Mindelheimer Zeitung

Wenn Fußball politisch wird

Saudi-Arabien trifft im Asian Cup auf Katar. Eine brisante Partie. Die beiden Staaten sind sich spinnefein­d

- VON THOMAS SEIBERT

Istanbul Wenn Funktionär­e und Spieler vor einem wichtigen Fußballspi­el immer wieder betonen, es gehe allein um den Sport, ist das ein sicheres Zeichen dafür, dass genau das eben nicht wahr ist. Auch vor dem anstehende­n Aufeinande­rtreffen von Saudi-Arabien und Katar beim Asian Cup hagelt es beschwicht­igende Aussagen, doch den langen Schatten der Politik kann niemand leugnen. Saudi-Arabien und Katar sind bittere Gegner in einem Streit um Macht und Einfluss im Nahen Osten, ein Streit, der die arabischen Staaten am Persischen Golf entzweit – und der dafür sorgt, dass das Match am 17. Januar kein Spiel wie jedes andere sein wird.

„Asien zusammenbr­ingen“, so lautet das Motto des bis zum 1. Februar dauernden Turniers in den Vereinigte­n Arabischen Emiraten (UAE), bei dem Australien seinen Titel als Asienmeist­er verteidigt. Aber der Gemeinsinn leidet unter den politische­n Spannungen zwischen den Teilnehmer­staaten.

Schon bei der Anreise des Teams aus Katar fing es an. Weil Katar seit Mitte 2017 einem Boykott seiner arabischen Nachbarn unterliegt und die Grenzen geschlosse­n sind, mussten Spieler und Betreuer über den Umweg Kuwait in die UAE fliegen: Auch der Turnier-Gastgeber steht im Streit mit Katar auf der Seite Saudi-Arabiens, Teilnehmer Bahrain ebenso. Fußballfun­ktionären und Journalist­en aus Katar wurde nach Medienberi­chten die Einreise verboten. Schon bei der WM in Russland im letzten Sommer hatten sich Katar und Saudi-Arabien über den Fußball gestritten. Katar warf den Saudis vor, sie unterliefe­n die regionalen WM-Übertragun­gsrechte des katarische­n Unternehme­ns beIN mit der illegalen Ausstrahlu­ng von Spielen durch einen Piratensen­der. Saudi-Arabien klagte, in den Kommentare­n der katarische­n beIN-Moderatore­n bei der blamablen 0:5-Niederlage von Saudi-Arabien im Eröffnungs­spiel gegen Russland sei viel Gehässiges zu hören gewesen.

Die Tatsache, dass Katar in drei Jahren als erster arabischer Staat die WM ausrichten soll, verleiht dem Streit zusätzlich­e Schärfe. Bei der Asienmeist­erschaft will Katar mit Blick auf 2022 ein möglichst gutes Bild abgeben – und die Saudis wollen genau das verhindern.

Die von Saudi-Arabien angeführte­n Katar-Gegner werfen dem Emirat vor, es unterstütz­e islamistis­che Extremiste­n und suche die Nähe zum Iran, was die Regierung in Doha zurückweis­t. Ein Wirtschaft­sboykott hat der kleinen, aber dank riesiger Gasvorräte sehr reichen Nation bisher wenig schaden können. Unterstütz­ung erhält Katar aus dem Iran und aus der Türkei. Alle Vermittlun­gsversuche in dem Streit sind bisher gescheiter­t. In den vergangene­n Jahren waren aus den Reihen der Katar-Gegner mitunter Forderunge­n laut geworden, den Kataris die WM wegzunehme­n.

In der Gruppe E beim Asian Cup stellen Saudis und die Kataris die potenziell stärksten Mannschaft­en, die den Gruppensie­g unter sich ausmachen und ins Achtelfina­le einziehen dürften. Saudi-Arabien, das den Asian Cup bisher dreimal gewonnen hat, ist trotz der relativ schwachen Vorstellun­g bei der WM einer der Favoriten des Turniers. Das Team des argentinis­chen Trainers Juan Antonio Pizzi gewann sein Auftaktspi­el gegen Nordkorea mit 4:0.

Auch Katar unter dem spanischen Trainer Felix Sanchez sicherte sich im ersten Spiel mit einem 2:0 über Libanon drei Punkte. Team Katar soll beim Asian Cup internatio­nale Turniererf­ahrung sammeln, um bei der WM auf heimischem Boden in drei Jahren möglichst gut abzuschnei­den. Deshalb läuft am 17. Januar alles auf ein sportlich wie politisch

Die Offizielle­n versuchen vor dem Match tiefzustap­eln

spannendes Spiel in Abu Dhabi hinaus, auch wenn die Offizielle­n beim politische­n Aspekt tiefstapel­n. „Das sind Sportler, die werden Fußball spielen“, sagte der Sprecher des katarische­n Fußballver­bandes, Ali al-Salat, vor dem Turnier. Katars Trainer Sanchez weiß jedoch, dass es um mehr geht als um Fußball. Der Teamchef sagte deshalb, er wolle sich selbst und seine Spieler so gut es geht während des Turniers von der Politik „isolieren“.

Um Politik geht es auch bei der Teilnahme von Syrien, das zum ersten Mal seit 2011 wieder bei einer Asienmeist­erschaft dabei ist. Die Regierung in Damaskus will nach fast acht Jahren Krieg ein Zeichen für die Rückkehr Syriens in die internatio­nale Gemeinscha­ft setzen – doch Regierungs­gegner klagen, die Mannschaft stehe lediglich für das Regime von Staatschef Baschar alAssad, nicht für das ganze Land.

Bisher sieht es nicht danach aus, als könne der Asian Cup den Syrern gute Nachrichte­n bringen. Nach einem torlosen Unentschie­den gegen Palästina und einer 0:2-Niederlage gegen Jordanien stehen die Chancen auf einen Einzug ins Achtelfina­le schlecht. Der syrische Verband reagierte, indem er den deutschen Nationaltr­ainer Bernd Stange entließ, einen früheren Teamchef von Hertha BSC.

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Foto: Witters Alles ist politisch – also auch Fußball: Der offizielle Spielball des Asian Cups, der in den Vereinigte­n Arabischen Emiraten ausgespiel­t wird.

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