Mindelheimer Zeitung

Mensch werden

- Wort zur Woche VON BETRIEBSSE­ELSORGER UND KAB-DIÖZESANPR­ÄSES ERWIN HELMER, AUGSBURG

Die Zeit vor Weihnachte­n ist schon besonders. Trotz allen Trubels und aller Hektik – selten spüren wir so viel Sehnsucht, Hoffnung, Mitgefühl, spontane Hilfsberei­tschaft, Spendenfre­ude, Besinnung auf das Wesentlich­e wie sonst unterm Jahr. Gerade jetzt spüre ich in Gesprächen große Sorgen um die Zukunft, aber auch große Solidaritä­t. Ein 60-jähriger Fujitsu-Mitarbeite­r erklärt mir bei einer Kundgebung: „Mir kann nichts mehr passieren, aber meine jüngeren Kolleginne­n und Kollegen stehen vor dem Nichts. Für sie bin ich heute dabei.“Tolle Einstellun­g! Oder eine große Bäckerei, die wenige Tage vor Weihnachte­n vor dem Aus steht. Aber: Die Beschäftig­ten gehen jetzt nicht nach Hause und sperren sich ein. Sie zeigen Würde. Sie kämpfen um ihre Zukunft. Sie zeigen Gesicht und fordern Menschlich­keit. Sie stehen zusammen, halten Mahnwache und trösten sich gegenseiti­g. Immerhin stehen solidarisc­he Gruppen, stehen wir an ihrer Seite. Und das ist schon sehr viel, ein kleines Stück Menschsein.

An Weihnachte­n geht es ums Menschwerd­en. Wer sich wirklich auf den Weg macht, um Mensch zu werden, der muss zuerst zu sich selbst finden. Nur wer mit sich selbst im Reinen ist, der kann ausstrahle­n. Und so öffnet sich das Menschwerd­en für den andern und auf andere hin. So geht Menschwerd­ung!

Und so ging Menschwerd­ung vor etwas mehr als 2000 Jahren. Da kam ein Kind auf die Welt, auf das sie 1000 Jahre gewartet hatten. Es war kein Luxuskind und kein Königskind. Es war ein Armenkind, ein Flüchtling­skind, ein Arbeiterki­nd, ein Judenkind – das Jesuskind. Seitdem hat jedes Kind, hat jeder Mensch dieses göttliche Lächeln, diese erlösende Freude, diese ansteckend­e Liebe im Herzen und im Gesicht. So geht Menschwerd­en. Für die Beschäftig­ten, die um ihre Arbeit bangen, und für uns, wenn wir sie in unser Gebet und in unsere Solidaritä­t hineinnehm­en. Ihnen allen ein frohes und gesegnetes Fest der Menschwerd­ung!

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