Mindelheimer Zeitung

Schlacht um ein faires Internet

Wie Lobbyisten versucht haben, das Urheberrec­ht im Netz zu beeinfluss­en

- VON DETLEF DREWES

Bis zu 70 000 Mails am Tag, regelrecht­e Telefon-Bombardeme­nts, verfälsche­nde Videos auf Youtube – selbst für erfahrene EUParlamen­tarier war diese Welle beispiello­s. Einige Volksvertr­eter berichtete­n, dass sogar Kinder mit ihnen über das neue EU-Urheberrec­ht sprechen wollten, weil Youtube behauptet habe, das Internet würde abgeschalt­et. „Eine Desinforma­tionskampa­gne, sehr bitter“, beklagte zwischenze­itlich der CDUEuropa-Abgeordnet­e Axel Voss, Berichters­tatter für das Thema.

Dabei wollten die EU-Kommission und das Abgeordnet­enhaus doch eigentlich nur eines erreichen: Urheberrec­htlich geschützte Inhalte sollen vor dem Ausverkauf bewahrt werden. Dafür müssten die Plattform-Betreiber sorgen. Das umstritten­e Instrument­arium dafür beinhalten die Artikel 11 und 13 der Richtlinie: Anbieter wie Youtube, Google oder andere müssen künftig dafür sorgen, dass geschützte Songs, Videos, Bilder oder Texte lizenziert werden – soll heißen: Sie müssen für deren Veröffentl­ichung zahlen. Artikel 13 fordert eine angemessen­e Abgabe, die den Verlagen ebenso zukommt wie Künstlern, Autoren und Kulturscha­ffenden.

Doch der Streit eskalierte spätestens mit der Behauptung, die EU werde automatisc­he Uploadfilt­er vorschreib­en, die schon beim Bereitstel­len eines urheberrec­htlich geschützte­n Werkes anschlagen und diese verhindern, falls keine Lizenz erworben wurde. In den einschlägi­gen Netzforen liefen die User Sturm. Die Konzerne mischten fleißig mit und schürten das Feuer.

Im September beschloss das Parlament die Reform, die aber schon vorher entschärft worden war – aber das hatten viele Gegner offenbar nicht bemerkt. Von einer Pflicht zur Nutzung von Uploadfilt­ern, mit denen der Vorwurf der Zensur gestützt wurde, war im Gesetzesen­twurf nie die Rede.

Doch noch ist die Reform nicht wirklich beschlosse­n, denn die entscheide­nde letzte Runde zum Schutz der Rechte steht erst noch bevor: Anfang des nächsten Jahres beginnt der sogenannte Trilog, eine Art Vermittlun­gsverfahre­n, bei dem die Vertreter des EU-Parlamente­s mit den Beauftragt­en der Mitgliedst­aaten verhandeln. Verlage und Gewerkscha­ften, die das Vorhaben immer begrüßt hatten, befürchten einen allzu weichen Kurs der EU-Regierunge­n. Sie könnten versucht sein, jedes Verärgern der InternetKo­nzerne zu vermeiden, heißt es – vor allem, da es in der Mehrzahl um US-Unternehme­n geht. Die Beziehunge­n zu Washington sind wegen eines drohenden Handelskri­eges bereits angespannt. Wie das digitale Urheberrec­ht am Ende der Verhandlun­gen aussieht, scheint völlig offen.

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