Sie zeigen Wege aus der Hilflosigkeit
Opferhilfe Der Weisse Ring ist Anlaufstelle für Menschen, die Gewalt erlebt haben. Landeschef fordert Trauma-Ambulanzen
Die Weihnachtszeit soll eigentlich besinnlich sein, sie hat aber auch eine andere Seite, wenn nicht genug Geld für Geschenke übrig ist, Einsamkeit und Depressionen aufeinandertreffen. In manchen Familien und Partnerschaften kommt es dann zum großen Knall. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter des Weissen Rings im Allgäu haben in diesen Tagen viel zu tun. Besonders häufig sind es Opfer häuslicher Gewalt, die bei den Leitern der Außenstellen Eva Burkhart (Kaufbeuren/Ostallgäu), Irmgard Leicht (Kempten/Oberallgäu), Manuela Ayyildiz (Memmingen/Unterallgäu) und Hermann Jehnes (Lindau/Westallgäu) Hilfe suchen.
Der Verein ist Ansprechpartner für Opfer von Kriminalität und Gewalt. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter des Verbandes bieten den Betroffenen in erster Linie ein offenes Ohr und beraten sie beim weiteren Vorgehen. Beispielsweise stellen sie Kontakte zu Therapeuten, Psychologen und Anwälten her. „Wir sind quasi als Lotsen tätig“, sagt Franz Pabst, Vorsitzender des Landesverbandes Bayern-Süd. Was fehle, seien flächendeckende Trauma-Ambulanzen für Erwachsene, wie es sie für Kinder und Jugendliche bereits in Augsburg gibt. Diese Einrichtungen arbeiten mit den psychiatrischen Kliniken zusammen. Dort werden psychische Traumatisierungen behan- delt und gelindert. Opfer von Gewalt oder auch Angehörige von Mordopfern bräuchten sofort Hilfe und sollten nicht erst lange auf einen freien Termin beim Therapeuten warten müssen, sagt Pabst.
Seit der Gründung des Vereins 1976 habe sich viel bei der Opferhilfe getan. Pabst nennt das Opferentschädigungsgesetz, das Betroffenen von Gewaltdelikten – sollten sie erwerbsunfähig, hilflos oder pflegebedürftig werden – einen staatlichen Anspruch auf Schutz gewährt. Jehnes fordert auch Opferanwälte, die der Staat kostenlos zur Verfügung stellt. Irmgard Leicht wünscht sich eine bessere Zusammenarbeit mit Schulen, Erziehern und Kinderpflegern, da auch Jugendliche häufig von Mobbing im Internet oder Gewalt betroffen sind. „Das ist der Anfang der Kette.“Bei der Beratung müssen die Mitarbeiter ganz unterschiedliche Emotionen auffangen. „Eine Familie, bei der die Mutter ermordet wurde, kommt in einer anderen Verfassung als eine Frau, die schon seit mehreren Jahren Gewalt durch ihren Mann erfahren hat“, sagt Manuela Ayyildiz. Dabei wird das Opfer aber nie zu einer Anzeige gedrängt. „Das entscheidet jeder selbst“, sagt Irmgard Leicht. Ein Problem bei häuslicher Gewalt: Viele der Frauen seien arbeitslos und hätten dadurch keine Chance auf eine eigene Wohnung. Für die speziell geschulten Ehrenamtlichen ist die Arbeit teilweise eine große psychische Belastung. „Man muss lernen, sich abzugrenzen“, sagt Ayyildiz. Und trotzdem eint die vier Ehrenamtlichen der innere Drang, etwas Gutes zu tun. „Es kann nicht sein, dass der Täter in Haft eine Therapie bekommt, aber die Opfer allein gelassen werden“, sagt Leicht.
Ganz dringend sucht der Weisse Ring Helfer. Denn der Nachwuchs fehlt. Pro Jahr unterstützt der Verein im Allgäu etwa 100 Opfer – auch finanziell.