Advent in Afrika
Julia Streitel berichtet erneut aus Tansania. Aber kommt in Afrika überhaupt Adventsstimmung auf? Wie Julia die Wochen vor Weihnachten verbracht hat
Mindelheim/Tansania Inzwischen hat in Tansania mit einiger Verspätung die kleine Regenzeit begonnen und wieder gibt es einiges zu berichten. Zunächst einmal: Mein Visum scheint fertig zu sein; es muss nur noch irgendwie zu mir gebracht werden. Ich bin gespannt, ob das bald klappt, aber über die Nachricht bin ich schon mal sehr froh!
Es heißt ja, die Sprache sei der Schlüssel zu einer neuen Kultur. Der Sprachkurs, den ich im Oktober gemacht habe, hat mir das Ankommen sehr erleichtert: Vor Kurzem war ich bei einer Arbeiterin des Konvents, die nur Kiswahili spricht, eingeladen, und wir konnten uns recht gut unterhalten. Natürlich ist es immer noch eine Herausforderung, Anschluss zu finden, aber zumindest kann ich nun auch ein bisschen mehr erzählen und verstehen.
Allerdings finde ich es gar nicht so leicht, an meiner Einsatzstelle überhaupt ein Gesprächsthema zu finden. Viele, die dort wohnen und arbeiten, verlassen das Gelände sehr selten und haben dementsprechend wenig zu erzählen.
Ich selber habe ein schlechtes Gewissen, wenn ich von Wochenendausflügen oder Freizeitaktivitäten erzähle, denn ich weiß, dass sie das Privileg, öfter mal rauszukommen, nicht haben. So ist es für mich schwierig, etwas zu erzählen. Und das, obwohl ich oft „Niambie!“und „Piga story!“höre – also die Auffor- eine Geschichte zu erzählen.
Glücklicherweise habe ich mittlerweile etwas mehr zu tun im Hope Centre: Kürzlich stand auf dem Programm, Bohnen zu sortieren und außerdem habe ich mit der 19-jährigen, taubstummen Sikudhani Zeichensprache gelernt.
Sie kann ein bisschen lesen und schreiben und konnte mir so auf dem Papier einiges beibringen. Inzwischen kann ich ein paar Tiere, Wörter, Städte und alle Buchstaben mit den Händen zeigen und damit einfache Sätze formulieren. Viel unterhalten können wir uns trotzdem nicht, aber ich sitze gerne mit ihr zusammen und habe sogar versucht, ihr „Kniffel“beizubringen. Ich glaube, sie hat es verstanden!
Eine andere neue Entwicklung ist, dass ich für zwei Tage in die „Mother Kevin School“nebenan schnuppern durfte. Die Erfahrung war sehr interessant. Die Schüler beginnen schon in der Chekechea, der Vorschule, Zahlen und Silben zu lernen und einfache Sätze zu schreiben. Mit sechs Jahren wechseln die Kinder in die erste Klasse, wobei diese wie die folgenden Klassen auch in die langsamen und schnellen Lerner unterteilt wird. Morgens vor der ersten Stunde reihen sich alle Kinder in Schuluniform vor einer Schülerstatue und Landesflagge auf, beten gemeinsam und singen eine tansanische Hymne.
Im Unterricht gibt es etwas, das einen je nach Persönlichkeit schnell die Nerven kosten kann: den Lärm! So laut die Kinder in Deutschland im Unterricht sein können, an die Lautstärke hier kommt das nicht heran. Wenn die Kinder englische Sätze gemeinsam vorlesen, denkt man, das Trommelfell platzt gleich! Und ein Schreihals mal 30 Schüler ergibt wirklich einen fetten Sound. Nichtsdestotrotz möchte ich versuchen, ab Schulbeginn im Januar auch die eine oder andere Stunde als Lehrerin zugeteilt zu bekommen.
Außerdem finde ich die Namen der Kinder hier manchmal lustig. Oft werden sie nach Gegebenheiten oder Wünschen benannt. So bin ich schon einem „Godlisten“begegnet, einer „Princess“, „Pendo“oder einer „Amina“. Letztere bedeuten übersetzt „Liebe“und „Amen“.
An einem der Wochenenden bin ich mit zwei anderen Freiwilligen in die Stadt Tanga an der Küste gefahren. Es wurde zwar kein Badeurlaub, da wir keinen schönen Strand gefunden haben, aber es hat trotzdem Spaß gemacht. Die Hinfahrt war sehr tansanisch – wir haben zweieinhalb Stunden auf den Bus gewartet, aber als der endlich kam, habe ich immerhin den richtigen Platz gewählt. Zwei Reihen vor mir wurde eine Frau nass, weil das Dach über ihr undicht war, und es geregnet hat.
Wir haben Tanga größtenteils zu Fuß erkundet und für einen Nachmittag eine Tour gebucht. Mit einem Fahrer und einem Guide sind wir zu den „Amboni Caves“gefahderung, ren, einem Höhlensystem, das der Legende nach bis nach Mombasa in Kenia reichen soll. Ich möchte nicht ausprobieren, ob das stimmt – mir haben die Gänge, in denen wir uns bewegt haben, schon gereicht. Es war interessant, aber auch stockdunkel und teils so eng, dass wir uns mit Taschenlampen, gebückt und in der Hocke fortbewegen mussten. Wäre unser Guide ein Verbrecher gewesen, der uns auf einmal zurücklässt, wäre das unser sicherer Tod gewesen. Aus dem Labyrinth hätten wir alleine niemals wieder heraus gefunden.
Anschließend ging das Abenteuer weiter: Wir probierten auf einer Kokosnuss-Plantage Kokoswasser und Kokoswein. Bevor wir am Sonntag die Heimreise angetreten haben, testeten wir noch den Pool eines Hotels in der Stadt. Auf Nachfrage wurde extra für uns Musik angemacht! Wir waren nämlich die einzigen Badegäste. Es wurden große Boxen angeschleppt und richtig aufgedreht! Hamna shida. Kein Problem.
Als Abschluss habe ich noch eine Story für euch, die zeigt, wie Kulturen aufeinanderprallen können. Das habe ich bei einer Unterhaltung mit dem Physiotherapeuten des Hope Centres und einer Schwester erlebt:
Physiotherapeut: Julia, mittlerweile mag dich Tansania.
Ich: Wieso?
P: Du bist dick geworden. J: (entsetzt und mit bösem Blick): Danke ...
P: Wieso? Und mit kurzer Nachfrage bei der Sister: Was sagst du dazu?
Sister: (zustimmend): Sie ist definitiv mehr geworden.
P: Ja, als du hergekommen bist, warst du sehr schlank, aber mittlerweile bist du dicker geworden.
J: Danke. In Deutschland ist das etwas Schlechtes, wenn man einer Person sagt, sie sei dick. P (erstaunt): Wieso?
J (erklärend und beleidigt): In Deutschland denken die Menschen, dass nur schlanke Menschen schön sind. Genauso wie ihr hier findet, dass kurvigere Menschen schön sind. Aber in Deutschland wollen Menschen eben nicht dick sein.
Die Situation war irgendwie lustig, auch wenn die Freude, so etwas gesagt zu bekommen, größer sein könnte. Aber es ist nun einmal so, dass man hier gerne zeigt, wenn man sich genug zu essen leisten kann. Letztendlich war es also vielleicht einfach ein missglücktes Kompliment …?
Ich hoffe, bei euch kehrt schon langsam Weihnachtsstimmung ein – das kann ich bei mir gerade noch nicht behaupten. Ich glaube, dafür ist es zu heiß und die Entfernung zu geschmückten Häusern und Lichterketten zu groß. Trotzdem fühle ich mich inzwischen ziemlich wohl und ganz gut akzeptiert – auch im Konvent bei den Schwestern. Nun bin ich gespannt, wie hier Weihnachten gefeiert wird, wovon ich dann beim nächsten Mal berichte.