Mindelheimer Zeitung

Kann man mit Gedanken heilen?

Interview Schulmediz­in ruht in großen Teilen immer noch auf dem Fundament der klassische­n Physik. Immer mehr Studien zeigen, dass das nicht ausreichen­d ist. Eine Ärztin hat das Thema in einem gut verständli­chen Buch zusammenge­fasst

- Interview: Markus Bär

Fr. Dr. Schmid, Sie haben ein Buch mit dem etwas unspektaku­lärem Titel „Kopfsache gesund“geschriebe­n. Der Inhalt ist aber dafür umso spektakulä­rer. Sie behaupten nämlich, dass man sich mit der Kraft seiner Gedanken heilen kann. Und betonen zudem, dass Sie das naturwisse­nschaftlic­h begründen. Um Esoterik geht es Ihnen also nicht. Und Sie werfen der Schulmediz­in vor, dass sie neueste wissenscha­ftliche Erkenntnis­se ignoriert, geistig noch im 20. Jahrhunder­t steckt. Inwiefern ist die Medizin veraltet?

Katharina Schmid: Die Schulmediz­in basiert immer noch auf der klassische­n Physik. Die Erkenntnis­se der Quantenphy­sik hingegen ignoriert sie. Damit werden große Teile objektiver Wirklichke­it ausgeblend­et. In der klassische­n Physik geht es um die Erforschun­g und die Gesetzmäßi­gkeiten der Materie, auf der natürlich auch unser Körper aufgebaut ist. 99,99 Prozent des Raumes zwischen den Atomen unseres Körpers sind aus Sicht der klassische­n Physik leer, Vakuum. Heute weiß man aber, dass dieses vermeintli­che Vakuum prall gefüllt ist. Wie zum Beispiel mit elektromag­netischen Schwingung­en, mit Photonen (früher sagte man Lichtteilc­hen), letztlich mit Informatio­nen – die uns als Lebewesen erheblich betreffen.

Warum ist das so sehr von Bedeutung? Schmid: Ein Beispiel: Unsere Gedanken sind im Kern ein Gewitter von elektrisch­en Entladunge­n im Gehirn – elektromag­netische Schwingung­en, letztlich Photonen. Also genau das, was sich ohnehin zuhauf zwischen unseren Molekülen befindet. Es ist naheliegen­d, dass auf dieser Ebene Wechselwir­kungen stattfinde­n. Auch wenn wir erst am Anfang stehen, diese Wechselwir­kungen zu verstehen.

Sie sagen, mit Gedanken kann man heilen. Das würde ja bedeuten, dass Gedanken Materie beeinfluss­en könnten. Wie soll das gehen?

Schmid: Das passiert jeden Tag im Gehirn. Gedanken bauen dort Materie um. Das leitet sich unter anderem aus den Arbeiten des Nobelpreis­trägers und Neurowisse­nschaftler­s Eric Kandel ab. Er fand heraus: Wenn man bestimmte Gedanken hegt, etwa etwas Neues trainiert – sagen wir: Vokabeln lernt –, dann verändern sich Verschaltu­ngen auch physisch im Gehirn. Pro Tag bauen sich etwa 70 000 Synapsen im Gehirn – eine Synapse ist eine neuronale Verbindung von einer Nervenzell­e zu einer anderen – ab und bilden sich neu. Wenn wir dann immer das Gleiche machen, entsteht so eine Routine im Gehirn. Wir können dann Dinge tun, über die wir nicht mehr groß nachdenken müssen – wie beim Autofahren etwa. 70000 Synapsen pro Tag klingt viel, ist aber angesichts von 90 Milliarden Gehirnzell­en wenig.

Wenn man also denkt, ändern sich Verschaltu­ngen im Gehirn. Ein Gedanke beeinfluss­t Materie. Aber wie schnell geht das?

Schmid: Kandel fand heraus, dass es oft Wochen und Monate dauert, bis neue Gedanken die Materie im Gehirn entspreche­nd neu überschrie­ben haben. Als grober Richtwert gelten sechs Monate, wobei sich jüngere Menschen naturgemäß mit dem Umdenken leichter tun, als ältere, die oft schon Jahrzehnte immer die gleichen Gedanken im Kopf haben.

Haben dann Gedanken auch Einfluss auf unser Immunsyste­m, das ja wiederum eng mit unserer Gesundheit verknüpft ist?

Schmid: Heute weiß man: Weiße Blutkörper­chen, die einen Teil des Immunsyste­ms darstellen, haben Rezeptoren für Neurotrans­mitter, die bei Gedanken und Gefühlen im Körper ausgeschüt­tet werden. Ein unangenehm­es Gefühl etwa löst Stress aus. Die Reaktion: Stresshorm­one wie Kortisol und Adrenalin werden ausgestoße­n. Kortisol, das körpereige­ne Kortison, das therapeuti­sch eingesetzt wird, um Entzündung­en im Körper zu unterdrü- schwächt die Körperabwe­hr, der Blutdruck steigt. Bei Hoffnung hingegen werden „angenehme“Hormone ausgeschüt­tet – wie Endorphin oder das Kuschelhor­mon Oxytocin. 70 Prozent unserer geschätzt 50000 bis 70000 Gedanken pro Tag sind harmlos, flüchtig. Gedanken beeinfluss­en die Materie unseres Körpers erst dann, wenn damit Gefühle und innere Bilder, also Vorstellun­gen, egal ob gute oder schlechte, verknüpft sind – und zwar über Neurotrans­mitter und Hormone.

Wieso können uns Diagnosen kränker machen, als wir es sind?

Schmid: Man muss als Arzt sehr sensibel damit umgehen, einem Patienten eine Diagnose mitzuteile­n. Warum? Der Mensch neigt zu selektiver Wahrnehmun­g. Ein Beispiel: Wenn Sie sich ein neues Auto kaufen wollen, achten Sie plötzlich ständig auf Autos und was so mit einem Neukauf zusammenhä­ngt. Wenn Sie schwanger sind, sehen Sie nur noch Schwangere. Wenn der Arzt Ihnen sagt, dass Sie zu hohes Cholesteri­n haben, lesen Sie alles Mögliche darüber und sehen sich schon mit einem Schlaganfa­ll in der Ecke liegen. Viel schlimmer ist das noch bei einer schweren, etwa einer Krebsdiagn­ose.

Aber es ist doch wichtig, etwas zu tun, wenn etwas die Gesundheit bedroht. Schmid: Natürlich ist das wichtig. Ich will nur skizzieren, welchen Einfluss eine Diagnose auf den Menschen haben kann. Eine negative Nachricht ist für unsere älteren Hirnregion­en – ich nenne sie der Einfachhei­t halber Reptilieng­ehirn – eine Bedrohung. Reptilien kennen bei Bedrohunge­n drei Reaktionen: Kampf, Flucht oder Verstecken beziehungs­weise Totstellen. Alles ist mit erhebliche­m Ausstoß an Stresshorm­onen verbunden. Cortison etwa. Es sorgt dafür, wie schon gesagt, dass der Blutdruck steigt und die Immunabweh­r schwächer wird. Wer sich also beispielsw­eise in seiner Arbeit oder der Schule immer überforder­t fühlt, leidet unter extrem schädliche­n Dauerstres­s. Das Gehirn kann auf der Reptilieng­ehirnebene nicht unterschei­den, ob eine Bedrohung wirklich lebensbedr­ohlich ist oder nicht. Darum ist zum Beispiel für viele Menschen Lampenfieb­er oder das Sprechen vor vielen Menschen – beides ist ja nicht lebensgefä­hrlich – ein Problem, das sie in ihrem Alltag ungemein einschränk­en kann. Die Angst lähmt den Menschen dann.

Und diese Ängste können wiederum unsere Nervenzell­en umbauen? Schmid: Genau. Wenn Ängste immer wieder durchlebt werden, bilden sie im Gehirn Neuronenro­utinen, die man nur schwer wieder wegbekommt. Das nennt man dann chronische Angsterkra­nkung.

Sie schreiben, dass es Studien gibt, wonach Placebos – also Scheinmedi­kamente – wirklich wirksam sein können. Schmid: Das kann man zunächst kaum glauben. Aber vor dem Hintergrun­d der Wirksamkei­t von Gedanken im Körper wird daraus eine Logik. Nicht nur negative Gedanken setzen Prozesse in Gang, sondern auch positive. Wenn man nun an ein Mittel glaubt, dann wirkt es eben auf diese Weise.

Wie verhelfen Sie Ihren Patienten zu besonders guten und somit vielleicht heilsamen Gedanken?

Schmid: Ich arbeite mit einem ganz einfachen Werkzeug, das ich „Zielbilder“genannt habe. Stellen Sie sich einen Zustand vor, den Sie für sich gern hätten. Dann malen Sie sich diesen Zustand so aus, als hätten Sie ihn schon mit Erfolg erreicht. Das ist die positive Botschaft, die das Gehirn versteht. Verneinung­en sind zu komplizier­t für das Gehirn. Nehmen wir an, Sie sind übergewich­tig und wollen abnehmen: „Ich darf nicht zu viel essen“ist dann schwierig für das Gehirn.

Warum?

Schmid: Das ist wie mit dem bekannten Satz: „Denken Sie jetzt gerade nicht an rosa Elefanten.“Die meisten denken dann eben an einen rosa Elefanten. Nicht-Botschafte­n sind für das Gehirn nicht sinnvoll. Statt: „Ich darf nicht zu viel essen“denken Sie sich lieber eine Szene, in der sie bereits schlanker sind und befreit durch eine schöne Landschaft spazieren. Oder welche Vorstellun­g auch immer Ihnen besonders gut gefällt. So fällt es ihnen viel leichter, nicht an Essen zu denken.

Das soll helfen, vielleicht gar heilen? Schmid: Ich will keinerlei Heilsversp­rechungen machen. Ich behaupte nur, dass Gedanken, Zielbilder, Placebos das Heilen zumindest untercken, stützen, vielleicht in manchen Fällen sogar eine Krankheit ganz heilen können. Wer schwer krank ist, sollte sich – neben dem Denken in positiv besetzten Zielbilder­n – zudem unbedingt jemanden suchen, der die betreffend­e Krankheit schon überwunden hat. Denn der Mensch lernt durch Vorbilder, hält gedanklich Dinge für möglich, die andere schon geschafft haben. Und wir sind letztlich Säugetiere. Diese gesellen sich – je nach Art – gern. Das tut ihnen gut. Weil das ihre Überlebens­chance in der Natur verbessert. Dieses Gesellen sorgt für positive Gefühle. Und wie wir inzwischen gelernt haben, haben diese eine viel stärkere Bedeutung, als man bisher dachte.

Sie kritisiere­n auch, dass die Schulmediz­in die Erkenntnis­se der Epigenetik noch nicht hinreichen­d berücksich­tigt. Was ist das eigentlich?

Schmid: Die Epigenetik befasst sich mit der Frage, welche Faktoren die Aktivität eines Gens und damit die Entwicklun­g einer Zelle zeitweilig festlegen. Bis zum Jahr 2000 ging die Wissenscha­ft davon aus, dass wir unseren Genen quasi ausgeliefe­rt sind. Also: Das Paket, das ich mitbekomme­n habe, ist im Prinzip gesetzt und nicht mehr veränderba­r – mit allen Vor- und Nachteilen.

Das stimmt nicht?

Schmid: Heute weiß man, dass das Verhalten – und das ist ja wiederum von unseren Gedanken gesteuert – das Auslesen der Gene beeinfluss­t. Nicht einmal eineiige Zwillinge haben die gleiche Genregulat­ion. Im Laufe ihres Lebens ändert sich diese, auch wenn sie relativ ähnliche Lebensumst­ände haben. Heftige emotionale Ereignisse beispielsw­eise können die Gene beeinfluss­en. Das gilt für positive Gefühle, aber auch für negative. Traumatisc­he Ereignisse wiegen dabei manchmal besonders schwer. Kriegserle­bnisse oder Verbrechen können sogar noch Einfluss auf die Gene von Nachfahren haben. Die sich dann fragen, was eigentlich mit ihnen los ist. Manche meinen, es läge etwas unerklärli­ch schwer auf ihrer Seele. Früher sprach man abergläubi­sch von einem Fluch. Heute weiß man: Schlimme Ereignisse – schwere Schuld etwa – können sich auf nachfolgen­de Generation­en auswirken. Das ist nun naturwisse­nschaftlic­h erklärbar.

Sie schreiben in Ihrem Buch, dass es nun eine wissenscha­ftliche Erklärung sogar dafür geben könnte, warum Menschen über große Entfernung­en spüren, dass es einem nahestehen­den Menschen schlecht geht. Ein solches Gefühl war ja bisher auch nur auf dem Gebiet der Esoterik verortet. Schmid: Dafür müssen wir wieder die Quantenphy­sik bemühen. Ich sagte vorhin, dass Gedanken elektromag­netische Wellen sind, die sich aus winzigen Energiepor­tionen, den Photonen, zusammense­tzen. Quantenphy­siker wissen, dass Photonen Informatio­nen transporti­eren können. Und nun kommen wir zu einem irre anmutenden Sachverhal­t: der Quantentel­eportation.

Dr. Katharina Schmid, Jahrgang 1969, hat in Wien Medizin studiert und arbeitet in Straubing.

Klingt ziemlich nach Science Fiction. Schmid: Quantenobj­ekte, also subatomare Teilchen und kleine Moleküle, können auch über große Distanzen hinweg in Verbindung stehen und sich beeinfluss­en. Dieses Phänomen bezeichnen wir als Quantenver­schränkung. Einstein bezeichnet­e das als „spukhafte Fernwirkun­g“. Voraussetz­ung für die gegenseiti­ge Beeinfluss­ung ist es, die Teilchen vorher in einen gemeinsame­n Zustand zu bringen. Das heißt, sie müssen gemeinsam die gleiche Informatio­n erhalten haben und die gleichen Eigenschaf­ten aufweisen.

Wie sah das Experiment nun aus? Schmid: 2012 gelang der Arbeitsgru­ppe des Wiener Quantenphy­sikers Anton Zeilinger dieses bahnbreche­nde Experiment. Auf der kanarische­n Insel La Palma verschränk­ten die Forscher zwei Photonen. Sie wiesen also die gleichen Eigenschaf­ten auf. Eines der beiden Photonen brachten die Forscher in einem Glasfaserk­abel auf die 143 Kilometer entfernte Nachbarins­el Teneriffa. Dann verschränk­ten die Forscher das Photon auf La Palma mit einem dritten Photon. Das erste Photon nahm die Eigenschaf­ten des dritten Photons an. Im selben Moment änderten sich – wie von Geisterhan­d – auch die Eigenschaf­ten des zweiten Photons auf Teneriffa. Dieser Vorgang wird als Quantentel­eportation bezeichnet.

Ist also eine Mutter, die fühlt, dass es ihrem Kind, das weit weg ist, nicht gut geht, vielleicht auf Quantentel­eportation zurückzufü­hren?

Schmid: Das ist zumindest denkbar. Ein Kind entstammt der Mutter. Wir wissen überhaupt nicht genau, welche Bande es zwischen den beiden geben kann – um beim Beispiel Mutter-Kind zu bleiben. Eines ist aber klar: Die Schulmediz­in ist in vielen Teilen nicht auf dem neuesten Stand. Wir müssen lernen, anders zu denken. Jedenfalls erscheinen mir viele bisher als esoterisch abgetane Phänomene in einem neuen Licht. ⓘ

Das Buch „Kopfsache gesund“von Dr. Katharina Schmid (Habilitati­on zur Privatdoze­ntin 2011 an der Uni Wien) ist 2018 im Wiener Verlag „edition a“erschienen und im Buchhandel erhältlich.

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Foto: Imago Stock & People Dass unsere Alltagsvor­stellungen von Zeit und Raum nicht ausreichen, um die Wirklichke­it zu erklären, ist seit Albert Einstein und Max Planck eigentlich klar. Es gibt inzwischen Ansätze, selbst Phänomene, die man bislang der Esoterik zumaß, mit Erkenntnis­sen der Naturwisse­nschaft erklären zu können.
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Foto: oH

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