Schlacht um ein faires Internet
Wie Lobbyisten versucht haben, das Urheberrecht im Netz zu beeinflussen
Bis zu 70 000 Mails am Tag, regelrechte Telefon-Bombardements, verfälschende Videos auf Youtube – selbst für erfahrene EUParlamentarier war diese Welle beispiellos. Einige Volksvertreter berichteten, dass sogar Kinder mit ihnen über das neue EU-Urheberrecht sprechen wollten, weil Youtube behauptet habe, das Internet würde abgeschaltet. „Eine Desinformationskampagne, sehr bitter“, beklagte zwischenzeitlich der CDUEuropa-Abgeordnete Axel Voss, Berichterstatter für das Thema.
Dabei wollten die EU-Kommission und das Abgeordnetenhaus doch eigentlich nur eines erreichen: Urheberrechtlich geschützte Inhalte sollen vor dem Ausverkauf bewahrt werden. Dafür müssten die Plattform-Betreiber sorgen. Das umstrittene Instrumentarium dafür beinhalten die Artikel 11 und 13 der Richtlinie: Anbieter wie Youtube, Google oder andere müssen künftig dafür sorgen, dass geschützte Songs, Videos, Bilder oder Texte lizenziert werden – soll heißen: Sie müssen für deren Veröffentlichung zahlen. Artikel 13 fordert eine angemessene Abgabe, die den Verlagen ebenso zukommt wie Künstlern, Autoren und Kulturschaffenden.
Doch der Streit eskalierte spätestens mit der Behauptung, die EU werde automatische Uploadfilter vorschreiben, die schon beim Bereitstellen eines urheberrechtlich geschützten Werkes anschlagen und diese verhindern, falls keine Lizenz erworben wurde. In den einschlägigen Netzforen liefen die User Sturm. Die Konzerne mischten fleißig mit und schürten das Feuer.
Im September beschloss das Parlament die Reform, die aber schon vorher entschärft worden war – aber das hatten viele Gegner offenbar nicht bemerkt. Von einer Pflicht zur Nutzung von Uploadfiltern, mit denen der Vorwurf der Zensur gestützt wurde, war im Gesetzesentwurf nie die Rede.
Doch noch ist die Reform nicht wirklich beschlossen, denn die entscheidende letzte Runde zum Schutz der Rechte steht erst noch bevor: Anfang des nächsten Jahres beginnt der sogenannte Trilog, eine Art Vermittlungsverfahren, bei dem die Vertreter des EU-Parlamentes mit den Beauftragten der Mitgliedstaaten verhandeln. Verlage und Gewerkschaften, die das Vorhaben immer begrüßt hatten, befürchten einen allzu weichen Kurs der EU-Regierungen. Sie könnten versucht sein, jedes Verärgern der InternetKonzerne zu vermeiden, heißt es – vor allem, da es in der Mehrzahl um US-Unternehmen geht. Die Beziehungen zu Washington sind wegen eines drohenden Handelskrieges bereits angespannt. Wie das digitale Urheberrecht am Ende der Verhandlungen aussieht, scheint völlig offen.