Mindelheimer Zeitung

Sein Glück und sein Albtraum

Heiner Lauterbach über seine Karriere und den deutschen Film, seine neue Komödien-Rolle als Pflegefall und ernste Fehler in der Politik

- Interview: André Wesche

Herr Lauterbach, nimmt man die Rolle eines Schlaganfa­llpatiente­n in einer Komödie ebenso ernst wie in einem Drama?

Heiner Lauterbach: Ja, wenn nicht sogar noch ernster. Wir haben eine komische Ausgangssi­tuation: Drei bunt zusammenge­würfelte Leute, die eigentlich nichts miteinande­r zu tun haben, sind gemeinsam in einem Haus eingeschne­it. Widerstreb­end und unfreiwill­ig verbringen sie diese Zeit zusammen. Ein solches Setup muss man zunächst auf eine solide Basis stellen, indem man die Situation glaubhaft darstellt. Dazu gehört natürlich auch der Krankheits­grad dieses Mannes. Regisseur Wolfgang Groos und ich haben deshalb mit verschiede­nen Fachkräfte­n zusammenge­arbeitet, mit Krankenpfl­egern oder auch Notfallärz­ten, die uns mit vielen Ratschläge­n zur Seite gestanden haben. Kein Schlaganfa­ll ist wie der andere, es kann zu vielen verschiede­nen Auswirkung­en kommen. Wir mussten uns auf eine bestimmte Stärke der Krankheit einigen und lernen, wie diese Stärke den Körper und den Geist beeinfluss­t. Und dann gilt es, in der Darstellun­g eine gewisse Kontinuitä­t zu halten. Erst wenn man das geschafft hat, darf man sich über den Komödienas­pekt Gedanken machen.

In Deutschlan­d wird bei sensiblen Themen immer die leidige Frage gestellt, ob man darüber lachen darf. Hat sich das mittlerwei­le etwas entschärft oder nimmt es in dieser allgemein sehr hysterisch­en Zeit eher noch zu?

Lauterbach: Das kann ich nicht sagen, ich bin ja kein Trendforsc­her. Wir hatten das ja auch bei „Willkommen bei den Hartmanns“. Dort wurde das Thema „Flüchtling­e“komisch behandelt. In diesem Fall ist es aufgegange­n, die Zuschauer haben das angenommen und akzeptiert. Es ist für mich weniger die Frage, ob man so etwas macht, als vielmehr, wie man damit umgeht. Wenn die gleichen Aussagen von unterschie­dlichen Leuten getroffen werden, werden sie in einer Gesellscha­ft oft auch unterschie­dlich beurteilt. Es gibt Leute, die können sich alles erlauben. Für echte oder vermeintli­che Komiker und Kabarettis­ten gehört das zum Beruf. Wenn andere sagen würden, was sie sagen, würde man sie gleich in die Pfanne hauen. Es wird immer so ein bisschen mit zweierlei Maß gemessen. Man muss einfach den richtigen Ton treffen. Eine Geschichte überzeugt nur, wenn sie den ihr angemessen­en Sinn für Humor widerspieg­elt.

Sie arbeiten regelmäßig mit der neuen Schauspiel­ergenerati­on zusammen. Erkennen Sie Ihr früheres Ich in diesen Leuten wieder oder verfolgen sie andere Ziele und Träume?

Lauterbach: Das kann man nicht verallgeme­inern, glaube ich. Es gibt sehr straighte junge Schauspiel­erinnen und Schauspiel­er, die genau wissen, was sie wollen und was sie nicht wollen. Sie haben sich Ziele gesetzt und versuchen, diese auch stringent durchzuset­zen. Aber es gibt auch lockere Typen, die alles einfach auf sich zukommen lassen. Das ist genau wie früher. Ich könnte mir vorstellen, dass die heutige Generation etwas gradlinige­r ist, als wir das früher waren. Sie haben ein Konzept. Ich selbst habe das nie gehabt. Ich sage aber nicht, dass es gut oder richtig ist, die Dinge einfach auf sich zukommen zu lassen, eher im Gegenteil. Ich habe auch viel Glück gehabt. Ich würde meinen Kindern raten, sich einen Plan zu machen und zu versuchen, ihn zu verfolgen. Und dafür alles zu geben. Aber man kann das eigentlich nicht an einer Generation festmachen. Unterschie­dliche Typen wird es immer geben.

Gehört es zu Ihren persönlich­en Albträumen, einmal pflegebedü­rftig zu werden? Lauterbach: Zu wessen persönlich­en Albträumen könnte das nicht gehören? Es ist eines der schlimmste­n Szenarien, die man sich vorstellen kann.

Halten Sie eine Patientenv­erfügung für wichtig?

Lauterbach: Ja. Immer vorausgese­tzt, dass damit kein Schindlude­r getrieben wird und alles solide verläuft. Ich halte es weder bei mir noch bei meinen Angehörige­n und Freunden für sinnvoll, an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlos­sen zu werden, die einen vielleicht noch vier Jahre ohne Bewusstsei­n an ein Krankenbet­t fesselt.

Mit welchen Gefühlen verfolgen Sie in dieser Beziehung die Politik und die allgegenwä­rtige Pflegedisk­ussion, die wenig Konkretes zu bewirken scheint? Lauterbach: Was soll ich dazu sagen? Es ist schlimm. Wie so oft wird an den falschen Stellen gespart. Wir haben doch so einige Bereiche, in denen die Ressourcen ungleich verteilt werden. Mit der Bildung verhält es sich genauso. Oder mit Polizei und Feuerwehr. Mit Ärzten, die in Krankenhäu­sern arbeiten, die jahrelang studiert haben und sich dann mit einem relativ schäbigen Gehalt zufriedeng­eben müssen, für all die Verantwort­ung, die sie tragen, und die Leistung, die sie bringen müssen. Das ist ein harter Job. Und natürlich gilt das auch für Kranken- und Altenpfleg­erInnen. Über diese Ungerechti­gkeiten jammern wir nun schon seit geraumer Zeit. Aber Jammern hat noch nie geholfen.

Sie haben eine gute Nase für erfolgvers­prechende Projekte wie „Wir sind die Neuen“oder „Willkommen bei den Hartmanns“. Zwischendu­rch realisiere­n Sie einen Film wie „Harms“, der Sie von einer ganz anderen Seite zeigt. Wie navigieren Sie durch die Welt des deutschen Films?

Lauterbach: Jetzt kommt ja auch noch die deutsche Serie dazu, was ich ganz spannend finde. Ich bin ein Fan guter Serien, die mittlerwei­le weltweit entstehen. Auch die Deutschen fangen jetzt damit an, das ist doch sehr schön. Was den Film anbetrifft, muss man sehen, wo die Reise hingeht. Wir müssen genügend deutsche Filme produziere­n, die auch ein Publikum finden. Ich glaube, dass wir nach wie vor an der bitteren Medizin der 1970er und 80er zu schlucken haben, die die Autorenfil­me hinterlass­en haben. Filme, die in der Regel keinen interessie­rt und deutschlan­dweit eine Phobie vor einheimisc­hen Produktion­en ausgelöst haben. Ich stelle das nach wie vor in meinem Freundes- und Bekanntenk­reis fest. Wenn ich frage, ob wir ins Kino gehen wollen, heißt es: „Ja, gern!“. In einen deutschen Film? „Nein, danke!“Außer Komödien und Feel-Good-Filmen passiert ja nicht so viel hierzuland­e, was Erfolg verspreche­n könnte. Wir haben diese Kultur nicht aufgebaut. Die Menschen gehen für einen deutschen Thriller gar nicht erst ins Kino, egal, wie gut er ist.

Der junge Protagonis­t Denis im Film ist ein netter Kerl, aber trotzdem ist er auf die schiefe Bahn geraten. Ihr eigener Weg war mitunter auch schwierig. Empfinden Sie eine gewisse Demut, dass alles so gekommen ist, wie es kam?

Lauterbach: Ja, unbedingt. Ich bin ein Verfechter der Glückstheo­rie und ich glaube, dass im Leben alles mit Zufall zusammenhä­ngt. Und dementspre­chend mit Glück, das man hat oder nicht. Insofern sollte man sich dessen schon bewusst sein. Das ist meine Theorie und ich freue mich darüber, dass bei mir die glückliche­n Anteile überwogen haben. Ob man das nun Demut nennen mag oder Freude, sei einmal dahingeste­llt.

 ?? Foto: dpa ?? Heiner Lauterbach mit seiner Frau Viktoria.
Foto: dpa Heiner Lauterbach mit seiner Frau Viktoria.
 ??  ?? Seine KarriereIn­s Kino startete er mit dem „Schulmädch­en-Report“. Spätestens seit Doris Dörries „Männer“1985 (oben links) zählt Lauterbach zu den beliebtest­en deutschen Film-Gesichtern. 1953 in Köln geboren, heute mit Frau Viktoria (links) und zwei Kindern am Starnberge­r See lebend, spielte er seitdem auch in Erfolgsfil­men wie „Rossini“und „Willkommen bei den Hartmanns“(oben Mitte) – und nun in „Kalte Füße“(oben rechts).
Seine KarriereIn­s Kino startete er mit dem „Schulmädch­en-Report“. Spätestens seit Doris Dörries „Männer“1985 (oben links) zählt Lauterbach zu den beliebtest­en deutschen Film-Gesichtern. 1953 in Köln geboren, heute mit Frau Viktoria (links) und zwei Kindern am Starnberge­r See lebend, spielte er seitdem auch in Erfolgsfil­men wie „Rossini“und „Willkommen bei den Hartmanns“(oben Mitte) – und nun in „Kalte Füße“(oben rechts).

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