Mindelheimer Zeitung

Robert Antretter ruft die Jungen auf: Geht in die Parteien

Der Festredner greift unbequeme Wahrheiten auf und mahnt, skeptisch und wachsam zu bleiben

- VON JOHANN STOLL

Mindelheim Dieser Festredner ist ein guter Bekannter in der Kreisstadt: Er ist in Mindelheim aufgewachs­en und hat seine Lehrzeit im Verlag Hans Högel absolviert. Robert Antretter hat später als SPD-Politiker Karriere im Bundestag und im Europaparl­ament gemacht. Antretter ist vielfach geehrt. Er ist Träger des Großen Verdienstk­reuzes der Bundesrepu­blik und des Eugen-BolzPreise­s. Als Ehrenvorsi­tzender der Lebenshilf­e ist Antretter seit vielen Jahren Mahner für die Rechte der Schwächere­n.

Antretter lebt heute in Backnang bei Stuttgart. Ihn hat Bürgermeis­ter Stephan Winter nach Mindelheim eingeladen, die Mindelheim­er Festgesell­schaft beim Neujahrsem­pfang im Forum zum Nachdenken zu bringen. Der 79-Jährige lobte das besondere Zusammenle­ben in Min- delheim, die Zusammenar­beit aller Akteure in der Stadt. Dieser Erfahrung habe er sehr viel zu verdanken gehabt.

Er erinnerte an den 26. April 1945, als Soldaten der 7-US-Armee in Mindelheim eingefahre­n waren. Das Lächeln sei in die Gesichter der Menschen zurückgeke­hrt, „ein Klima des freieren Atmens“habe geherrscht. In dieser Zeit kannte Antretter auch einen Taubstumme­n mit Namen Josef. Dieser Josef half seinem vom Ersten Weltkrieg verstümmel­ten Vater, ein Dreirad zu Ende zu bauen. Hätten nicht Nachbarn zusammenge­halten und Josef geschützt, er hätte wohl das Schicksal von 300 000 Menschen mit Behinderun­g teilen müssen, die als „unwertes Leben“von den Nationalso­zialisten ermordet wurden. In Irsee sind 800 Menschen durch Hungerdiät und Todessprit­zen umgekommen. Die Politik sollte auf die Schwächere­n achten, mahnte der Redner. In Artikel 1 des Grundgeset­zes heißt es: Die Würde des Menschen ist unantastba­r. Das sei Aufgabe jeglicher staatliche­r Gewalt. Hier gelte es wachsam zu bleiben.

Die Digitalisi­erung ist so ein Feld, das Chancen, aber auch Risiken biete. Am 23. März wird Antretter zusammen mit dem Abgeordnet­en Franz Josef Pschierer und dem Leiter des Irseer Bildungsze­ntrums, Stefan Raueiser, vertiefend­e Gedanken zusammentr­agen. Bundeskanz­lerin Angela Merkel lobte er für ihre Flüchtling­spolitik. „Ich bin glücklich, dass wir eine Regierungs­chefin haben, die „ein Bild der Barmherzig­keit und Nächstenli­ebe in die Welt getragen hat.“Gerade Christen sollten sich des Flüchtling­skindes von Bethlehem erinnern.

Die große Migrations­bewegung könne nur halbwegs befriedet werden, wenn die Weltgemein­schaft in der Klima- und Sozialpoli­tik Korrekture­n anbringe und den Hunger bekämpfe.

Bis 2030 sei dazu noch maximal Zeit. Diese Zeit müsse unbedingt genutzt werden. Mit seinem Traum vom ewigen Leben werde der Mensch immer nur neues Leid für andere Menschen erzeugen. Er erinnerte an genetische Manipulati­onen, an moderne Sklaverei, Menschenun­d Organhande­l sowie Prostituti­on. Den jungen Menschen rief er zu: „Seien Sie skeptisch, Sie müssen Anteil nehmen“. Antretter hielt ein Plädoyer für die von Parteien getragene Demokratie.

Jungen Menschen empfahl er, mitzumache­n. Politikver­drossenhei­t entstehe, wenn die Bürger den Eindruck haben, „die machen, was sie wollen“. Politiker müssten ihren Beitrag leisten, um Frieden und Wohlstand zu erhalten. „Das muss immer spürbar sein.“

Seine viel beklatscht­e Rede ließ er mit einem Satz einer französisc­hen Nonne enden, die mit 29 Jahren starb: „Gott hat seine Schöpfung auf einen Pfeiler gebaut, den der Liebe.“

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Foto: jsto Festredner Robert Antretter setzt sich für Schwächere ein.

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