Hold beklagt Entfremdung zwischen Politik und Wählern
Wahlen Der frühere Fernsehrichter und Landtags-Vize gibt in Bad Wörishofen Tipps gegen Politikverdrossenheit
Bad Wörishofen „Kann Politik noch gestalten?“Dieser Frage ging Fernsehrichter Alexander Hold in Bad Wörishofen nach. Hold ist mittlerweile Vizepräsident des bayerischen Landtages und schwäbisches Aushängeschild der Freien Wähler. Im Sebastianeum beklagte er eine Entfremdung zwischen Wählern und der politischen Klasse. Während die Bürger den Politikern misstrauten („die machen eh was sie wollen“) resignierten diese, weil sich heute so ziemlich gegen alles Widerstand rege. Langfristiges Handeln mit Erfolgskontrolle sei fast nicht mehr möglich.
Gut gefüllt war der Vortragsraum im Sebastianeum, als Hold versuchte, eine Antwort auf die Politikverdrossenheit zu finden. Obwohl es Deutschland so gut wie noch nie gehe, herrsche Unzufriedenheit. Die Bürger wollten schnelle Entscheidungen, aber bei der Entscheidungsfindung beteiligt sein und alles solle berücksichtigt werden. Falle dann eine Entscheidung, dann seien die Bürger oft der Meinung, die da oben würden sowieso machen was sie wollen. Er habe in der Kommunalpolitik oft genug feststellen müssen, dass Entscheidungen auch vom Grad der Betroffenheit abhängen.
Überhaupt sei die Bereitschaft, sich für die Allgemeinheit zu engagieren, eigentlich nur noch bei Betroffenheit vorhanden, so Hold. Doch ein Gemeinwesen könne so nicht existieren. Hinzu komme eine von Medien befeuerte Emotionalisierung. Bürger legten sich fest, ohne auf die Fakten zu hören. Als Beispiel nannte er ein Erlebnis in Dresden, wo ihm eine Frau im Gespräch gesagt habe, dass in Dresden überall Minarette in die Höhe wachsen. Hold hatte geantwortet, nach seinen Informationen gebe es in Dresden keine einzige Moschee. Darauf habe die Frau ihm geantwortet, „sie sehe das anders“.
Hold empfahl seinen Kollegen einen geradlinigen Weg. Man müsse wieder langfristig planen. Ein Beispiel nannte er die Harz-Gesetze, die Kanzler Schröder einst die Abwahl brachten, Deutschland aber wieder auf den Weg und zu wirtschaftlichen Erfolg gebracht hätten. Man dürfe eben nicht nur die nächste Wahl im Auge haben.
Paul Gruschka, Bürgermeister und Vorsitzender der Freien Wähler Bad Wörishofen, sagte seinem Gast, er habe sich immer von der Überlegung leiten lassen, „wie würde der Bürger entscheiden?“. Gruschka sprach die Hoffnung aus, dass das Sebastianeum als letztes Haus der Stiftungen von Pfarrer Kneipp eine gute Zukunft habe.