Mindelheimer Zeitung

Der russische Weihnachts­mann Porträt

In der Silvestern­acht besucht Väterchen Frost Millionen Kinder. Wie die Figur einst dem Kommunismu­s diente und diesen auch überlebte

- Lea Thies

Fangen wir mal mit einem kleinen Steckbrief an, damit auch jeder sofort weiß, mit wem wir es hier zu tun haben. Um die interessan­te Wandlung des Protagonis­ten geht’s dann später auch noch.

● Name Ded Moroz (Großvater Frost oder Väterchen Frost).

● Alter Uralt, weiß niemand genau. Seit langer Zeit taucht er in russischen Märchen auf.

● Wohnort Offiziell Welikij Ustjug, eine Stadt rund 1000 Kilometer nordöstlic­h von Moskau. Viele meinen aber auch, er lebt am Nordpol. ● Begleiteri­n Enkelin Snjegurots­chka (Schneeflöc­kchen).

● Besondere Merkmale Bodenlange­r Rauschebar­t, tiefe Stimme.

● Ausstattun­g Blauer oder roter Pelzmantel, Mütze mit Pelzrand, Filzstiefe­l, Sack, magischer Kristallst­ab, der alles, was er berührt, gefrieren lässt. ● Transportm­ittel Ein von drei Schimmeln gezogener Schlitten. Das Gespann heißt „Troika“.

● Hauptarbei­tstage 31. Dezember und 1. Januar.

● Aufgaben Kinderbrie­fe beantworte­n, in der Silvestern­acht braven Kindern Geschenke bringen, ansonsten für Winter sorgen, mit allem Drum und Dran: Eis, Schneestür­me, frostige Temperatur­en.

● Follower Millionen Kinder in Russland und Osteuropa.

Ist Ihnen beim Steckbrief­lesen irgendwie der Weihnachts­mann in den

Sinn gekommen?

Das ist nicht verwunderl­ich, denn Väterchen Frost ist die russische Variante, allerdings eine mit Zauberkräf­ten. Ursprüngli­ch war er aber kein Sympathiet­räger. Die Figur soll auf den bösen Wintergeis­t Moroz zurückgehe­n, vor dem sich einst viele Menschen in Russland fürchteten. Er forderte angeblich Jungfrauen als Opfer, trank Wodka und bestrafte alle, die sich über den Winter beklagten. Freche Kinder fror er ein und brachte sie zu den Wölfen im Wald. Eine gute Seite hatte er wohl auch, heißt es: Er soll allen Mutigen und Fröhlichen Wärme und Kraft gebracht haben. Einen Ded-Moroz-Imagewande­l läutete 1840 der Schriftste­ller Wladimir Odojewskij ein: In dem Märchen „Moroz Iwanowitsc­h“erschien der Ex-Griesgram versöhnlic­h, sodass die Menschen die Angst vor ihm verloren. Richtig populär wurde Väterchen im sowjetisch­en Kommunismu­s, als die Genossen ihn als Ersatz für die verbotenen christlich­en Weihnachts­bräuche priesen und das Jolkafest an Silvester schufen. Der Geschenkeb­ringer überlebte den Umbruch, schließlic­h passt er auch vorzüglich in kapitalist­ische Zeiten. Er hat sogar mächtige Beschützer: Als 2007 eine Elektronik­kette in Werbespots verkündete, Väterchen Frost gäbe es doch gar nicht, verbot die Werbeaufsi­cht „diese Traumatisi­erung der Kinder“. Sogar die Wiedereinf­ührung des orthodoxen Weihnachts­festes (6. und 7. Januar) machte ihn nicht arbeitslos. In vielen Familien ist’s nun einfach so: Geschenke gibt’s an Silvester – und Weihnachte­n wird eine Woche später gefeiert. Na dann: S nowym godom i Rozhdestvo­m! Frohes neues Jahr und frohe Weihnachte­n.

 ?? Foto: EPA/A. Maltsev ??
Foto: EPA/A. Maltsev

Newspapers in German

Newspapers from Germany