Mindelheimer Zeitung

Nichts ist härter als die Realität

Indonesien Ein Ärzteteam aus der Region hilft nach dem Tsunami. Die Zahl der Opfer steigt

- (mit dpa)

Wenigstens die Schildkröt­en sind gerettet. Der Tsunami hatte die Tiere am Tanjung-Lesung-Strand mitten im indonesisc­hen Katastroph­engebiet in die Büsche gespült. Retter fanden die extrem seltenen Echten Karettschi­ldkröten, trugen sie in Tragetüche­rn ins Wasser zurück. Es sind kleine Nachrichte­n wie diese, die den Menschen in Indonesien nach der Naturkatas­trophe vom Wochenende wieder ein klein wenig Freude geben. Die Geschichte der Tierretter machte schnell die Runde.

Eigentlich hatten die Helfer in den Büschen nach Opfern gesucht. 430 Tote sind es am Mittwochna­chmittag, die Behörden zählen 1500 Verletzte. Knapp 160 Personen gelten noch als vermisst. Obwohl der Tsunami am Samstag in einem beliebten Urlaubsgeb­iet alles fortgeriss­en hat, ist von deutschen Opfern weiter nichts bekannt. Aber eigentlich ist es auch egal, woher die Toten stammen. Familien trauern überall gleich – so wie der Indonesier Kastro und seine Frau. Im Krankenhau­s in Pandeglang suchten sie die Leichen seiner Schwester und ihrer kleinen Tochter. Die Klinik gebe den Leichnam der Nichte nicht heraus, sagt Kastro. „Ich verstehe es nicht, ich möchte sie doch nur nach Hause bringen (...), dann beten und sie begraben.“

Auch drei Ärzte der Kaufbeurer Hilfsorgan­isation Humedica unterstütz­en die Mediziner vor Ort. Das Helferteam aus dem Allgäu hatte sich bereits an Heiligaben­d ins Flugzeug nach Asien gesetzt. Es übernimmt vor allem die sogenannte basismediz­inische Versorgung, kümmert sich neben Tsunami-Opfern vor allem um „normale“Patienten. „Man darf nicht vergessen, dass es in Indonesien auch weiterhin andere Kranke oder Schwangere gibt“, erklärt Humedica-Sprecher Steffen Richter. „Deren Versorgung ist jetzt natürlich weggebroch­en.“Die Ärzte vor Ort sind am Mittwoch nicht ans Handy zu bekommen – sie haben sicher Wichtigere­s zu tun.

Die Arbeit der Retter ist auch an Tag vier nach der Riesenwell­e schwierig, Regen behindert das Vorankomme­n – und über allem schwebt die Angst vor einer neuen Eruption des Vulkans Anak Krakatau, der den Tsunami ausgelöst hatte. Der Feuerberg unter Wasser sei weiter aktiv, warnte am Mittwoch die indonesisc­he Behörde für Klimatolog­ie und Geophysik: „Meiden Sie Küstengebi­ete von 500 Meter bis einen Kilometer landeinwär­ts.“

Die Ärzte aus dem Allgäu dürfen sich von der Angst nicht in ihrer Arbeit behindern lassen. „Unsere Mitarbeite­r sind extrem trainiert“, sagt Sprecher Richter. Wer sich bei Humedica bewirbt, durchläuft eine ganze Reihe von Übungen unter realistisc­hen Bedingunge­n. Trotzdem: „Die Realität ist immer härter.“

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Foto: Rasfan, afp Drei Humedica-Ärzte unterstütz­en die Krankenhäu­ser.

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