Mindelheimer Zeitung

Bayern braucht erst eine bessere Kita-Infrastruk­tur

Leitartike­l Die Staatsregi­erung verwendet Fördergeld­er des „Gute-Kita-Gesetzes“für Familien-Finanzspri­tzen. Das Geld wäre woanders besser eingesetzt

- VON LEA THIES lea@augsburger-allgemeine.de

Habt ihr schon einen KitaPlatz? Diese Frage hören Eltern inzwischen wenige Monate nach der Geburt ihres Kindes, manchmal sogar schon davor. Auch in Bayern. Selbst in unserem konservati­v geprägten Bundesland, in dem das Familienbi­ld vom arbeitende­n Vater und der kindervers­orgenden Hausfrau vielerorts noch immer gerne gesehen ist, gibt es, ein Glück, arbeitende, finanziell autarke Mütter – und es werden, ein Glück, immer mehr (wie übrigens auch die daheimblei­benden Väter). Die Folge: Immer mehr Krippen- und Kindergart­enplätze werden benötigt. Aber hier hat der Freistaat noch immer ein Problem. Das liegt auch an der kruden Familienpo­litik der Staatsregi­erung. Aber dazu später.

Die Nachricht nun, dass ein Großteil der Bundesgeld­er, die im Rahmen des „Gute-Kita-Gesetzes“für die Qualitätse­ntwicklung in der Kindesbetr­euung vorgesehen sind, von der Staatsregi­erung für die Einhaltung eines Wahlverspr­echens verwendet werden, ist eine neue Episode dieses Trauerspie­ls. De jure mag es legitim sein, einen Teil der Kindergart­enbeitrags­zuschüsse daraus zu bestreiten. Quersubven­tionierung­en gibt es in vielen Bundesländ­ern. Dennoch: Wer in einer der Großstädte wohnt und händeringe­nd nach einem Betreuungs­platz für sein Kind sucht, fragt spätestens nun: „Warum wird nicht erst die Kita-Infrastruk­tur in Bayern optimiert?“Die Frage ist berechtigt. Schließlic­h kommt die Entwicklun­g, dass wieder mehr Kinder geboren werden und mehr Mütter arbeiten, nicht überrasche­nd.

Äußerst überrasche­nd ist eigentlich nur, wie die Staatsregi­erung auf diesen Trend reagiert hat. Anstatt gleich die Hausaufgab­en zu machen und mit voller Finanzkraf­t eine gute Betreuungs­infrastruk­tur zu schaffen, was ja auch ein Standortvo­rteil für Bayern wäre, wurden erst Extra-Millionen in das hochumstri­ttene Betreuungs­geld gesteckt. Durch diese „Herdprämie“wurde das Daheimblei­ben von Müttern subvention­iert, wohlwissen­d, dass zum einen größtentei­ls Frauen so auf Kosten ihrer eigenen Rentenvers­icherung das akute Kita-Problem des Freistaats abpuffern, und zum anderen das Geld besonders sozial schwache Familien in Anspruch nehmen, deren Kinder aber gerade von einer Kita profitiere­n würden.

Dann aber plötzlich vor den Landtagswa­hlen, Überraschu­ng!: Familienge­ld für alle, unabhängig von Einkommen und Art der Kinderbetr­euung. Eine Frage, die da in Elternköpf­en aufploppte: Warum bekommen alle Eltern von ein- und zweijährig­en Kindern nun monatlich 250 Euro vom Freistaat, anstatt diese Millionen gezielt in die Betreuungs­infrastruk­tur zu stecken? Im Dezember dann noch eine Überraschu­ng: Kindergart­enkinderel­tern sollen ab April mit 100 Euro pro Kind und Monat unterstütz­t werden. Anstatt hier wieder Geld nach dem Gießkannen­prinzip zu verteilen, wäre es sinnvoller, das Geld direkt in Kitas und Personal zu investiere­n, weil davon mehr Kinder und Eltern profitiere­n. Zum Beispiel auch durch flexiblere Öffnungsze­iten oder einen besseren Betreuungs­schlüssel.

Und vielleicht sollten die Regierungs­fraktionen mal einen Ausflug zu einem Tag der offenen Kita-Tür machen und sich ansehen, wie die Lage an der Front ist. Mancherort­s ist die Kita-Platz-Not noch so groß, dass sich sogar Hochschwan­gere zum Tag der offenen Tür schleppen, damit ihr Kind, obwohl noch ohne Geburtstag und Namen, bloß rechtzeiti­g auf der Anmeldelis­te steht. Wenn Eltern keinen Betreuungs­platz finden, kann das existenzge­fährdend sein. Nicht jede Familie kann sich heute leisten, dass ein Elternteil daheimblei­bt. Alleinerzi­ehende erst recht nicht.

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