Baumfrevel oder Naturschutz?
Der Kahlschlag im Wald an der Wertach entsetzt einen Irsinger. Bürgermeister Kähler sagt: „Die Bäume waren am Limit.“Neupflanzung mit Laubbäumen
Irsingen Paul Antemia traute seinen Augen nicht, als er Anfang dieses Jahres einen Spaziergang im Wald am östlichen Ortsausgang von Irsingen machte. Dort wo einst hohe Bäume standen, habe es nun wie nach einem Hurrikan ausgesehen. „Der Anblick hat mir bis in die Seele leidgetan“, sagte der Naturfreund zur Mindelheimer Zeitung.
Seiner Meinung nach seien die Bäume größtenteils noch kerngesund gewesen. Dem widerspricht die Forstbetriebsgemeinschaft, die im Auftrage der Gemeinde Türkheim dieses Waldstück bewirtschaftet. Und außerdem werde es noch in diesem Jahr Ersatzpflanzungen geben, versicherten sowohl Gemeinde und Forstbetriebsgemeinschaft.
Paul Antemia wohnt am östlichen Dorfausgang in der Nähe des Eisstockplatzes. Gerne machte er einen Spaziergang in den Wald im Bereich der Wertach. Als er nach der Arbeit losging, sei er wie vom Blitz getroffen gewesen, als er sah, was aus „seinem“Naherholungsgebiet geworden war.
Dort seien 30 bis 60 Jahre alte Bäume fast alle gefällt worden. Und er sei sich sicher, dass die meisten noch gesund gewesen seien. Früher sei der Wald eine natürliche Grenze zum Ort gewesen, nun sehe man voll auf die Häuser. Und die Forstarbeiter hätten ziemlich gewütet, es sehe aus wie auf einem Schlachtfeld. Zu allem Hohn stehe in nur 200 Meter in Entfernung das Schild „Naturschutzgebiet“. Und er meinte, dass sich die Politiker nicht wundern müssten, wenn die Grünen immer größeren Zulauf hätten.
Als nun der erste große Schnee weg war, machte sich die MZ mit auf den Weg, um sich ein Bild zu machen. Tatsächlich ist das geschlagene Holz schön aufgeschichtet und es sieht für den Laien eigentlich nicht krank aus. Und der erste Eindruck ist durchaus so, wie der MZLeser es empfindet: Die Natur scheint durch den Kahlschlag verwundet.
Bürgermeister Christian Kähler verwies auf Anfrage, dass die Ge- meinde die Waldbewirtschaftung an die Forstbetriebsgemeinschaft Mindelheim abgegeben habe. Er wisse aber, dass die jetzt gefällten Bäume „am Limit“waren und die Abholzung daher gerechtfertigt gewesen sei.
Raymund Ball von der Forstbetriebsgemeinschaft Mindelheim antwortete auf die entsprechende Anfrage der MZ. Ball wertete es als grundsätzlich positiv, wenn Bürger sich für den Wald und dessen Erhaltung einsetzten. Dies sei bei den Waldbesitzern auch der Fall. „Aus dem Grund wurden kurz nach dem Jahreswechsel in unserem Walddistrikt „Wasen“die letzten wenigen Fichten, die vom Borkenkäfer befallen waren, und auch die Reihe Altpappeln geerntet,“erläutert Ball.
Letztere seien zum Teil an ihrer Altersgrenze gekommen, was man an der Fäule einzelner Erdstammstücke sehe.
Bepflanzt werde die Fläche im Frühjahr oder spätestens im Herbst mit heimischen Laubbaumarten wie Berg- und Spitzahorn, Kirsche und Weide am Waldrand. Im Anschluss sei vor zwei Jahren die angrenzende Fläche mit Ulmen bepflanzt worden.
Ball verwies auch darauf, dass für die Waldwirtschaft klaren Regeln gelten. Die deutschen Waldgesetze verlangten von jedem Waldbesitzer grundsätzlich einen Walderhalt und strebten eine Waldvermehrung an, was in Deutschland seit Jahrzehnten gelinge.
Zusätzlich folgten die Waldbesitzer Deutschlands auch fast ausnahmslos
„Der Anblick hat mir bis in die Seele leidgetan.“Paul Antemia aus Irsingen war entsetzt, als er den Kahlschlag entdeckte
„Für die Waldwirtschaft gelten klare Regeln.“Raymund Ball von der Forstbetriebsgemeinschaft Mindelheim
den Kriterien der beiden Waldzertifizierungssysteme PEFC und FSC, die die Einhaltung einerganzen Reihe ökologischer und sozialer Aspekte bei der Waldbewirtschaftung verlangen. Eine Wiederaufforstung habe zum Beispiel innerhalb von drei Jahren nach einer Nutzung mit Freiflächencharakter zu erfolgen.
Die Holznutzung zur Bau-, Möbelund Brennholzgewinnung gehörten zur Waldwirtschaft genauso wie der Erhalt der ökologischen und ästhetischen Funktionen des Waldes.