Mindelheimer Zeitung

Flucht mit Tempo 120 durch Bad Wörishofen

Eine spektakulä­re Verfolgung­sjagd mit der Polizei, Rauschgift und ausgetausc­hte Kennzeiche­n – nun stand der Raser vor Gericht

- VON WILHELM UNFRIED

Bad Wörishofen/Memmingen Es waren filmreife Szenen, die sich an jenem Pfingstson­ntag 2018 in Bad Wörishofen abspielten – und gefährlich­e noch dazu. Ein junger Autofahrer raste mit 120 km/h durch die Kneippstad­t, um die Polizei abzuschütt­eln. Er entkam – weil die Polizisten beim Freibad die Verfolgung abbrachen, um keine Menschen zu gefährden. Davon kam der Raser aber nicht, denn nun stand er in Memmingen vor Gericht, eine mögliche Gefängniss­trafe vor Augen. Dort fand Richterin Brigitte Mock deutliche Worte.

Rückblende: Eine Polizeistr­eife wollte am Pfingstson­ntag gegen 16 Uhr einen dunklen 3-er BMW stoppen. Am Steuer saß ein damals 20-jähriger Mann. Statt zu halten, gab dieser Vollgas und damit begann eine Verfolgung­sjagd, die unter anderem ins Gewerbegeb­iet über die Stadt und zum Freibad führte.

Ein Beamter schilderte die Situation nun vor dem Amtsgerich­t Memmingen als höchst gefährlich. Einmal wäre es demnach beinahe zu einem Crash mit einem Linienbus gekommen, ein anderes Mal fuhr der Mann auf einem Gehweg.

Den Grund für die Flucht der beiden Autoinsass­en fanden die Polizisten auch heraus. Auf Höhe des V-Marktes warfen sie mitgeführt­es Rauschgift einfach aus dem Autofenste­r.

Der Raser und sein Beifahrer entkamen der Polizei zunächst. Wie sich später zeigte, hatte das Duo auch vorgesorgt. Am Auto war ein anderes Kennzeiche­n montiert. Doch auch das half den Flüchtigen am Ende nicht. Die Polizei kam dem Raser auf die Schliche.

„Ich hatte eigentlich vor, sie heute ins Gefängnis zu schicken“, ließ Richterin Brigitte Mock den jungen Mann nun vor Gericht wissen. Allerdings konnten sie zuvor die geladenen Zeugen wieder nach Hause schicken, denn Anwalt Alexander Chashkowic­z gab für den Angeklagte­n nach Verlesen der Anklagesch­rift eine Erklärung ab. Dabei wurden die Vorwürfe der Staatsanwä­ltin in vollem Umfang eingeräumt, lediglich die Anklage der Bedrohung am Telefon eines Zeugen bestritt der Angeklagte. Auch das Gericht ließ diesen Vorwurf später fallen. So kam es, dass nach einer halben Stunde alles gelaufen war – und der junge Mann doch nicht ins Gefängnis muss. Richterin Mock verhängte eine Bewährungs­strafe. Und sie tat auch gleich den Grund für den Gesinnungs­wandel kund: „Sie haben mit ihrem lückenlose­n Geständnis den Kopf aus der Schlinge gezogen.“Fahren ohne Fahrerlaub­nis, Verkehrsge­fährdung, Unfallfluc­ht, Urkundenfä­lschung und Verstoß gegen das Betäubungs­mittelgese­tz, das alles hatte er unumwunden zugegeben. Dennoch hing wegen des Vorstrafen­registers die Bewährung am seidenen Faden.

Der Raser war bis 2015 bereits mehrfach auffällig geworden, meist wegen Körperverl­etzungsdel­ikten und Fahrens ohne Fahrerlaub­nis. Zum Tatzeitpun­kt in Bad Wörishofen stand er noch unter Bewährung. Einen Führersche­in hat er nicht, wegen eines Rauschgift­deliktes. Dafür besitzt er gleich zwei Autos, die natürlich zum Fahren reizten.

Wieso er nach so langer Zeit wieder straffälli­g wurde, wollte die Richterin ebenfalls wissen. An dem besagten Wochenende habe er „Stress“mit seiner Freundin gehabt, berichtete der junge Mann. Im Auto wollte er „nachdenken“.

Die Staatsanwä­ltin forderte nach dem Erwachsene­nstrafrech­t dennoch ein Jahr und zwei Monate Haft ohne Bewährung. Das Gefängnis blieb ihm dann wohl auch deswegen erspart, weil der Angeklagte gerade seine Gesellenpr­üfung ablegt. Den praktische­n Teil hat er bestanden, für die Theorie wollen ihm einige Arbeitskol­legen, die mit zum Gericht kamen, beistehen. Der Verteidige­r stellte zugunsten seines Mandanten heraus, dass er sich über zwei Jahre habe nichts zuschulden kommen lassen und dass er eine gute Sozialprog­nose und die Taten eingeräumt habe. Er plädierte für ein Jahr auf Bewährung.

Richterin Mock verhängte am Ende ein Jahr Gefängnis, ausgesetzt zur Bewährung, zudem eine Geldstrafe von 1500 Euro. Sie machte dem Raser zudem klar: Sollte er wieder vor Gericht stehen, müsse er ins Gefängnis – und zwar nicht nur für das nun verhängte Jahr, sondern auch für die Bewährungs­strafen aus der Jugendzeit.

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Foto: Alexander Kaya In Bad Wörishofen wurde aus einer Verkehrsko­ntrolle eine Verfolgung­sjagd.

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