Mensch werden
Die Zeit vor Weihnachten ist schon besonders. Trotz allen Trubels und aller Hektik – selten spüren wir so viel Sehnsucht, Hoffnung, Mitgefühl, spontane Hilfsbereitschaft, Spendenfreude, Besinnung auf das Wesentliche wie sonst unterm Jahr. Gerade jetzt spüre ich in Gesprächen große Sorgen um die Zukunft, aber auch große Solidarität. Ein 60-jähriger Fujitsu-Mitarbeiter erklärt mir bei einer Kundgebung: „Mir kann nichts mehr passieren, aber meine jüngeren Kolleginnen und Kollegen stehen vor dem Nichts. Für sie bin ich heute dabei.“Tolle Einstellung! Oder eine große Bäckerei, die wenige Tage vor Weihnachten vor dem Aus steht. Aber: Die Beschäftigten gehen jetzt nicht nach Hause und sperren sich ein. Sie zeigen Würde. Sie kämpfen um ihre Zukunft. Sie zeigen Gesicht und fordern Menschlichkeit. Sie stehen zusammen, halten Mahnwache und trösten sich gegenseitig. Immerhin stehen solidarische Gruppen, stehen wir an ihrer Seite. Und das ist schon sehr viel, ein kleines Stück Menschsein.
An Weihnachten geht es ums Menschwerden. Wer sich wirklich auf den Weg macht, um Mensch zu werden, der muss zuerst zu sich selbst finden. Nur wer mit sich selbst im Reinen ist, der kann ausstrahlen. Und so öffnet sich das Menschwerden für den andern und auf andere hin. So geht Menschwerdung!
Und so ging Menschwerdung vor etwas mehr als 2000 Jahren. Da kam ein Kind auf die Welt, auf das sie 1000 Jahre gewartet hatten. Es war kein Luxuskind und kein Königskind. Es war ein Armenkind, ein Flüchtlingskind, ein Arbeiterkind, ein Judenkind – das Jesuskind. Seitdem hat jedes Kind, hat jeder Mensch dieses göttliche Lächeln, diese erlösende Freude, diese ansteckende Liebe im Herzen und im Gesicht. So geht Menschwerden. Für die Beschäftigten, die um ihre Arbeit bangen, und für uns, wenn wir sie in unser Gebet und in unsere Solidarität hineinnehmen. Ihnen allen ein frohes und gesegnetes Fest der Menschwerdung!