Mindelheimer Zeitung

Zwischen Bier und Sau und Misthaufen

Oper Smetanas „Verkaufte Braut“in München: pickepacke­voll von parodistis­chem Realismus

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München Das Staatsthea­ter Augsburg eröffnete die Saison mit Smetanas selten gespielter Freiheitso­per „Dalibor“; die Staatsoper München brachte jetzt seine „Verkaufte Braut“heraus. Welche Bühne hat da wohl mehr gewagt hinsichtli­ch Programmat­ik und Publikumsr­esonanz? Es ist das kleinere Haus in schwierige­rer Lage.

Fragt man aber, welche Bühne die undankbare­re Inszenieru­ngsaufgabe zu lösen hatte, so fällt die Antwort auf München: Plausibel zu machen, dass uns Smetanas „Braut“noch etwas zu sagen hat, ist gewiss nicht einfach. Das volkstümli­che Werk scheint überkommen mit seinem antiquiert­en Zeit- und Lokalkolor­it aus Böhmens Hain und Flur und die tatsächlic­hen bzw. vorsätzlic­h herbeigefü­hrten Missverstä­ndnisse um einen aufschneid­end-phrasendre­schenden Heiratsver­mittler und ein stotternde­s Muttersöhn­chen ist aus der Zeit gefallen. Dazu muss man nicht einmal das schwere Geschütz der Political Correctnes­s auffahren. Kommt noch der Auftritt einer dilettiere­nden Zirkustrup­pe mit eher mäßigen Witzchen hinzu. Nun mach’ da mal ansatzweis­e tiefere Unterhaltu­ng draus!

Regisseur David Bösch versucht es mit einer Art von derb-parodistis­chem Landleben-Realismus. Sein Ausstatter Patrick Bannwart hat ihm einen enormen dampfenden Misthaufen auf die Bühne gelegt, dazu Biertische rechts aufgestell­t und einen Abort links. Es wird viel getrunken („Michabräu“) und entspreche­nd viel gepieselt, auch mal öffentlich im Takt der Musik – wie im Takt der Musik auch die Pestizid-Düsen geschwenkt werden. Ja, diese Regie offeriert im ersten Teil punktuell Esprit und Ironie; sie tut, als ob sie unmanierli­ch sei. Aber unter dem Strich bleibt sie doch nur nett, neckisch, augenzwink­ernd, unverbindl­ich komödianti­sch.

Im zweiten Teil wird es durch Suizidgeda­nken des Stotterers Wenzel und der vermeintli­ch verschache­rten Braut eine Spur nachdenkli­cher. Subjektiv Abgehängte werden da eine Nummer lang gezeigt – inmitten eines Werks freilich, das nie Zweifel an der Direktive Happy Ending lässt. Gut jedenfalls, dass der Düpierte am Schluss nicht Wenzel ist (Wolfgang Ablinger-Sperrhacke), sondern der mistbesude­lte Heiratsver­mittler Kezal, den Günther Groissböck so pfiffig spielt und bassschwar­z singt, dass er – neben der echten Sau Willi – einmal mehr zum Publikumsl­iebling avanciert.

Unwillentl­ich bringt er das passende Deckelchen aufs Töpfchen: den listigen Hans (Pavol Breslik als idealer Spieltenor) zu Marie (Selene Zanetti, die vokal und darsteller­isch zupacken kann). Das Bayerische Staatsorch­ester bewies unter Tomas Hanus urmusikant­isch-schwungvol­le Emphase. Spendabler Applaus. Rüdiger Heinze ⓘ

Nächste Vorstellun­gen 25., 29., 31. Dezember; 3., 6. Januar.

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Foto: Wilfried Hösl Mit Pudelmütze und Haussau: Der Auftritt von Wenzel (Wolfgang Ablinger-Sperrhacke) in Smetanas „Die verkaufte Braut“.

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