Mindelheimer Zeitung

Auch mit 40 noch Spitze

Eishockey Arvids Rekis ist der älteste Profi in der Deutschen Eishockey Liga. Der AEV-Verteidige­r über seine harte Jugendzeit und das Geheimnis seiner Fitness

- VON MILAN SAKO

Augsburg Als Kind hatte Arvids Rekis keine andere Wahl, als Eishockeys­pielen zu lernen. In Jurmala bei Riga wuchs er auf und die Winter waren damals noch streng. „Auf der einen Seite unseres Hauses lag der Fluss, und wenn ich in die andere Richtung gegangenen bin, kam ein See. Ich musste Schlittsch­uh laufen lernen“, erzählt der Verteidige­r der Augsburger Panther. Auch die Ostsee ist von dem Ort nahe der lettischen Hauptstadt schnell zu erreichen. Arvids wuchs in Riga auf, als die Stadt und Lettland noch zur Sowjetunio­n gehörten. Erst nach 1990 ist der baltische Staat unabhängig. Im Eishockey regierte der sowjetisch­e Drill.

Als Inbegriff des Schleifers galt damals Viktor Tichonow, der Coach des weltberühm­ten Armeesport­klubs ZSKA Moskau. „Ich hatte so eine lettische Tichonow-Ausgabe“, sagt Arvids Rekis und erzählt von einer Niederlage als Jugendspie­ler in einem wichtigen Match. „Danach musste der komplette erste FünferBloc­k seine Tasche packen und gehen. Ich habe eine Woche lang beim Coach gebettelt, bis ich wieder mitmachen durfte.“Disziplin, Fleiß, Einsatz bekam der junge Arvids eingebläut. Die Tugenden zeichnen den alten Rekis aus. Seine Basis, sein läuferisch­es Vermögen, sein taktisches Verständni­s sind so gut, dass er bis heute mit der Boygroup um sich herum mithalten kann. Der Älteste von rund 350 Profis in der Deutschen Eishockey-Liga feiert am 1. Januar seinen 40. Geburtstag.

Nach dem Ende der vergangene­n, enttäusche­nd verlaufene­n Saison machte der Profi nur wenige Tage Pause und begann im April mit dem Sommertrai­ning. „Arvids ist unglaublic­h, er ist der Erste, der kommt und oft der Letzte, der geht. Er ist ein Soldat“, sagt Trainer Mike Stewart. Er schätzt den Letten mit deutschem Pass wegen seines Einsatzes, wegen seiner Zuverlässi­gkeit und weil er weder sich noch den Gegner schont. Rekis genießt eine große Autorität, zählt zu den besten Unterzahls­pielern im Team. Auch weil er Schüsse blockt wie kaum ein anderer. Verletzung­en? Gehören in 35 Jahren auf dem Eis dazu wie das Schleifen der Schlittsch­uhe. Rekis zeigt seine knorrigen, knotigen Hände und an den krummen Knochen ist erkennbar: „Jeder Finger war mindestens ein Mal gebrochen.“Auch an der Schulter erwischte es ihn vor einigen Jahren schwer, und eine Erinnerung an seine Juniorenze­it trägt er noch immer unter der Haut. Nach einem Zusammenpr­all mit einem Gegenspiel­er war die rechte Gesichtshä­lfte zer- trümmert. Die eingesetzt­en Titanium-Platten wird er nicht entfernen lassen. Rekis lächelt sanft, wenn er das erzählt. Das sind Kleinigkei­ten für einen Eishockeys­pieler, nichts, worüber man lange reden müsste.

Es gab Spieltage, an denen der Mannschaft­sarzt Rekis eigentlich krank gemeldet hatte, aber der Verteidige­r erschien dennoch zum Treffpunkt. „Ich habe ihn wieder heimschick­en müssen. Arvids ist unglaublic­h, auf ihn ist immer Verlass“, schwärmt Trainer Stewart. Für Rekis ist das normal.

Er erinnert sich an seinen ersten Besuch in Deutschlan­d, an ein Jugendturn­ier 1990 in Regensburg: „Wir sind in einem total alten Bus angereist, haben gewonnen, und ich habe als Kind zum ersten Mal in einem McDonalds einen Hamburger gegessen.“Seine Ausbildung erfährt er jedoch nicht nur in Lettland. „Nach der Unabhängig­keit unseres Landes war wenig Geld für den Sport da. Auch deshalb bin ich nach Amerika.“Mit 16 Jahren landet der schweigsam­e Bursche in einer nordamerik­anischen Gastfamili­e. „Das war ein komplett anderes Leben, eine komplett neue Welt für mich“, erzählt der Lette. Der Traum eines jeden Eishockey-Profis, ein Vertrag in der weltbesten Liga NHL, erfüllt sich nicht. Augsburgs Geschäftsf­ührer Karl-Heinz Fliegauf gräbt Rekis für die DEL aus und gibt dem Letten 2003 einen Probevertr­ag, der bald verlängert wird. Der Verteidige­r bleibt bis 2008 im Curt-FrenzelSta­dion. Es folgen zwei DEL-Jahre in Wolfsburg, anschließe­nd vier Spielzeite­n in der russisch geprägten Kontinenta­len Hockey-Liga (KHL) in seiner Heimat Riga und seit 2014 wieder in Augsburg. Dazwischen nimmt der 1,82 Meter große Abwehrspez­ialist für die lettische Nationalma­nnschaft an drei Olympische Spielen und mehreren Weltmeiste­rschaften teil. In der Summe sind es über 1300 Partien.

Privat hat Rekis sein Glück in Augsburg gefunden. Mit seiner Frau Franziska und den Kindern Lennart, 9, Eliah, 6, und Alma, 8 Monate, lebt er in Diedorf. Den Keller funktionie­rten die Söhne zu einer Mini-Eishockey-Arena samt Toren und Werbebande um. Beide Jungs eifern dem Vater nach und spielen im Nachwuchs des Augsburger EV. Wie lange der Papa sich noch in die Schüsse wirft, wurde er schon oft gefragt. Seine Antwort: „Ich habe schon einige letzte Saisons gespielt. Mal sehen.“

Er kann auch so lange mit den Jungen noch mithalten, weil er ganz anders als früher trainiert. „In meiner Jugend haben wir viel Gewichte gestemmt. Das ist vorbei.“FitnessCoa­ch Sven Herzog erstellt für den Letten ein Programm, bei dem Rumpfstabi­lität im Vordergrun­d steht. Außerdem wird die lädierte Schulter geschont. Der Mann mit der Nummer 37 lobt Fitness-Coach Herzog: „Sven hat meine Karriere noch einmal verlängert.“Insgesamt spielt der Verteidige­r nun schon seine zehnte Spielzeit in Augsburg.

Ein Unterschie­d zu früher ist, dass Rekis mehr Regenerati­on braucht. Der Schlaf ist ihm heilig: „Ich gehe zwischen acht und neun Uhr ins Bett.“Ansonsten gilt seine Konzentrat­ion dem nächsten Einsatz. Am Freitag empfängt der AEV die Straubing Tigers (19.30 Uhr, Curt-Frenzel-Stadion). Am Höhenflug der Panther mit dem vierten DEL-Platz hat der EishockeyM­ethusalem als einer der besten Defensiv-Spezialist­en großen Anteil. Sagt sein Trainer Stewart. Rekis sieht das unaufgereg­t: „Ich mache nur meine Arbeit.“

„Jeder Finger war mindestens ein Mal gebrochen.“

 ??  ?? Willkommen in der Rekis-Arena im Keller des Diedorfer Hauses: Der Panther-Verteidige­r Arvids Rekis mit (von links) Lennart, Eliah, Alma und seiner Frau Franziska. Foto: Siegfried Kerpf
Willkommen in der Rekis-Arena im Keller des Diedorfer Hauses: Der Panther-Verteidige­r Arvids Rekis mit (von links) Lennart, Eliah, Alma und seiner Frau Franziska. Foto: Siegfried Kerpf

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