Flucht mit Tempo 120 durch Bad Wörishofen
Eine spektakuläre Verfolgungsjagd mit der Polizei, Rauschgift und ausgetauschte Kennzeichen – nun stand der Raser vor Gericht
Bad Wörishofen/Memmingen Es waren filmreife Szenen, die sich an jenem Pfingstsonntag 2018 in Bad Wörishofen abspielten – und gefährliche noch dazu. Ein junger Autofahrer raste mit 120 km/h durch die Kneippstadt, um die Polizei abzuschütteln. Er entkam – weil die Polizisten beim Freibad die Verfolgung abbrachen, um keine Menschen zu gefährden. Davon kam der Raser aber nicht, denn nun stand er in Memmingen vor Gericht, eine mögliche Gefängnisstrafe vor Augen. Dort fand Richterin Brigitte Mock deutliche Worte.
Rückblende: Eine Polizeistreife wollte am Pfingstsonntag gegen 16 Uhr einen dunklen 3-er BMW stoppen. Am Steuer saß ein damals 20-jähriger Mann. Statt zu halten, gab dieser Vollgas und damit begann eine Verfolgungsjagd, die unter anderem ins Gewerbegebiet über die Stadt und zum Freibad führte.
Ein Beamter schilderte die Situation nun vor dem Amtsgericht Memmingen als höchst gefährlich. Einmal wäre es demnach beinahe zu einem Crash mit einem Linienbus gekommen, ein anderes Mal fuhr der Mann auf einem Gehweg.
Den Grund für die Flucht der beiden Autoinsassen fanden die Polizisten auch heraus. Auf Höhe des V-Marktes warfen sie mitgeführtes Rauschgift einfach aus dem Autofenster.
Der Raser und sein Beifahrer entkamen der Polizei zunächst. Wie sich später zeigte, hatte das Duo auch vorgesorgt. Am Auto war ein anderes Kennzeichen montiert. Doch auch das half den Flüchtigen am Ende nicht. Die Polizei kam dem Raser auf die Schliche.
„Ich hatte eigentlich vor, sie heute ins Gefängnis zu schicken“, ließ Richterin Brigitte Mock den jungen Mann nun vor Gericht wissen. Allerdings konnten sie zuvor die geladenen Zeugen wieder nach Hause schicken, denn Anwalt Alexander Chashkowicz gab für den Angeklagten nach Verlesen der Anklageschrift eine Erklärung ab. Dabei wurden die Vorwürfe der Staatsanwältin in vollem Umfang eingeräumt, lediglich die Anklage der Bedrohung am Telefon eines Zeugen bestritt der Angeklagte. Auch das Gericht ließ diesen Vorwurf später fallen. So kam es, dass nach einer halben Stunde alles gelaufen war – und der junge Mann doch nicht ins Gefängnis muss. Richterin Mock verhängte eine Bewährungsstrafe. Und sie tat auch gleich den Grund für den Gesinnungswandel kund: „Sie haben mit ihrem lückenlosen Geständnis den Kopf aus der Schlinge gezogen.“Fahren ohne Fahrerlaubnis, Verkehrsgefährdung, Unfallflucht, Urkundenfälschung und Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz, das alles hatte er unumwunden zugegeben. Dennoch hing wegen des Vorstrafenregisters die Bewährung am seidenen Faden.
Der Raser war bis 2015 bereits mehrfach auffällig geworden, meist wegen Körperverletzungsdelikten und Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Zum Tatzeitpunkt in Bad Wörishofen stand er noch unter Bewährung. Einen Führerschein hat er nicht, wegen eines Rauschgiftdeliktes. Dafür besitzt er gleich zwei Autos, die natürlich zum Fahren reizten.
Wieso er nach so langer Zeit wieder straffällig wurde, wollte die Richterin ebenfalls wissen. An dem besagten Wochenende habe er „Stress“mit seiner Freundin gehabt, berichtete der junge Mann. Im Auto wollte er „nachdenken“.
Die Staatsanwältin forderte nach dem Erwachsenenstrafrecht dennoch ein Jahr und zwei Monate Haft ohne Bewährung. Das Gefängnis blieb ihm dann wohl auch deswegen erspart, weil der Angeklagte gerade seine Gesellenprüfung ablegt. Den praktischen Teil hat er bestanden, für die Theorie wollen ihm einige Arbeitskollegen, die mit zum Gericht kamen, beistehen. Der Verteidiger stellte zugunsten seines Mandanten heraus, dass er sich über zwei Jahre habe nichts zuschulden kommen lassen und dass er eine gute Sozialprognose und die Taten eingeräumt habe. Er plädierte für ein Jahr auf Bewährung.
Richterin Mock verhängte am Ende ein Jahr Gefängnis, ausgesetzt zur Bewährung, zudem eine Geldstrafe von 1500 Euro. Sie machte dem Raser zudem klar: Sollte er wieder vor Gericht stehen, müsse er ins Gefängnis – und zwar nicht nur für das nun verhängte Jahr, sondern auch für die Bewährungsstrafen aus der Jugendzeit.