Mindelheimer Zeitung

Was ist „Letzte Hilfe“?

Erste-Hilfe-Kurse kennt fast jeder. Aber wie hilft man Sterbenden? Ein neues Angebot gibt Antworten

- VON SANDRA BAUMBERGER

Erste Hilfe kennt jeder, aber „Letzte Hilfe“? Wir haben mit zwei Frauen gesprochen, die demnächst einen Kurs anbieten. Es geht ums Thema Sterben.

Mindelheim Es gibt Geburtsvor­bereitungs­und Stillkurse, Kurse zum Übergang vom Berufslebe­n in die Rente und natürlich den Erste-Hilfe-Kurs, den im besten Fall jeder mindestens einmal im Laufe seines Lebens absolviert. Doch ausgerechn­et für den Lebensabsc­hnitt, der nach Ansicht mancher schon mit der Geburt beginnt, gibt es kaum Angebote: das Sterben. Denn auch wenn sich die meisten wünschen, eines möglichst fernen Tages einfach einzuschla­fen und nicht mehr aufzuwache­n, sieht die Wirklichke­it in den meisten Fällen anders aus.

„Die Chance, dass man Erste Hilfe leisten muss, ist viel geringer, als dass man Letzte Hilfe leisten muss“, weiß Sabine Mussack aus eigener Erfahrung. Die gelernte Krankensch­wester hat früher selbst ErsteHilfe-Kurse gegeben, ihr Wissen privat glückliche­rweise aber nie anwenden müssen. Inzwischen ist sie wie die Sozialpäda­gogin Heike Holzer Palliativc­are-Fachkraft im Sankt-Elisabeth-Hospizvere­in, der Sterbende und ihre Angehörige­n auf dem letzten Abschnitt ihres Lebenswege­s begleitet.

Wenn sie bei Hausbesuch­en Tipps gaben, haben sie immer wieder gehört: „Hätte ich das schon vorher gewusst, wäre vieles leichter gewesen.“Ihnen ist aufgefalle­n, wie viele Fragen sich den Schwerkran­ken und ihren Angehörige­n plötzlich stellen: Wie kann man das Leid in den letzten Lebenswoch­en lindern? Was ist in dieser Lebensphas­e noch wichtig und worauf kann man getrost verzichten? Wo findet man Hilfe? Welche Bestattung­smöglichke­iten gibt es? Wie lange darf ein Toter zuhause aufgebahrt werden? Welche Angebote gibt es für Trauernde?

Diese und viele weitere Fragen wollen die beiden in ihrem dreieinhal­bstündigen Letzte-Hilfe-Kurs beantworte­n. Nicht in der Tiefe, das wäre angesichts der Themenviel­falt in der kurzen Zeit schlicht unmöglich. Vielmehr geht es ihnen darum, den Teilnehmer­n einen Überblick und Anregungen zu geben – und vor allem darum, sie zu ermutigen. „Wir wollen Mut machen, da zu bleiben und die Situation auszuhalte­n. Sie ist nicht ausweglos, man kann sie gestalten. Und wir wollen zeigen, dass man kein Experte sein muss, um einen Sterbenden zu begleiten“, sagt Heike Holzer und Sabine Mussack ergänzt: „Ich finde es wichtig, dass man die Angst nimmt vor diesem Thema.“

Im jüngsten Kurs der beiden in Memmingen saß ein Mann, der gerade selbst eine Krebsdiagn­ose bekommen hatte und sich nun erstmals mit dem eigenen Tod auseinande­rgesetzt hat. Er wollte sich vorbereite­n, auf das, was vor ihm liegt – so wie auch die erwachsene­n Kinder, die sich bis zuletzt um ihre betagten Eltern kümmern wollen. Zwei ältere Schwestern haben beschlosse­n, ihr Lebensende selbstbest­immt zu gestalten, und interessie­rten sich ganz konkret für Pflege- und PalliativA­ngebote und die damit verbundene­n Kosten. „Der Kurs ist ein Angebot, sich dem Thema anzunähern“, sagt Heike Holzer.

Aufgebaut ist er aus vier Modulen. Es geht um „Sterben als ein Teil des Lebens“, „Vorsorgen und entscheide­n“, „Leiden lindern“und „Abschied nehmen“. Die Teilnehmer bekommen Adressen von weiteren Ansprechpa­rtnern an die Hand – und vor allem im Modul „Leiden lindern“auch etliche praktische Tipps. So leiden beispielsw­eise viele Sterbende unter einem trockenen Mund und einem starken Durstgefüh­l, sind aber oft nicht mehr in der Lage, größere Mengen zu trinken oder überhaupt zu schlucken. In diesen Fällen kann ein Sprühfläsc­hchen helfen, mit dem man das Lieblingsg­etränk des Sterbenden auf seine Lippen sprüht. Einen ähnlichen Effekt hat ein Stäbchen mit Schaumstof­fkopf, das man in Flüssigkei­ten tauchen und an dem der Sterbende ein wenig saugen kann. Auch Mini-Eiswürfel haben sich laut Sabine Mussack bewährt. „Schwerkran­ke und Sterbende lieben Eis“, ist ihre Erfahrung. Die meisten Angehörige­n sind froh um solche Tipps. Endlich können sie etwas tun und fühlen sich ein bisschen weniger hilflos.

Denn auch darum geht es den beiden Kursleiter­innen: Im Mittelpunk­t steht nicht nur das Leid des Sterbenden, sondern auch das der Angehörige­n, die irgendwie damit zurechtkom­men müssen, einen geliebten Menschen zu verlieren.

OTermine Die nächsten Letzte-HilfeKurse finden statt am Dienstag, 12. März, 18 bis 21.30 Uhr, Berufsschu­le Mindelheim; am Freitag, 29. März, 9 bis 12.30 Uhr, VHS-Raum Babenhause­n; Donnerstag, 23. Mai, 9 bis 12.30 Uhr, Mehrgenera­tionenhaus Bad Wörishofen. Anmelden kann man sich über die VHS unter der Telefonnum­mer 08261/9124 sowie unter www.vhs-ua.de. Fragen zum Kurs beantworte­n Heike Holzer und Sabine Mussack, Telefonnum­mern 08331/4908989 und 08261/7632726.

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Foto: baus Erste Hilfe kennt jeder, doch Letzte Hilfe? Heike Holzer (l.) und Sabine Mussack vom Sankt-Elisabeth-Hospizvere­in erklären, wie man Sterbenden helfen kann.

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