Schockstarre nach Aus für das Kneippianum
Barmherzige Brüder entscheiden, dass das Vier-Sterne-Hotel Ende November dicht gemacht wird. 68 Mitarbeiter verlieren ihre Jobs
Bad Wörishofen Drei Einrichtungen hatte der weltberühmte „Wasserdoktor“Sebastian Kneipp seiner Heimatstadt Bad Wörishofen einst hinterlassen – seit Dezember ist davon nur noch eine übrig. Nach dem Familie-Kind-Haus im Frühjahr hat der Orden der Barmherzigen Brüder im Dezember auch das Kneippianum, ein Vier-Sterne-Hotel mit 144 Betten dicht gemacht
Seit im Sommer überraschend die Schließung bekannt wurde, stand die Kneippstadt unter Schock – viel mehr noch als der Verlust von Arbeitsplätzen sorgte die Art und Weise für Unmut, mit der der Orden der Barmherzigen Brüder die Schließung des traditionsreichen Hauses bekannt gegeben hatte. 68 Mitarbeiter verloren ihre Arbeitsplätze. Von „Kündigungen im Fünf-MinutenTakt“berichteten betroffene Mitarbeiter, die aus Angst vor den „rauen Umgangsformen“bei den Barmherzigen Brüdern lieber anonym bleiben wollten.
Die geschassten Mitarbeiter fühlten sich „betrogen und belogen“, hieß es weiter. Zu den Vorwürfen äußern wollten sich jedoch weder der oberste Ordenshüter noch der zuständige Verwaltungsdirektor Ansgar Dieckhoff. Die Barmherzigen Brüder sind ein Sozialkonzern mit gut 50 000 Beschäftigten in 350 Krankenhäusern und therapeutischen Einrichtungen.
2002 hatte der Orden das Kneippianum vom Orden der Mallersdorfer Schwestern übernommen. Im Zuge dieser Übernahme schlossen die Barmherzigen Brüder die Kneipp’sche Kinderheilstätte, die einst persönlich von Pfarrer Kneipp gegründet worden war. In diesem Gebäude wurde dann das FamilieKind-Haus eingerichtet – eine Entscheidung, die schon damals auf viel Unverständnis in Bad Wörishofen stieß – mit der Hoffnung auf eine langfristige Zukunft des Kneipp’schen Erbes jedoch zähneknirschend akzeptiert werden musste. Dass ab Dezember in der Kneippstadt Bad Wörishofen mit dem 157-Betten-Haus „Sebastianeum“nur noch eine der drei direkt auf Sebastian Kneipp zurückgehenden Einrichtungen übrig bleibt, bleibt für Einheimische und Stammgäste ein schwer zu verdauender Schock, auch wenn dort die Mitarbeiter aus dem Kneippianum weiterbeschäftigt werden sollen, die jetzt noch keine Kündigung bekommen haben.
Aus wirtschaftlichen Gründen und angesichts eines „substanziellen Defizits“, das trotz einer Auslastung von 66,5 Prozent in den vergangenen Jahren aufgelaufen sei, sei ein Weiterbetrieb des defizitären Kneippianums jedoch nicht zu rechtfertigen, wie Verwaltungsdirektor Ansgar Dieckhoff unmittelbar nach Bekanntwerden der Schließung Anfang August wissen ließ obwohl der Orden in den vergangenen Jahren noch mehrere Millionen in das Vier-Sterne-Hotel investiert hatte.
Laut Dieckhoff seien in Bad Wörishofen aber „keine kostendeckenden Zimmerpreise durchzusetzen“. Das habe eine Rolle bei der Entscheidung gespielt; insbesondere aber „die Tatsache, dass der Mittelbau des Kneippianums in mehrfacher Hinsicht nicht den Anforderungen entspricht.“Eine Totalsanierung des Mittelbaus mit völliger Entkernung und Teilabriss im laufenden Betrieb sei für den Orden wirtschaftlich aber „nicht darstellbar“, sagte der Verwaltungsdirektor damals.
„Die Schließung wurde erst in der letzten Woche beschlossen“, sagte Dieckhoff Anfang August. „Die Klärung der Nachnutzung wurde bewusst zurückgestellt.“Mit einem stillen Protestmarsch äußerten rund 250 Bürger ihren Unmut über die Entwicklung und ihre Solidarität mit den Mitarbeitern.