Sein Glück und sein Albtraum
Heiner Lauterbach über seine Karriere und den deutschen Film, seine neue Komödien-Rolle als Pflegefall und ernste Fehler in der Politik
Herr Lauterbach, nimmt man die Rolle eines Schlaganfallpatienten in einer Komödie ebenso ernst wie in einem Drama?
Heiner Lauterbach: Ja, wenn nicht sogar noch ernster. Wir haben eine komische Ausgangssituation: Drei bunt zusammengewürfelte Leute, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben, sind gemeinsam in einem Haus eingeschneit. Widerstrebend und unfreiwillig verbringen sie diese Zeit zusammen. Ein solches Setup muss man zunächst auf eine solide Basis stellen, indem man die Situation glaubhaft darstellt. Dazu gehört natürlich auch der Krankheitsgrad dieses Mannes. Regisseur Wolfgang Groos und ich haben deshalb mit verschiedenen Fachkräften zusammengearbeitet, mit Krankenpflegern oder auch Notfallärzten, die uns mit vielen Ratschlägen zur Seite gestanden haben. Kein Schlaganfall ist wie der andere, es kann zu vielen verschiedenen Auswirkungen kommen. Wir mussten uns auf eine bestimmte Stärke der Krankheit einigen und lernen, wie diese Stärke den Körper und den Geist beeinflusst. Und dann gilt es, in der Darstellung eine gewisse Kontinuität zu halten. Erst wenn man das geschafft hat, darf man sich über den Komödienaspekt Gedanken machen.
In Deutschland wird bei sensiblen Themen immer die leidige Frage gestellt, ob man darüber lachen darf. Hat sich das mittlerweile etwas entschärft oder nimmt es in dieser allgemein sehr hysterischen Zeit eher noch zu?
Lauterbach: Das kann ich nicht sagen, ich bin ja kein Trendforscher. Wir hatten das ja auch bei „Willkommen bei den Hartmanns“. Dort wurde das Thema „Flüchtlinge“komisch behandelt. In diesem Fall ist es aufgegangen, die Zuschauer haben das angenommen und akzeptiert. Es ist für mich weniger die Frage, ob man so etwas macht, als vielmehr, wie man damit umgeht. Wenn die gleichen Aussagen von unterschiedlichen Leuten getroffen werden, werden sie in einer Gesellschaft oft auch unterschiedlich beurteilt. Es gibt Leute, die können sich alles erlauben. Für echte oder vermeintliche Komiker und Kabarettisten gehört das zum Beruf. Wenn andere sagen würden, was sie sagen, würde man sie gleich in die Pfanne hauen. Es wird immer so ein bisschen mit zweierlei Maß gemessen. Man muss einfach den richtigen Ton treffen. Eine Geschichte überzeugt nur, wenn sie den ihr angemessenen Sinn für Humor widerspiegelt.
Sie arbeiten regelmäßig mit der neuen Schauspielergeneration zusammen. Erkennen Sie Ihr früheres Ich in diesen Leuten wieder oder verfolgen sie andere Ziele und Träume?
Lauterbach: Das kann man nicht verallgemeinern, glaube ich. Es gibt sehr straighte junge Schauspielerinnen und Schauspieler, die genau wissen, was sie wollen und was sie nicht wollen. Sie haben sich Ziele gesetzt und versuchen, diese auch stringent durchzusetzen. Aber es gibt auch lockere Typen, die alles einfach auf sich zukommen lassen. Das ist genau wie früher. Ich könnte mir vorstellen, dass die heutige Generation etwas gradliniger ist, als wir das früher waren. Sie haben ein Konzept. Ich selbst habe das nie gehabt. Ich sage aber nicht, dass es gut oder richtig ist, die Dinge einfach auf sich zukommen zu lassen, eher im Gegenteil. Ich habe auch viel Glück gehabt. Ich würde meinen Kindern raten, sich einen Plan zu machen und zu versuchen, ihn zu verfolgen. Und dafür alles zu geben. Aber man kann das eigentlich nicht an einer Generation festmachen. Unterschiedliche Typen wird es immer geben.
Gehört es zu Ihren persönlichen Albträumen, einmal pflegebedürftig zu werden? Lauterbach: Zu wessen persönlichen Albträumen könnte das nicht gehören? Es ist eines der schlimmsten Szenarien, die man sich vorstellen kann.
Halten Sie eine Patientenverfügung für wichtig?
Lauterbach: Ja. Immer vorausgesetzt, dass damit kein Schindluder getrieben wird und alles solide verläuft. Ich halte es weder bei mir noch bei meinen Angehörigen und Freunden für sinnvoll, an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen zu werden, die einen vielleicht noch vier Jahre ohne Bewusstsein an ein Krankenbett fesselt.
Mit welchen Gefühlen verfolgen Sie in dieser Beziehung die Politik und die allgegenwärtige Pflegediskussion, die wenig Konkretes zu bewirken scheint? Lauterbach: Was soll ich dazu sagen? Es ist schlimm. Wie so oft wird an den falschen Stellen gespart. Wir haben doch so einige Bereiche, in denen die Ressourcen ungleich verteilt werden. Mit der Bildung verhält es sich genauso. Oder mit Polizei und Feuerwehr. Mit Ärzten, die in Krankenhäusern arbeiten, die jahrelang studiert haben und sich dann mit einem relativ schäbigen Gehalt zufriedengeben müssen, für all die Verantwortung, die sie tragen, und die Leistung, die sie bringen müssen. Das ist ein harter Job. Und natürlich gilt das auch für Kranken- und AltenpflegerInnen. Über diese Ungerechtigkeiten jammern wir nun schon seit geraumer Zeit. Aber Jammern hat noch nie geholfen.
Sie haben eine gute Nase für erfolgversprechende Projekte wie „Wir sind die Neuen“oder „Willkommen bei den Hartmanns“. Zwischendurch realisieren Sie einen Film wie „Harms“, der Sie von einer ganz anderen Seite zeigt. Wie navigieren Sie durch die Welt des deutschen Films?
Lauterbach: Jetzt kommt ja auch noch die deutsche Serie dazu, was ich ganz spannend finde. Ich bin ein Fan guter Serien, die mittlerweile weltweit entstehen. Auch die Deutschen fangen jetzt damit an, das ist doch sehr schön. Was den Film anbetrifft, muss man sehen, wo die Reise hingeht. Wir müssen genügend deutsche Filme produzieren, die auch ein Publikum finden. Ich glaube, dass wir nach wie vor an der bitteren Medizin der 1970er und 80er zu schlucken haben, die die Autorenfilme hinterlassen haben. Filme, die in der Regel keinen interessiert und deutschlandweit eine Phobie vor einheimischen Produktionen ausgelöst haben. Ich stelle das nach wie vor in meinem Freundes- und Bekanntenkreis fest. Wenn ich frage, ob wir ins Kino gehen wollen, heißt es: „Ja, gern!“. In einen deutschen Film? „Nein, danke!“Außer Komödien und Feel-Good-Filmen passiert ja nicht so viel hierzulande, was Erfolg versprechen könnte. Wir haben diese Kultur nicht aufgebaut. Die Menschen gehen für einen deutschen Thriller gar nicht erst ins Kino, egal, wie gut er ist.
Der junge Protagonist Denis im Film ist ein netter Kerl, aber trotzdem ist er auf die schiefe Bahn geraten. Ihr eigener Weg war mitunter auch schwierig. Empfinden Sie eine gewisse Demut, dass alles so gekommen ist, wie es kam?
Lauterbach: Ja, unbedingt. Ich bin ein Verfechter der Glückstheorie und ich glaube, dass im Leben alles mit Zufall zusammenhängt. Und dementsprechend mit Glück, das man hat oder nicht. Insofern sollte man sich dessen schon bewusst sein. Das ist meine Theorie und ich freue mich darüber, dass bei mir die glücklichen Anteile überwogen haben. Ob man das nun Demut nennen mag oder Freude, sei einmal dahingestellt.