Josef, mit dem sie eine Tochter und einen Sohn hatte. Ihr Bub Erich starb dann auch vor wenigen Jahren, im Alter von 76 Jahren. „Mitten aus dem Leben“sei ihr Erich gerissen worden, sagt Maria Mühlensiep­en und wird traurig.

Aber nicht lange, denn schnell denkt sie an ihre fünf Enkelkinde­r, die ihr so viel Freude und Kraft geben: Nicole, Marc, Marcel, MarcAndre und natürlich die Jüngste, Katharina, die von Oma Maria liebevoll „das Nesthäkche­n“genannt wird. Sie ist ein absoluter Familienme­nsch, das spürt und sieht man, denn alle im Zimmer sind herzlich und voller Liebe zur Oma, auf die sie alle so stolz sind.

Und dann erzählt sie wieder, wie sie damals als Jugendlich­e täglich durch die Mosel geschwomme­n ist. Schwimmen, das war ihre Leidenscha­ft, ihr Leben lang: Als sie aus dem Rheinland mit ihrem Mann erst nach Germaringe­n gezogen ist, da ging sie im Sommer täglich ins Freibad nach Neugablonz und im Winter ins Hallenbad nach Kaufbeuren, wo sie hartnäckig ihre 1000 Meter abspulte. „Ich bin ein Wassermens­ch“, sagt sie fröhlich.

Mehr als 20 Jahre lebte sie in Bad Wörishofen, und da kam diese Passion natürlich besonders zur Entfaltung: Noch heute macht sie jeden Tag Kneipp-Güsse und legt sich dann mit feuchten Beinen ins Bett. „Da bleiben Sie gesund, das kann ich Ihnen sagen.“Auch gut für ihre Gesundheit sei dann wohl das kleine Gläschen Mosel-Wein, das sie sich jeden Tag gönnt, sagt sie und schmunzelt schelmisch. Und, fast hätte sie es vergessen: „Mein Schwiegers­ohn hat mich immer bestens medizinisc­h betreut, wenn es mal ein Wehwehchen gab“. Dr. Reinhard Eckert ist als Orthopäde in Bad Wörishofen tätig.

Heute wird gefeiert, im Kreise ihrer Liebsten, erst im Seniorenst­ift und dann zuhause bei Tochter Waltraud Eckert – eben bei ihrer Familie, die ihr das Wichtigste ist. „Hoffentlic­h gibt’s Weißwürste“, sagt Maria Mühlensiep­en und lacht schallend. Denn auf diese bayerische Spezialitä­t will sie ganz bestimmt nicht verzichten.

Sie ist glücklich, das wird ganz deutlich: Glücklich, dass ihr ein so langes Leben geschenkt wurde („Der liebe Gott hat es gut mit mir gemeint“), glücklich, hier im Seniorenst­ift mit seinem schönen Park versorgt zu sein, glücklich, eine liebevolle Familie zu haben.

Na dann, bis zum nächsten Geburtstag­sfest: „Wir sehen uns dann zu meinem 110. Geburtstag wieder“, gibt sie dem mit auf den Weg. Und dann lacht sie wieder herzhaft.

„Ich bin ein Muselmädch­e.“Ihr rheinische­r Dialekt verrät die Herkunft von Maria Mühlensiep­en. Mit der bayerisch-schwäbisch­en Mundart hat sie aber so ihre Probleme ...

MZ-Reporter

 ?? Foto: Alf Geiger ?? Maria Mühlensiep­en im Kreise ihrer Familie (von links): Schwiegers­ohn Dr. Reinhard Eckert, Tochter Waltraud, und die Enkelinnen Nicole Stiegmann und Katharina Eckert. Heute feiert das „Muselmädch­e“im Türkheimer Seniorenst­ift St. Martin ihren 100. Geburtstag.
Foto: Alf Geiger Maria Mühlensiep­en im Kreise ihrer Familie (von links): Schwiegers­ohn Dr. Reinhard Eckert, Tochter Waltraud, und die Enkelinnen Nicole Stiegmann und Katharina Eckert. Heute feiert das „Muselmädch­e“im Türkheimer Seniorenst­ift St. Martin ihren 100. Geburtstag.
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