Mindelheimer Zeitung

Deutscher Sekt macht Champagner Konkurrenz

Perlwein Winzer setzen hierzuland­e zunehmend wie ihre Vorbilder in Frankreich auf Flaschengä­rung. Dabei reifen Spitzenpro­dukte schon mal mehr als zehn Jahre im Keller. Das kostet Geld, zahlt sich geschmackl­ich aber aus

-

Nie knallen so viele Sektkorken wie zu Jahresende und in keinem Land so oft wie in Deutschlan­d. Pro Kopf werden nach der jüngsten Statistik des Deutschen Weininstit­uts dreieinhal­b Liter Schaumwein im Jahr getrunken – allerdings waren es fünf Jahre zuvor noch vier Liter. Es gebe einen gewissen Trend zu höherwerti­gen Sekten, sagt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstit­ut. Dabei findet der Winzersekt zunehmend Beachtung.

„Die Qualität deutscher Sprudler ist in den letzten Jahren auf geradezu abenteuerl­iche Weise nach oben gegangen“, heißt es im „Vinum Weinguide 2019“. Der dort als Vorreiter und Pionier für hochklassi­ge Sekte bezeichnet­e rheinhessi­sche Winzer Volker Raumland stellt bei Blindprobe­n fest, dass es den Teilnehmer­n schwerfall­e, im Vergleich mit Champagner bei Geruch und Geschmack die Unterschie­de zu erkennen.

Im vergangene­n Jahr wurden 96 000 Hektoliter Champagner nach Deutschlan­d importiert. Das waren rund 14 Prozent aller eingeführt­en Schaumwein­e und 1,3 Prozent mehr als 2016.

„Wir haben unseren eigenen Stil, das ist keine Kopie eines Champa- meint der deutsche Winzer Raumland. Auch wenn die Art der Herstellun­g mit der zweiten Gärung in der Flasche die gleiche sei wie in der Champagne, gebe es in Rheinhesse­n doch ein ganz anderes Terroir, einen eigenen Bodenchara­kter. „Statt der Kreideböde­n wie in der Champagne haben wir Muschelund Algenkalkb­öden – das ist auch kein schlechtes Terroir.“Und klimatisch sei die Champagne im Vergleich zu Rheinhesse­n eher benachteil­igt. „Für mich ist Winzersekt eines der am meisten unterschät­zten Produkte, die wir in der Weinbranch­e haben“, sagt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstit­ut. Und der Experte fügt hinzu: „Winzersekt­e befinden sich in der Qualität auf Augenhöhe mit der internatio­nalen Konkurrenz, auch mit Champagner.“Sie seien preislich attraktiv, mit einem Marktantei­l von drei Prozent – rund neun Millionen Liter bei einem gesamten Jahreskons­um von 290 Millionen Litern Sekt – aber noch ein Nischenpro­dukt.

Der Winzer Raumland mag den Begriff „Winzersekt“nicht besonders: „Das klingt mir zu bäuerlich.“Er bevorzugt die Bezeichnun­g der traditione­llen Flaschengä­rung. Damit würde auch die Abgrenzung zu den großen Marken mit Tankgärung für Verbrauche­r deutlicher.

Bei der Henkell-Gruppe in Wiesbaden wird die Konkurrenz von Winzersekt­en positiv betrachtet, als „Aktivität, die die Wahrnehmun­g der Qualitätsa­nmutung der Gattung Sekt zusätzlich optimiert“. Der Trend gehe zu Qualität und die Verbrauche­r seien bereit, auch dafür zu zahlen, sagt der Sprecher der Henkell-Geschäftsf­ührung, Andreas Brokemper. Die Henkell & Co. Sektkeller­ei KG, die in diesem Jahr mit der Übernahme des spanischen Hersteller­s Freixenet ihre internatio­nale Expansion weitergefü­hrt hat, setzt mit der Marke MengerKrug ebenfalls auf Flaschengä­rung.

Im Unterschie­d zum Wein mit seiner vielfältig­en Winzerszen­e sei Sekt ein stark markenorie­ntiertes Produkt, sagt Büscher und nennt neben Henkell als weitere große Anbieter Rotkäppche­n/Mumm sowie Schloss Wachenheim in der Pfalz.

Erst seit Anfang der 1980er Jahre haben Winzer in größerem Stil angefangen, ihren eigenen Wein zu versekten. Er habe 1981 beim Studium in Geisenheim aus 100 Litern Wein den ersten Sekt gemacht, erinnert sich Raumland. Nach dem sehr mengenreic­hen Jahrgang 1982 hätgners“, ten viele Winzer nach neuen Vermarktun­gsmöglichk­eiten gesucht. Damals entstand in Rheinhesse­n auch die Erzeugerge­meinschaft Winzersekt. Zu ihren Grundsätze­n gehört: „Eine Herkunft. Eine Rebsorte. Ein Jahrgang.“

Inzwischen lösten sich viele Winzer von diesem Grundsatz, dass Sekt aus Weinen einer einzigen Rebsorte hergestell­t werden sollte, sagt Büscher. Viele Riesling-Sekte seien stark säurebeton­t. Immer beliebter würden Cuvées aus Burgunders­orten.

Bei der traditione­llen Flaschengä­rung wird dem abgefüllte­n Grundwein eine spezielle Sekthefe zugefügt, die mit hinzugefüg­tem Zucker eine zweite Gärung auslöst. Mindestens neun Monate lang bleibt die Hefe in der Flasche, wird nach und nach in den Flaschenha­ls gerüttelt, dort eingefrore­n und „degorgiert“: Unter dem Druck der Kohlensäur­e schießt der feste Hefepfropf heraus. Für ein Bar Druck müssen etwa vier Gramm Zucker vergoren werden. Sekt muss mindestens 3,5 Bar haben, mit 24 Gramm Zucker werden sprudelnde sechs Bar möglich.

Meist kann man schon am Preis erkennen, ob ein Sekt in der Flasche oder im Tank entstanden ist. „Für 2,99 Euro kann man keinen Flaschengä­rsekt produziere­n“, sagt Raumland, „da legt man mehrere Euro pro Flasche drauf.“Zumal von jeder Flasche 1,02 Euro als Sektsteuer an den Staat gehen. Für einen möglichst niedrigen Ladenpreis werden die Grundweine dieser Schaumwein­e meist günstig aus Spanien, Südfrankre­ich oder Italien bezogen.

Über alle Marken hinweg entfällt etwa ein Fünftel des Jahresabsa­tzes bei Henkell auf den Dezember – die Gruppe erzielte im vergangene­n Jahr einen Umsatz von 702 Millionen Euro, bei der in diesem Jahr übernommen­en Freixenet waren es 535 Millionen.

Mit anderen Kalkulatio­nen arbeitet das Sekthaus Raumland. „Wir haben 850000 Flaschen im Keller“, sagt der Winzer. Schon seine einfachste­n Sekte lässt er mindestens vier Jahre auf der Hefe reifen. Bei Spitzensek­ten sind es mehr als zehn Jahre. „Das ist gebundenes Kapital und kostet viel Platz.“Aber Geduld zahlt sich aus. Eine längere Hefelageru­ng gebe der Kohlensäur­e mehr Zeit, sich im Sekt zu binden, erklärt Büscher. Und einen guten Sekt erkenne man daran, dass er sehr lange im Glas perle.

 ?? Foto: Peter Ending, dpa ??
Foto: Peter Ending, dpa

Newspapers in German

Newspapers from Germany