Türkheim mit sozialdemokratischer Handschrift
Die SPD blickt auf eine lange und bewegte Geschichte zurück. Auf den Tag genau 100 Jahre nach der Gründung des Ortsvereins wurde gefeiert. Dabei ging der Blick der Genossen in die Vergangenheit – und in die Zukunft
Türkheim Die Sozialdemokraten des Wertachmarktes haben keinen Grund, wegen des schlechten Abschneidens ihrer Partei bei den Bundesund Landtagswahlen Trauer zu tragen. Im Auf und Ab ihrer 100-jährigen Geschichte ließen sie sich nicht unterkriegen. So hielten die Genossen des SPD-Ortsvereins auch bei der Feier ihres großen Jubiläums im Gasthaus „Olympia“die „roten Fahnen“hoch.
Sie schwenkten sie für drei neue Mitglieder, zahlreiche Ehrengäste, für Vizelandrat Helmut Koch, für die Vertreter benachbarter Ortsvereine, für „Urgesteine“und nicht zuletzt für die neue Vorsitzende Jaqueline Borkowski, die sich – wie sie versprach – viel Mühe geben will, um in ihr neues Amt möglichst schnell hineinzuwachsen. Ein Willkommen galt auch dem Sohn des unvergessenen SPD-Urgesteins Peter Wech, der in der Jacke seines Vaters bei der „Geburtstagsfeier“aufkreuzte und damit vor allem bei älteren Genossinnen und Genossen alte Erinnerungen weckte.
Auf den Tag genau 100 Jahre Sozialdemokratie in Türkheim. Wenn das für die Mitglieder des Ortsvereins kein Grund war, einmal innezuhalten, sich auf soziale Werte zu besinnen und Geschichte aufleben zu lassen. Die wichtigsten Kapitel schlug zweiter Bürgermeister Walter Fritsch auf.
Nicht ohne Stolz vermerkte der stellvertretende Rathauschef, die SPD sei seit 2014 mit fünf Gemeindeund zwei Kreisräten in den kommunalen Parlamenten vertreten und viele Initiativen, Anstöße und Anträge trügen die Handschrift sozialdemokratischen Handelns. Fritsch nannte als Schwerpunkte die „Jugend- und Seniorenarbeit“, „Mittagsbetreuung von Kindern“, wie auch „ Förderung des sozialen Wohnungsbaues“. „Wichtig ist für uns auch das Thema „erneuerbare Energien“und auch bei der Gestaltung des Bahnhofsvorplatzes wollen wir ein gewichtiges Wort mitreden“, machte Fritsch deutlich.
Viel Lob erntete Irmgard Schäffler für ihre Leistungen in 17 Jahren SPD-Ortsvorsitzende, Vizebürgermeisterin und langjährige Gemeinderätin. Irmgard Schäffler, so Fritsch wörtlich ist „das Herz der Türkheimer SPD“. Sie halte mit großem Engagement das Erbe ihres Vaters, des langjährigen Bürgermeisters Anton Schäffler, auch in schwierigen Phasen der Partei am Leben. In ihrer Festrede bescheinigte Ulrike Bahr, die Vorsitzende der schwäbischen SPD dem Ortsverein Türkheim seit einem Jahrhundert „bürgerschaftliches Handeln für die soziale Demokratie.“
Mit Stolz verwies die Bundestagsabgeordnete auf die Leistungen ihrer Parteifreunde in der von ihr nicht gerade geliebten „Großen Ko- alition“. Dabei sprach sie unter anderem das „Gute-Kita-Gesetz“von Familienministerin Franziska Giffey an, für das der Bund den Ländern bis zum Jahre 2022 etwa 5,5 Milliarden Euro zur Verfügung stellt, um Qualität und Ausstattung der Kitas zu verbessern. Auch sei die SPD dafür zusätzlich 300 Millionen Euro in eine „Fachkräfteoffensive“zu investieren. „Gute Erzieherinnen und Erzieher fallen schließlich nicht vom Himmel“erklärte Bahr.
Mit mehr Kindergeld und höheren Freibeträgen will die SPD auch Eltern finanziell entlasten und mehr Vereinbarkeit von Familie und Beruf herstellen. So habe sich die Partei dafür eingesetzt, dass dank niedals rigerer Steuersätze Familien mit mittleren Einkommen, aber auch Singles ab 2019 mehr Geld in ihrem Portemonnaie haben. „Schluss mit 1-Euro-Jobs und Niedriglöhnen forderte die SPD-Abgeordnete aus Augsburg und informierte, ihre Partei habe durchgesetzt, dass Arbeitgebern Lohnkosten nur für tarifgebundene Arbeitsplätze erstattet werden.“
„Auch auf dem Sektor Pflege haben wir eine Menge erreicht“, erklärte die Familienpolitikerin. So sei beispielsweise die Finanzierung von 13 000 zusätzlichen Pflegekraftstellen durch die Krankenkassen gesichert. Letztlich verbuchte die SPDPolitikerin auch die als Reaktion auf den Dieselskandal von Justizministerin Katarina Barley initiierte „Ein-für-Alle-Klage“für Verbraucher als „großen Erfolg“.
Ein Blick in die Chronik des SPDOrtsvereins Türkheim zeige, so Bahr, dass es für dessen Mitglieder nicht immer leicht war Mitglied zu sein und zu bleiben. In dem schlechten Abschneiden ihrer Partei bei den Landtags- und Bezirkstagswahlen sieht die Abgeordnete eine „existenzbedrohende Situation“. Umso mehr zollte sie den 1800 bayerischen Ortsvereinen Respekt für ihre ehrenamtliche Arbeit zum Wohl eines demokratischen Gemeinwesens.
Ähnlich äußerte sich auch die SPD-Unterbezirksvorsitzende. „Die Ziele, denen wir uns verschrieben haben, sind es wert, dass wir uns für sie einsetzen“, motivierte Petra Beer aus Memmingen. Kreisrat Michael Helfert votierte in die gleiche Richtung und nannte Türkheim eine „sozialdemokratische Hochburg im Unterallgäu“, die auch das NS-Regime nicht ins Wanken bringen konnte.
Helfert sieht den Ortsverein dank seines klaren Profiles und sachorientierter Politik bestens aufgestellt und erinnerte: Schon ein Jahrhundert lang würden sich die Türkheimer SPD als politische Kraft mit Gestaltungsanspruch verstehen. Nachdem der Worte und Glückwünsche genug gewechselt waren und Bürgermeister Christian Kähler die Leistungen seines Vorgängers, des Altbürgermeisters Anton Schäffler ausführlich gewürdigt hatte, ging man zum geselligen Teil des Abends über.
Nicht jedoch, ohne langjährige Mitglieder zu ehren und ihnen durch die Blume Danke zu sagen. Von der Unterbezirksvorsitzenden Petra Beer und der Bundestagsabgeordneten Ulrike Bahr wurden mit Urkunde folgende Mitglieder für ihre Treue zur Partei belohnt: Christine Frommelt (20 Jahre), Anni Pospischil (25 Jahre), Michael Helfert (30 Jahre), Irmgard Schäffler (35 Jahre) und Dr. Peter Schneider (45 Jahre).
Keineswegs Pausenfüller zwischen den Grußworten waren die musikalischen Beiträge von Sybille Dörner, die mit teils sozialkritischen Gitarrenklängen zum 100-jährigen Gründungsjubiläum gratulierte. Mit einem Chanson von Hannes Wader brachte sie es auf den Punkt: „Eines ist längst klar, nichts bleibt so, wie es war“.
„Irmgard Schäffler ist das Herz der Türkheimer SPD“
2. Bürgermeister Walter Fritsch