Deutschland droht ein zweites Mobilfunk-Desaster
Bei der Versteigerung der 5G-Frequenzen dürfen sich die Fehler aus der UMTS-Zeit nicht wiederholen. Sonst wird es wieder nichts mit dem schnellen Ausbau
An diesem Dienstag wird es spannend am Mainzer Standort der Bundesnetzagentur: Dort beginnt um 10 Uhr die Versteigerung der Frequenzblöcke, die für den superschnellen Mobilfunkstandard 5G genutzt werden sollen. Das weckt Erinnerungen an die vielleicht spektakulärste Auktion in der Wirtschaftsgeschichte Deutschlands. Im Jahr 2000 kamen die Frequenzen für UMTS (von 4G sprach man damals selten) unter den Hammer. Sage und schreibe 100 Milliarden D-Mark spülte die Vergabe der UMTSLizenzen in die Staatskasse. Dass sich diese Geschichte wiederholt, gilt als unwahrscheinlich. Und es ist auch nicht erstrebenswert, für keinen der Beteiligten. Noch einmal werden sich die Mobilfunker nicht übernehmen wollen mit Investitionen in eine Technologie, die sich am Ende kaum rechnet. Die immensen Ausgaben für die Lizenzen bringen nicht nur die Anbieter in wirtschaftliche Nöte. Sie verhindern zudem, dass das Geld dahin fließen kann, wo es am dringendsten gebraucht wird: in den Ausbau der Netze. Das kann nicht im Sinne des Staates sein; und sei die Kasse noch so voll. Deutschland belegt, was die digitale Infrastruktur betrifft, im Nationenvergleich schließlich nur einen peinlichen hinteren Platz. Somit wird auch der Verbraucher zum Verlierer. Der Netzausbau gerade in ländlichen Regionen dauert gefühlt eine Ewigkeit. Auf die „Killer-Applikation“, jene viel zitierte Anwendung, die alles zum Besseren verändern sollte, warten Smartphone-Nutzer bis heute. Die Hoffnung auf günstigere Tarife hat sich ebenfalls nicht erfüllt. In Österreich etwa sind die Kosten für einen Handyvertrag niedriger. Von 4G lernen heißt also: aus Fehlern lernen. Leider sieht es danach im Moment nicht aus. Der Bund hält an einem umstrittenen Vergabeverfahren fest, das die Bieter zwingt, sich auf einen mehr oder weniger unsinnigen Konkurrenzkampf einzulassen. So wird es wohl kommen, wie es kommen muss: Am Ende kauft jeder Bieter sein eigenes Netz und versucht es profitabel zu betreiben. Viele kleine Netze ergeben aber noch lange kein großes, flächendeckendes. Deutschland droht sich also einmal mehr in digitalen Insellösungen zu verlieren. Selbst wenn es den Regulierungsbehörden gelingen sollte, Telekom und Co. zur Zusammenarbeit zu zwingen: Die zahlreichen Klagen – einige sind sogar zu Beginn der Auktion noch anhängig – gegen die Vergaberegeln zeigen, dass die Mobilfunker ihre Netze nur höchst ungern teilen. Für einen raschen Ausbau spricht das nicht. Genau den bräuchte aber der Bund, will er seine Ziele nicht schon wieder reißen. Bis Ende 2022 sollen mindestens 98 Prozent der Haushalte mit 5G-Geschwindigkeit im mobilen Netz unterwegs sein können. Leider hat man derartige Versprechen schon zu oft gehört, um noch daran zu glauben. Ohnehin ist eine Versorgung „bis zur letzten Milchkanne“nicht das Nonplusultra. 5G ist in erster Linie ein Thema für die Industrie, etwa um in der Produktion Maschinen und Roboter zu vernetzen. Dafür reicht es, ein 5G-Netz nur über dem Firmenstandort aufzuspannen. Ein solches „Campus“-Netz entsteht derzeit in unserer Region, das erste seiner Art, bei Osram in Schwabmünchen. Solche punktuellen Lösungen sind intelligent, der zähe Bieterkampf um die Fläche ist es nicht. Erfolgversprechender wäre es, der Staat nähme die Netze selbst in die Hand: Er sollte die eine Infrastruktur schaffen, auf der Anbieter dann beliebig konkurrieren können. Deutschland muss endlich begreifen, dass Daten im Jahr 2019 genauso zur Grundversorgung gehören wie Strom und Wasser.
Der Staat muss die Netze selbst in die Hand nehmen