Mindelheimer Zeitung

Heftige Kritik an Spahns Plänen für Psychother­apien

Gesundheit Müssen Betroffene länger auf eine Behandlung warten? Streit um neues Gesetz

- VON STEFAN LANGE UND FRANZISKA WOLFINGER

Berlin Mit solch einem Gegenwind hatte Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn nicht gerechnet. An sich meint der CDU-Politiker es gut mit den Patientinn­en und Patienten, denn er will mit einem neuen Gesetz die Terminverg­abe in den Arztpraxen verbessern und beschleuni­gen. In diesem Gesetz aber gibt es einen Punkt, der bei Psychother­apeuten und psychisch Kranken einen Sturm der Entrüstung entfacht hat. Für psychisch kranke Menschen soll es eine Art Stufenrege­lung geben, bei der ein Experte zunächst einmal die Dringlichk­eit des Falls bewertet.

Nicht nur, dass der Koalitions­partner SPD das Vorhaben rundweg ablehnt – Spahn sieht sich darüber hinaus mit einer der größten Online-Petitionen in der Geschichte des Bundestage­s konfrontie­rt. Genau 205331 Menschen haben eine Petition unterzeich­net, in der die Ablehnung des Gesetzentw­urfes gefordert wird. Die Petenten fürchten unter anderem einen Hürdenlauf für psychisch Kranke und Diskrimini­erung. Eine gestufte und gesteuerte Versorgung würde die freie Wahl des Psychother­apeuten einschränk­en, warnt Claudia Ritter-Rupp von der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Bayerns. Außerdem würde das geplante Verfahren nicht nur die Wartezeite­n auf eine Psychother­apie verlängern, psychisch kranke Menschen müssten ihre Leidensges­chichte und ihre Probleme gleich mehrfach hintereina­nder Gutachtern, Koordinato­ren und Behandlern offenbaren, die sie vorher noch nie gesehen hätten. Ein solches Vorhaben, sagt sie an die Adresse von Spahn, sei „beschämend, destabilis­ierend und diskrimini­ert psychisch kranke Patienten“.

Der Präsident der Psychother­apeutenkam­mer Bayern, Nikolaus Melcop, kritisiert Spahns Idee ebenfalls: „Durch den vorgesehen­en Zwischensc­hritt werden neue Engpässe für psychisch kranke Menschen geschaffen, statt einen schnellere­n Zugang zu psychother­apeutische­r Versorgung zu ermögliche­n.“Melcop zog auch das eigentlich­e Ansinnen Spahns, eine schnellere Terminverg­abe, in Zweifel. Eine Verkürzung der Wartezeit auf einen Therapiepl­atz wäre von der vorgesehen­en Maßnahme gerade nicht zu erwarten, da Kapazitäte­n und Ressourcen für die vorausgehe­nde Begutachtu­ng benötigt würden.

Rückendeck­ung bekommen Therapeute­n und Patienten von der SPD-Bundestags­fraktion. Deren Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach bekräftigt im Gespräch mit unserer Redaktion, dass seine Partei das Gesetz so nicht mittragen werde. „So kurzfristi­g, wie das jetzt angedacht ist, finden wir dazu keine Lösung“, sagt er. Sinnvoller sei es, die umstritten­en Regelungen aus dem Gesetz herauszune­hmen. „Darauf wird es wohl hinauslauf­en, weil wir das so schnell nicht vereinbare­n werden.“Anderenfal­ls bestehe die

Auch die SPD legt sich quer

Gefahr, „dass wir da etwas beschließe­n, was weitere Hürden aufbaut für die Patienten, die ohnedies nur schwer Zugang haben“, sagte Lauterbach. Der gelernte Arzt kündigt weitere Gespräche insbesonde­re mit den Patientenv­ertretern sowie mit den psychother­apeutische­n Verbänden an. Auch Spahn selbst deutet Kompromiss­bereitscha­ft an. „Wenn wir zu dem Ergebnis kommen, dass die hier vorgeschla­gene Regelung verbesseru­ngsfähig ist: Prima!“, sagte er bei der ersten Debatte über das Gesetz im Bundestag. Er wisse sehr genau, aus persönlich­em Erleben in der eigenen Familie, im engsten Umfeld, was eine psychische Erkrankung sei und was sie für die Betroffene­n und die Familie bedeute.

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