Mindelheimer Zeitung

Zum Glück gibt es den Euro

Debatte Warum die Währung trotz aller Konstrukti­onsfehler ein Segen für Deutschlan­d ist

- VON STEFAN STAHL sts@augabueger-allgemeine.de

Deutschlan­d bräuchte mehr Euro-Euphorie und weniger D-Mark-Nostalgie. Natürlich war das alte Geld ein Symbol für den wirtschaft­lichen Aufstieg. Natürlich bildete die Bundesbank eine Trutzburg währungspo­litischer Souveränit­ät und Solidität. Und natürlich geben Menschen ein Stück nationaler Identität ungern auf.

Doch es war grundsätzl­ich die richtige Entscheidu­ng, vor bald 20 Jahren den Euro zunächst als Buchund später als Bargeld einzuführe­n. Denn Ende der 90er Jahre erschien es überfällig, die europäisch­e Einheit zumindest wirtschaft­lich weiterzuen­twickeln und ihr auf internatio­naler Ebene mit der EU als gewaltigem Markt das gebührende Gewicht zu verleihen. Die Währungsun­ion stellte für führende europäisch­e Politiker wie Helmut Kohl den Schlüssel für ein starkes, geeintes und vor allem friedliche­s Europa dar. Die Euro-Hoffnungen des einstigen CDU-Patriarche­n, der für allemal Kriege auf europäisch­em Boden verhindern wollte, sollte sich nur zum Teil erfüllen.

Auf der Habenseite des Euro steht vor allem die Tatsache, dass ein kraftvolle­s Geld geschaffen wurde, auf das wir stolz sein können. Denn der Euro ist nach dem Dollar die zweitwicht­igste Reservewäh­rung der Welt. Der Ruf des europäisch­en Geldes ist also internatio­nal viel besser als in Deutschlan­d.

Dabei lohnt es sich auch hierzuland­e, etwas genauer hinzuschau­en. Denn Euro-Skeptiker und auch -Gegner, wie sie sich etwa in der rechtspopu­listischen AfD tummeln, sind zwar lautstärke­r als die Befürworte­r der Währung, sie stellen aber keineswegs die Mehrheit dar. Die Deutschen sind in der Summe vernünftig­er, als es manchmal scheint. Denn immerhin rund 70 Prozent der Bundesbürg­er glauben nach einer Umfrage der EU-Kommission, der Euro sei gut für das Land. Der Zustimmung­swert zur Währung ist zwar gesunken, aber fällt immer noch hoch aus. Dass so viele Menschen dem Euro trotz aller Probleme die Stange halten, liegt vor allem an drei Umständen:

Erstens wissen viele, wie lästig es ist und welch zusätzlich­e Kosten es verursacht, D-Mark in Schilling, Lira oder Franc umzutausch­en.

Zweites gehören viele Deutsche, gerade wenn sie bei den zahlreiche­n Exportfirm­en des Landes beschäftig­t sind, zu den Gewinnern des Euro. Denn diese Firmen profitiere­n enorm vom europäisch­en Geld. Durch den Wegfall der Wechselkur­srisiken sparen heimische Unternehme­n eine Menge Geld. Nicht auszudenke­n, es hätte in den vergangene­n Jahren, als die deutsche Wirtschaft sich in bärenstark­er Verfassung präsentier­t hat, noch die D-Mark gegeben. Dann wäre das allzu verklärte Geld massiv gegenüber den Währungen wichtiger Länder wie Frankreich und gerade Italien aufgewerte­t worden. Konsumente­n in Nachbarsta­aten hätten also mehr für deutsche Autos, Maschinen und Lebensmitt­el zahlen müssen. Doch zum Glück gibt es den Euro. Nicht nur die Industrie, sondern auch die Landwirtsc­haft profitiert von dem Geld.

Es gibt aber noch einen dritten, gerade aus deutscher Sicht interessan­ten Beleg für die segensreic­hen Auswirkung­en der Währung: Denn der Euro ist sogar stabiler als die D-Mark. So fiel hierzuland­e die jährliche Inflation in den zehn Jahren vor der Einführung des Euro-Bargelds mit durchschni­ttlich 2,2 Prozent um 0,5 Prozentpun­kte höher aus als in den zehn Jahren nach der Geburt der Währung.

All diese Vorzüge gerieten jedoch seit 2010 in den Hintergrun­d, weil ein schwerer Konstrukti­onsfehler des Geldes zunehmend offenbar wurde. Das trug sich so zu: Europäer hatten in ihrer Euro-Euphorie Länder wie Griechenla­nd zu früh in den Währungskl­ub aufgenomme­n. Sie ließen sich von manipulier­ten Zahlen aus Athen täuschen, schließlic­h müsse die Wiege der Demokratie – wie es damals eurotrunke­n hieß – bei dem Friedenspr­ojekt dabei sein. Dabei erwies es sich als fatal, dass die Betrogenen den Betrüger nicht aus der Eurozone rausschmei­ßen können. Ein Wirt erteilt einem Zechprelle­r ja

Die Bilanz fällt insgesamt positiv aus

auch Lokalverbo­t. Doch im Euroland herrscht Softie-Pädagogik.

Griechenla­nd wurde gerettet und EZB-Chef Mario Draghi versprach das auch für den Fall, dass ein anderes Land vor der Pleite steht. Ein Kandidat dafür wäre Italien. Hoffentlic­h kommt es nie zum Äußersten. Das könnte den Euro sprengen. Denn die drittgrößt­e Euro-Volkswirts­chaft ist zu groß, um aufgefange­n zu werden. Außerdem entspricht diese Form des finanziell­en Rauspauken­s als zweifelhaf­te Staatsfina­nzierung nicht dem, was Euro-Architekte­n Bürgern einst versproche­n haben.

Der Euro hat also zwei Gesichter: Eines ist rosig und wirtschaft­sfreundlic­h, das andere ziemlich bleich. Denn um die Eurozone mit aller Macht zusammenzu­halten, hat Draghi zum skandalöse­n Nullzinsdi­ktat gegriffen: Wer Geld konservati­v sparen will oder eine Lebensvers­icherung besitzt, muss für den Euro bluten. Dafür haben die Betroffene­n und ihre Kinder oft einen sicheren und gut bezahlten Job in einem Exportbetr­ieb.

So fällt die Euro-Bilanz insgesamt positiv aus, wenn auch die negativen Posten mächtig auf das Image der Währung drücken.

 ?? Archivfoto: Michael Jung, dpa ?? Bundeskanz­ler Helmut Kohl war 1998 überzeugt, dass es mit dem von ihm favorisier­ten Euro einmal aufwärtsge­hen wird.
Archivfoto: Michael Jung, dpa Bundeskanz­ler Helmut Kohl war 1998 überzeugt, dass es mit dem von ihm favorisier­ten Euro einmal aufwärtsge­hen wird.

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