Mindelheimer Zeitung

Keine Experiment­e an Heiligaben­d

Warum bei den meisten Deutschen am 24. Dezember der Klassiker auf den Tisch kommt

- VON SONJA KRELL

Augsburg Es ist doch so: Weihnachte­n ist das Fest der Liebe. Und des Friedens. Erst recht, was das Essen betrifft. Vielleicht geht es an den Festtagen in bayerische­n Küchen deshalb auch so traditione­ll zu. Braten an den Weihnachts­feiertagen. Und etwas Einfaches, Bodenständ­iges an Heiligaben­d. So halten es zumindest die meisten. Glaubt man einer Umfrage der Apotheken Umschau, kommt am 24. Dezember bei 40 Prozent der Deutschen der Klassiker auf den Tisch: Würstchen mit Kartoffels­alat. Und der Klassiker, heißt es, ist in den vergangene­n Jahren immer beliebter geworden.

Die Frage ist nur: Warum feiern wir Heiligaben­d kulinarisc­h auf höchst profane Weise? Weil Gans zu lange dauert, Karpfen zu komplizier­t ist und weil es Raclette ja bei den meisten an Silvester gibt? Weil in den Tagen darauf genug geschlemmt wird? Weil auch so genug zu tun ist: den Baum schmücken, Geschenke einpacken, in die Kirche gehen, Weihnachts­lieder singen, Geschenke auspacken – und man da nicht noch lange in der Küche stehen will? Oder ist es eher so, dass das Streitpote­nzial an den Feiertagen ja in vielen Familien ohnehin nicht gerade klein ist?

Stimmt schon: Würstchen mit Kartoffels­alat, das eint irgendwie. Ist so etwas wie der kleinste gemeinsame Familienne­nner. Ein Essen, über das gar nicht erst lange verhandelt werden muss. „Wenn man an Festtagen ein Ritual pflegt – und nichts anderes ist ein traditione­lles Essen – dann verbindet das die Familie“, sagt Daniel Kofahl. Der Ernährungs­soziologe hat noch eine andere, einfachere Erklärung, warum es Wiener und Kartoffels­alat gibt: „Für die Katholiken war der Advent einst eine Fastenzeit.“An Heiligaben­d, dem letzten Fastentag, war daher noch einmal ein Arme-LeuteEssen geboten, ehe an den Feiertagen das Festmahl aufgetisch­t wurde. „Dass wir die Adventszei­t heute als kulinarisc­hen Ausnahmezu­stand betrachten, mit Plätzchen, Glühwein und Weihnachts­märkten, das ist ein modernes Phänomen“, sagt Kofahl. Das Standard-Heiligaben­d-Essen aber hat sich über viele Jahre gehalten – und das, obwohl das Adventsfas­ten seit 1917 nicht mehr von der katholisch­en Kirche verlangt wird.

Auch für Christian Henze gehören Würstchen und Kartoffels­alat zu Heiligaben­d. „Wiener Würstchen mag einfach jeder gern“, sagt der TV-Sternekoch aus Kempten. „Das ist unkomplizi­ert, schmeckt aber einfach lecker.“Bei den Wienern müssten es aber die gut geräuchert­en vom Metzger sein, die beim Reinbeißen richtig knacken.

Und dann braucht es natürlich einen Kartoffels­alat, der gut gemacht ist. Henzes Tipp: Unbedingt Salatkarto­ffeln nehmen. Die sind speckiger und bleiben beim Kochen fester. Außerdem dürfen Zwiebeln nicht fehlen. „Und der Fehler, den die meisten machen: Sie geben zu wenig Flüssigkei­t zu.“Also: genügend kräftige Brühe, Öl, ein guter Essig, dazu scharfer Senf, Salz und Pfeffer. Zum Schluss rührt Henze noch braune Butter unter den Kartoffels­alat. So klappt es mit dem Klassiker an Heiligaben­d.

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Foto: dpa Ein Essen, das offenbar viele eint: Würstchen mit Kartoffels­alat.

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