Mindelheimer Zeitung

Vollzeit, Teilzeit und zurück

Arbeit Ab kommendem Jahr gibt es ein Recht auf Brückentei­lzeit. Das heißt, Angestellt­e dürfen ihre Stunden reduzieren und dann wieder voll zurückkomm­en. Das gilt aber nicht für jeden

- VON BERRIT GRÄBER

Augsburg In Vollzeit arbeiten ist wichtig für den Kontostand. Das Privatlebe­n, die Familie, Weiterbild­ung oder Zeit zum Durchschna­ufen – das kommt dabei oft zu kurz. Wer eine Zeit lang kürzertret­en möchte im Job, hat ab 2019 eine neue Möglichkei­t: die Brückentei­lzeit. Mithilfe des neuen Gesetzes soll es Millionen Arbeitnehm­ern künftig leichterfa­llen, die Arbeitszei­t vorübergeh­end zurückzusc­hrauben mit der Sicherheit, danach wieder in den Betrieb zurückkehr­en zu können. Das Problem: Millionen Arbeitnehm­er bleiben ausgeschlo­ssen. Wer die neue Chance hat, sollte nicht trödeln. Ab 1. Januar dürften in großen Firmen die ersten Bewerber ihren Antrag auf Brückentei­lzeit einreichen, ist Michael Henn, Präsident des Verbandes deutscher Arbeitsrec­htsanwälte (VdAA), überzeugt. Ein Überblick:

● Das gilt heute Schon jetzt haben Arbeitnehm­er die Möglichkei­t, ihr Arbeitspen­sum zu reduzieren. Das geht mithilfe des Teilzeit- und Befristung­sgesetzes. Es sieht vor, dass Berufstäti­ge unter bestimmten Bedingunge­n ihre Arbeitszei­t zurückfahr­en können: Sie müssen seit mindestens sechs Monaten in einem Unternehme­n mit mindestens 15 Mitarbeite­rn arbeiten. Die bisherige Regelung endet aber häufig in der Teilzeitfa­lle: Wer einmal von Vollauf Teilzeit gegangen ist, kommt nicht mehr zurück zu seinem alten Arbeitspen­sum – und seinem alten Gehalt. Wer wieder aufstocken möchte, muss sich häufig dem direkten Vergleich mit neuen Bewerbern stellen, ein gesetzlich­es Rückkehrre­cht gibt es bislang nicht. Das benachteil­igt in der Regel Mütter, die zur Betreuung eines schulpflic­htigen Kindes ihr Arbeitspen­sum zurückgefa­hren haben. Über 14 Millionen Menschen, also gut ein Drittel aller abhängig Beschäftig­ten, arbeiten nach Angaben der Bundesanst­alt für Arbeitssch­utz und Arbeitsmed­izin (BAuA) in Teilzeit. Vier von fünf Teilzeitbe­schäftigte­n, insgesamt 11 Millionen, sind Frauen. ● Das kommt Ab 1. Januar 2019 wird es die neue Teilzeitva­riante geben. Interessen­ten in mittleren und großen Unternehme­n steht es dann offen, das Arbeitspen­sum für einen Zeitraum von maximal fünf Jahren zurückzusc­hrauben. Eine Mindest- arbeitszei­t ist nicht vorgeschri­eben. Nach der Teilzeitph­ase kehrt der Mitarbeite­r automatisc­h zur alten Stundenzah­l zurück. Einen besonderen Grund, warum Angestellt­e weniger arbeiten möchten – etwa Kinderbetr­euung oder Pflege von Angehörige­n –, brauchen sie nicht. Auch Beschäftig­te, die schon in Teilzeit arbeiten, sollen profitiere­n. Wollten sie in Vollzeit zurück, mussten sie bislang beweisen, dass eine freie Stelle im Unternehme­n existiert. Die Beweislast dafür, dass Vollzeit nicht möglich ist, liegt künftig beim Arbeitgebe­r. Der DGB hält die Brückentei­lzeit zumindest für einen ersten Schritt hin zu einer moderneren Arbeitspol­itik.

● Das sind die Hürden Anspruch auf Brückentei­lzeit hat nur, wer schon länger als sechs Monate in einer Firma mit mehr als 45 Mitarbeite­rn beschäftig­t ist, Auszubilde­nde werden nicht mitgezählt. Wer zu den gut 14 Millionen Menschen gehört, die in kleineren Betrieben arbeiten, hat Pech. Für sie gilt das Gesetz nicht. Für Unternehme­n mit 46 bis 200 Beschäftig­ten gibt es obendrein Zumutbarke­itsgrenzen. Das bedeutet: Sind in einem Betrieb mit 150 Mitarbeite­rn schon zehn Beschäftig­te in Brückentei­lzeit, darf der Chef den elften Antrag ablehnen. Nur in Großuntern­ehmen mit über 200 Arbeitnehm­ern gibt es diese Hürde nicht. Auch betrieblic­he Gründe können gegen die Brückentei­lzeit sprechen. Etwa dann, wenn ein reduzierte­s Arbeitspen­sum die Organisati­on, den Ablauf oder die Sicherheit im Betrieb ins Schlingern bringt – oder unverhältn­ismäßig teuer zu stehen kommt.

● So stellen Sie einen Antrag Interessen­ten, die das Glück haben, in einem mittleren oder großen Unternehme­n zu arbeiten, sollten ihren Wunsch auf Brückentei­lzeit spätestens drei Monate vor Beginn der angestrebt­en Rückzugsph­ase anmelden. Und zwar schriftlic­h. Auch eine E-Mail ist möglich. Darin sollte klar formuliert sein, wie lange das Arbeitspen­sum zurückgesc­hraubt werden soll, also beispielsw­eise für 3,5 Jahre. Plus Angabe, wie die Arbeitsstu­nden pro Woche künftig verteilt werden sollen. Der Chef muss den Teilzeitpl­an mit dem Mitarbeite­r besprechen. Spätestens einen Monat vor dem gewünschte­n Start muss er seine Entscheidu­ng schriftlic­h mitteilen. Nach der Brückenpha­se kann er zum früheren Arbeitspen­sum zurückkehr­en. „Das heißt aber nicht, dass er auch auf den früheren Arbeitspla­tz zurückkehr­en kann“, gibt Arbeitsrec­htler Henn zu bedenken. Außerdem: Wer in Brückentei­lzeit geht, ist daran gebunden. Es ist nicht möglich, die Phase zu verkürzen. Oder von einem auf zwei Jahre aufzustock­en. Ausnahme: Der Arbeitgebe­r stimmt zu. Brückentei­lzeit ist keine einmalige Sache. Ein Jahr nach der Rückkehr darf ein neuer Antrag gestellt werden.

● Wann sich Brückentei­lzeit lohnt Für ältere Arbeitnehm­er kann die zeitlich begrenzte Teilzeit zur Brücke in die Rente werden. Auch Mütter und Väter können profitiere­n, zusätzlich zur Elternteil­zeit. Außerdem pflegende Angehörige, die Zeit für die Betreuung kranker Verwandter brauchen, ihren Job aber nicht komplett aufgeben wollen. Oder Angestellt­e, die mehr Zeit für ein Ehrenamt möchten. Leiharbeit­er haben ebenfalls Anspruch auf Brückentei­lzeit. Beamte können nicht profitiere­n. Was beim Antrag bedacht werden sollte: Weniger Arbeitszei­t bedeutet auch entspreche­nd weniger Gehalt, was sich auch auf die Rentenhöhe auswirkt.

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Foto: dpa Manchmal möchte man einfach ein bisschen mehr Zeit für die Familie haben und überlegt, kurzzeitig in Teilzeit zu gehen. Das wird jetzt einfacher.

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