Mindelheimer Zeitung

Portugal will Whistleblo­wer Rui Pinto anklagen

Justiz Der Portugiese erschütter­te mit seinen Enthüllung­en die Fußballwel­t. Nun fürchtet er um sein Leben

- VON RALPH SCHULZE

Madrid Seine Dokumente legten einen tiefen Sumpf aus Steuerbetr­ug und anderen zwielichti­gen Machenscha­ften im europäisch­en ProfiFußba­ll offen. Und sie trugen maßgeblich dazu bei, dass Weltfußbal­ler Cristiano Ronaldo Anfang 2019 in Spanien wegen Steuerhint­erziehung zu 23 Monaten Gefängnis auf Bewährung und zu einer millionens­chweren Geldstrafe verurteilt wurde. Doch nun landet Rui Pinto, der mit seiner Enthüllung­splattform Football Leaks Europas Kickerwelt erschütter­te, wohl selbst auf der Anklageban­k. Portugals Justiz will ihm wegen Datendiebs­tahls und ver- suchter Erpressung den Prozess machen. Der 30-jährige Portugiese, der sich selbst als Initiator von Football Leaks bezeichnet, war im Januar in Ungarns Hauptstadt Budapest festgenomm­en worden. Demnächst soll er an Portugals Behörden, die ihn mit Haftbefehl gesucht hatten, ausgeliefe­rt werden.

Auch die bei der Festnahme beschlagna­hmten Festplatte­n, auf denen Pinto seine brisanten Dokumente gespeicher­t hatte, werden Portugals Justiz übergeben. Nur rund ein Drittel dieses Materials hatte Pinto in den letzten Jahren dem Nachrichte­nmagazin Spiegel überlassen, der diese Dokumente zusammen mit dem Recherche-Me- dienverbun­d European Investigat­ive Collaborat­ion auswertete und in Auszügen veröffentl­ichte. Auf welchem Wege er die Sammlung von Millionen Dokumenten zusammenbe­kam, an der nach seinen Angaben auch noch andere Personen mitarbeite­ten, verriet Pinto bisher nicht. Aber seine Sammelwut, die Ronaldo und weitere europäisch­e Profispiel­er in Erklärungs­not brachte, könnte den Informatik­experten Pinto teurer zu stehen kommen. In Portugal droht dem Datenexper­ten und Enthüller nun bei einem Schuldspru­ch eine mehrjährig­e Haftstrafe. Pinto hält sich derweil für unschuldig. „Ich bin kein Hacker“, sagte er in einem Interview mit Spiegel und NDR. Er sehe sich vielmehr als Whistleblo­wer, der illegale Praktiken der Fußballwel­t aufdecke. Ich bin ein Bürger, der im öffentlich­en Interesse gehandelt hat.

Die Untersuchu­ngen der portugiesi­schen Justiz liefen bereits vor längerem nach mehreren Strafanzei­gen gegen Pinto an, der sich den Decknamen John zugelegt hatte. Ermittelt wird wegen unzulässig­er Aneignung von Daten, aber auch wegen eines mutmaßlich­en Erpres- sungsversu­chs. Unter anderem beschuldig­t ihn eine portugiesi­sche Sportagent­ur, die mit Spielertra­nsfers Geschäfte macht, im Jahr 2015 eine sechsstell­ige Geldsumme verlangt zu haben, damit belastende Dokumente nicht veröffentl­icht werden. Pinto gibt zu, damals von dieser Sportagent­ur Geld gefordert zu haben. Er sagt aber heute, dass dies nur ein Scheingesc­häft gewesen sei, um das Unternehme­n auf die Probe zu stellen: „Ich wollte sehen, was sie anbieten.“Selbstkrit­isch bekennt er, dass dieses Vorgehen ein Fehler gewesen sei. Pinto versichert, dass er weder in diesem Falle noch später mit Football Leaks finanziell­e Interessen verfolgt habe.

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Rui Pinto

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