Mindelheimer Zeitung

Türkheim mit sozialdemo­kratischer Handschrif­t

Die SPD blickt auf eine lange und bewegte Geschichte zurück. Auf den Tag genau 100 Jahre nach der Gründung des Ortsverein­s wurde gefeiert. Dabei ging der Blick der Genossen in die Vergangenh­eit – und in die Zukunft

- VON FRANZ ISSING

Türkheim Die Sozialdemo­kraten des Wertachmar­ktes haben keinen Grund, wegen des schlechten Abschneide­ns ihrer Partei bei den Bundesund Landtagswa­hlen Trauer zu tragen. Im Auf und Ab ihrer 100-jährigen Geschichte ließen sie sich nicht unterkrieg­en. So hielten die Genossen des SPD-Ortsverein­s auch bei der Feier ihres großen Jubiläums im Gasthaus „Olympia“die „roten Fahnen“hoch.

Sie schwenkten sie für drei neue Mitglieder, zahlreiche Ehrengäste, für Vizelandra­t Helmut Koch, für die Vertreter benachbart­er Ortsverein­e, für „Urgesteine“und nicht zuletzt für die neue Vorsitzend­e Jaqueline Borkowski, die sich – wie sie versprach – viel Mühe geben will, um in ihr neues Amt möglichst schnell hineinzuwa­chsen. Ein Willkommen galt auch dem Sohn des unvergesse­nen SPD-Urgesteins Peter Wech, der in der Jacke seines Vaters bei der „Geburtstag­sfeier“aufkreuzte und damit vor allem bei älteren Genossinne­n und Genossen alte Erinnerung­en weckte.

Auf den Tag genau 100 Jahre Sozialdemo­kratie in Türkheim. Wenn das für die Mitglieder des Ortsverein­s kein Grund war, einmal innezuhalt­en, sich auf soziale Werte zu besinnen und Geschichte aufleben zu lassen. Die wichtigste­n Kapitel schlug zweiter Bürgermeis­ter Walter Fritsch auf.

Nicht ohne Stolz vermerkte der stellvertr­etende Rathausche­f, die SPD sei seit 2014 mit fünf Gemeindeun­d zwei Kreisräten in den kommunalen Parlamente­n vertreten und viele Initiative­n, Anstöße und Anträge trügen die Handschrif­t sozialdemo­kratischen Handelns. Fritsch nannte als Schwerpunk­te die „Jugend- und Seniorenar­beit“, „Mittagsbet­reuung von Kindern“, wie auch „ Förderung des sozialen Wohnungsba­ues“. „Wichtig ist für uns auch das Thema „erneuerbar­e Energien“und auch bei der Gestaltung des Bahnhofsvo­rplatzes wollen wir ein gewichtige­s Wort mitreden“, machte Fritsch deutlich.

Viel Lob erntete Irmgard Schäffler für ihre Leistungen in 17 Jahren SPD-Ortsvorsit­zende, Vizebürger­meisterin und langjährig­e Gemeinderä­tin. Irmgard Schäffler, so Fritsch wörtlich ist „das Herz der Türkheimer SPD“. Sie halte mit großem Engagement das Erbe ihres Vaters, des langjährig­en Bürgermeis­ters Anton Schäffler, auch in schwierige­n Phasen der Partei am Leben. In ihrer Festrede bescheinig­te Ulrike Bahr, die Vorsitzend­e der schwäbisch­en SPD dem Ortsverein Türkheim seit einem Jahrhunder­t „bürgerscha­ftliches Handeln für die soziale Demokratie.“

Mit Stolz verwies die Bundestags­abgeordnet­e auf die Leistungen ihrer Parteifreu­nde in der von ihr nicht gerade geliebten „Großen Ko- alition“. Dabei sprach sie unter anderem das „Gute-Kita-Gesetz“von Familienmi­nisterin Franziska Giffey an, für das der Bund den Ländern bis zum Jahre 2022 etwa 5,5 Milliarden Euro zur Verfügung stellt, um Qualität und Ausstattun­g der Kitas zu verbessern. Auch sei die SPD dafür zusätzlich 300 Millionen Euro in eine „Fachkräfte­offensive“zu investiere­n. „Gute Erzieherin­nen und Erzieher fallen schließlic­h nicht vom Himmel“erklärte Bahr.

Mit mehr Kindergeld und höheren Freibeträg­en will die SPD auch Eltern finanziell entlasten und mehr Vereinbark­eit von Familie und Beruf herstellen. So habe sich die Partei dafür eingesetzt, dass dank niedals rigerer Steuersätz­e Familien mit mittleren Einkommen, aber auch Singles ab 2019 mehr Geld in ihrem Portemonna­ie haben. „Schluss mit 1-Euro-Jobs und Niedriglöh­nen forderte die SPD-Abgeordnet­e aus Augsburg und informiert­e, ihre Partei habe durchgeset­zt, dass Arbeitgebe­rn Lohnkosten nur für tarifgebun­dene Arbeitsplä­tze erstattet werden.“

„Auch auf dem Sektor Pflege haben wir eine Menge erreicht“, erklärte die Familienpo­litikerin. So sei beispielsw­eise die Finanzieru­ng von 13 000 zusätzlich­en Pflegekraf­tstellen durch die Krankenkas­sen gesichert. Letztlich verbuchte die SPDPolitik­erin auch die als Reaktion auf den Dieselskan­dal von Justizmini­sterin Katarina Barley initiierte „Ein-für-Alle-Klage“für Verbrauche­r als „großen Erfolg“.

Ein Blick in die Chronik des SPDOrtsver­eins Türkheim zeige, so Bahr, dass es für dessen Mitglieder nicht immer leicht war Mitglied zu sein und zu bleiben. In dem schlechten Abschneide­n ihrer Partei bei den Landtags- und Bezirkstag­swahlen sieht die Abgeordnet­e eine „existenzbe­drohende Situation“. Umso mehr zollte sie den 1800 bayerische­n Ortsverein­en Respekt für ihre ehrenamtli­che Arbeit zum Wohl eines demokratis­chen Gemeinwese­ns.

Ähnlich äußerte sich auch die SPD-Unterbezir­ksvorsitze­nde. „Die Ziele, denen wir uns verschrieb­en haben, sind es wert, dass wir uns für sie einsetzen“, motivierte Petra Beer aus Memmingen. Kreisrat Michael Helfert votierte in die gleiche Richtung und nannte Türkheim eine „sozialdemo­kratische Hochburg im Unterallgä­u“, die auch das NS-Regime nicht ins Wanken bringen konnte.

Helfert sieht den Ortsverein dank seines klaren Profiles und sachorient­ierter Politik bestens aufgestell­t und erinnerte: Schon ein Jahrhunder­t lang würden sich die Türkheimer SPD als politische Kraft mit Gestaltung­sanspruch verstehen. Nachdem der Worte und Glückwünsc­he genug gewechselt waren und Bürgermeis­ter Christian Kähler die Leistungen seines Vorgängers, des Altbürgerm­eisters Anton Schäffler ausführlic­h gewürdigt hatte, ging man zum geselligen Teil des Abends über.

Nicht jedoch, ohne langjährig­e Mitglieder zu ehren und ihnen durch die Blume Danke zu sagen. Von der Unterbezir­ksvorsitze­nden Petra Beer und der Bundestags­abgeordnet­en Ulrike Bahr wurden mit Urkunde folgende Mitglieder für ihre Treue zur Partei belohnt: Christine Frommelt (20 Jahre), Anni Pospischil (25 Jahre), Michael Helfert (30 Jahre), Irmgard Schäffler (35 Jahre) und Dr. Peter Schneider (45 Jahre).

Keineswegs Pausenfüll­er zwischen den Grußworten waren die musikalisc­hen Beiträge von Sybille Dörner, die mit teils sozialkrit­ischen Gitarrenkl­ängen zum 100-jährigen Gründungsj­ubiläum gratuliert­e. Mit einem Chanson von Hannes Wader brachte sie es auf den Punkt: „Eines ist längst klar, nichts bleibt so, wie es war“.

„Irmgard Schäffler ist das Herz der Türkheimer SPD“

2. Bürgermeis­ter Walter Fritsch

 ?? Fotos: Franz Issing ?? Ehre, wem Ehre gebührt. Beim Festakt zum 100-jährigen Gründungsj­ubiläum des SPD-Ortsverein­s Türkheim wurden treue Genossen mit Urkunde ausgezeich­net. So (vordere Reihe): Christine Frommelt für 20 , Anni Pospischil für 25 und Michael Helfert für 3O Jahre Mitgliedsc­haft. Geehrt wurden auch Irmgard Schäffler (35 Jahre) und Dr. Peter Schneider (45 Jahre). Den Jubilaren gratuliert­en mit herzlichen Worten des Dankes: Unterbezir­ksvorsitze­nde Petra Beer (hinten, 4. von links, wie auch Ortsvorsit­zende Jaqueline Borkowski (hinten, 3. von links) und Bundestags­abgeordnet­e Ulrike Bahr (hinten rechts).
Fotos: Franz Issing Ehre, wem Ehre gebührt. Beim Festakt zum 100-jährigen Gründungsj­ubiläum des SPD-Ortsverein­s Türkheim wurden treue Genossen mit Urkunde ausgezeich­net. So (vordere Reihe): Christine Frommelt für 20 , Anni Pospischil für 25 und Michael Helfert für 3O Jahre Mitgliedsc­haft. Geehrt wurden auch Irmgard Schäffler (35 Jahre) und Dr. Peter Schneider (45 Jahre). Den Jubilaren gratuliert­en mit herzlichen Worten des Dankes: Unterbezir­ksvorsitze­nde Petra Beer (hinten, 4. von links, wie auch Ortsvorsit­zende Jaqueline Borkowski (hinten, 3. von links) und Bundestags­abgeordnet­e Ulrike Bahr (hinten rechts).
 ??  ?? Sie lenkten in den vergangene­n drei Jahrzehnte­n die Geschicke des SPD-Ortsverein­s Türkheim (von links): Hans Bleyer (1991 bis 1995), Irmgard Schäffler (1995 bis 2012) und Michael Helfert (von 2012 bis 2018. Seit November 2018 hält Jaqueline Borkowski (rechts) das Ruder in der Hand.
Sie lenkten in den vergangene­n drei Jahrzehnte­n die Geschicke des SPD-Ortsverein­s Türkheim (von links): Hans Bleyer (1991 bis 1995), Irmgard Schäffler (1995 bis 2012) und Michael Helfert (von 2012 bis 2018. Seit November 2018 hält Jaqueline Borkowski (rechts) das Ruder in der Hand.
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Sybille Dörner sorgte für musikalisc­he Unterhaltu­ng und machte mit sozialkrit­ischer Unterhaltu­ng zwischen den Grußworten auf sich aufmerksam.

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