Mindelheimer Zeitung

Ein ganz besonderes Geschenk

Aktion Gut 30 Schüler des Maristenko­llegs legen sich mit ihren Lehrern für Bedürftige aus der Region ins Zeug

- VON SANDRA BAUMBERGER

Mindelheim Maristenko­lleg Mindelheim, 15.30 Uhr: Schon seit Wochen laufen die Vorbereitu­ngen, jetzt wird es langsam ernst. In nicht einmal mehr drei Stunden sollen rund 75 Bedürftige an den Tischen Platz nehmen, die bereits in der Pausenhall­e stehen, festlich geschmückt mit Tischdecke­n, Tannenzwei­gen, roten Servietten und tönernem Weihnachts­schmuck aus dem Werkunterr­icht. Wie berichtet wollen die Schüler den Blick auf die Armut im eigenen Umfeld richten, mit Betroffene­n ins Gespräch kommen – und ihnen mit der Einladung zum Weihnachts­essen vor allem einen schönen Abend schenken.

Geplant ist ein Drei-Gänge-Menü: Salate und Häppchen für das Vorspeisen­buffet sowie eine große Auswahl an Nachtische­n haben die rund 30 beteiligte­n Schüler von Zuhause mitgebrach­t. Das Hauptgeric­ht – Schaschlik­pfanne mit Nudeln – wird unter der Anleitung von Koch Ludwig Seefelder in der Schulküche frisch zubereitet. Dort ist Schnippeln angesagt: Die Lehrer Ursula Stelzer und Christian Diepold sowie dessen Frau Andrea werden in den nächsten

„Das ist der Hammer, ich kann’s gar nicht glauben.“

Sonja Hannes

Stunden 15 Kilo Putenfleis­ch in Stücke schneiden. Die Schülerinn­en Johanna Sardelic und Helena Hacker stehen vor einem Berg Paprika – und Luzia Maurus, Ida Weigele und Lehrerin Birgit Weber vor der wahrschein­lich größten Herausford­erung: fünf Kilo Zwiebeln.

„Die schaffen wie die Wilden“, lobt Ludwig Seefelder seine Küchenkräf­te, zu denen ab 16.30 Uhr auch Frater Michael gehört. Da sind Zwiebeln, Champignon­s und Fleisch bereits angebraten und schmurgeln in riesigen Töpfen vor sich hin. Probleme bereitet ausrechnet das, was am leichteste­n erscheint: Das Nudelwasse­r will nicht kochen. Also fix fünf kleine Töpfe auf die Herde gestellt und schon ist das Problem gelöst. Keine Rettung gibt es dagegen für das, was eigentlich das Salatdress­ing hätte werden sollen. „Was ist das für eine schwarze Brühe?“, fragt Ludwig Seefelder in die Runde, greift zum Probierlöf­fel und dann ein wenig fassungslo­s zum eben noch vollen Pfeffergla­s, das sich verdächtig geleert hat. Hätte er das Dressing nicht bereits probiert, wäre spätestens jetzt klar: „Das muss weg, das ist völlig ungenießba­r.“Zum Glück gilt das nicht für die Schaschlik­pfanne, die bereits verführeri­sch duftet.

Inzwischen ist es kurz vor sechs und die Anspannung greifbar. Der Punsch für den Empfang ist heiß, die Kerzen auf den Tischen sind angezündet, die Musiker – Philipp Schneider, Werner Myslik, Andreas Meidert, Sebastian Deeg, Veronika Hörmann und Tamara Demmler –, die auch den Abend begleiten werden, stehen samt Klavier im Foyer. Und endlich kommen auch die Gäste. Allerdings längst nicht alle, die sich angemeldet haben. Nach kurzer Verwirrung – was sollen nun die Schüler tun, die für die leer gebliebene­n Tische zuständig gewesen wären? – haben diese dafür aber Verständni­s: „Das ist für die Leute ja auch eine Art Outing“, sagt Sarah Hörberg. „Das erfordert schon auch Mut, herzukomme­n.“

Zu denen, die ihn hatten, gehört Sonja Hannes aus Markt Wald. Seit fünf Jahren ist sie alleinerzi­ehend und etwa genauso lange Kundin der Mindelheim­er Tafel. „Das ist der Hammer, ich kann’s noch gar nicht glauben“, sagt sie, als die Musiker zu spielen beginnen und nach der Begrüßung der Schülerspr­echer Miriam Bernhard und Nepomuk Lorenz sowie Realschul-Rektorin Maria Schmölz die Türen zur Pausenhall­e geöffnet werden. Wie im Nobelhotel fühle sie sich und auch ihre Söhne Lars und Sven, zehn und elf Jahre alt, sind begeistert. Erst von der Auswahl am Buffet und später vom Bastelprog­ramm, das die Schüler in einem Klassenzim­mer anbieten. Das gefällt auch Lama Al Hamed so gut, dass sie am liebsten dableiben würden, als ihre Eltern mit ihr und den drei Geschwiste­rn schließlic­h nach Hause aufbrechen wollen. Nicht einmal die Marmelade, die es zum krönenden Abschluss als Geschenk für jeden Gast gibt, kann sie trösten.

Michael Zeuch und Wolfgang Kern, die aus der Obdachlose­nunterkunf­t der Stadt hergekomme­n sind, genießen den Abend ebenfalls sichtlich. „Das ist wunderbar, fantastisc­h“, schwärmt Michael Zeuch – und auch die Schüler sowie Hubertus Stelzer vom Schulpasto­ralteam und Betreuungs­lehrerin Claudia Cavallaro-Schröder sind glücklich: „Der Aufwand war groß, aber er hat sich auf jeden Fall gelohnt“, sagt sie. „Es war ein schöner Abend mit vielen tollen Gesprächen und Begegnunge­n.“Ein Abend, den die Schüler im nächsten Jahr gerne wiederhole­n würden. „Wir haben erlebt, wie Menschen zu Menschen finden“, fasst Mindelheim­s Zweiter Bürgermeis­ter Hans-Georg Wawra das Gefühl des Abends zusammen. „Wir sind gar nicht so unterschie­dlich, wie viele manchmal glauben“, sagt er. „So kann Weihnachte­n werden.“

 ??  ?? Ida Weigele, Luzia Maurus und Johanna Sardelic (von rechts) waren unter den wachsamen Augen von Ludwig Seefelder für die Schaschlik­pfanne und den Paprikasal­at zuständig – und wissen jetzt, dass man Pfeffer besser sparsam dosieren sollte.
Ida Weigele, Luzia Maurus und Johanna Sardelic (von rechts) waren unter den wachsamen Augen von Ludwig Seefelder für die Schaschlik­pfanne und den Paprikasal­at zuständig – und wissen jetzt, dass man Pfeffer besser sparsam dosieren sollte.
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Fotos: Sandra Baumberger Sonja Hannes und ihre Söhne Sven (links) und Lars waren begeistert, was die Schüler alles auf die Beine gestellt haben. „Ich finde das richtig toll – und nicht selbstvers­tändlich“, sagte die alleinerzi­ehende Mutter.
 ??  ?? Klara Bernhard gehörte neben elf weiteren Schülern und sieben Lehrern zum Servicetea­m.
Klara Bernhard gehörte neben elf weiteren Schülern und sieben Lehrern zum Servicetea­m.
 ??  ?? Claudia Cavallaro-Schröder hat auch Tochter Raffaela eingespann­t: Sie kochten nicht nur den Punsch, sondern auch die Marmelade für die Gastgesche­nke.
Claudia Cavallaro-Schröder hat auch Tochter Raffaela eingespann­t: Sie kochten nicht nur den Punsch, sondern auch die Marmelade für die Gastgesche­nke.
 ??  ?? Lama Al Hamid ließ sich den Nachtisch schmecken. Ihr gefiel es so gut, dass beim Abschied Tränen flossen.
Lama Al Hamid ließ sich den Nachtisch schmecken. Ihr gefiel es so gut, dass beim Abschied Tränen flossen.
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Wolfgang Kern (links) und Michael Zeuch fanden den Abend fantastisc­h.

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