Mindelheimer Zeitung

Kinderporn­os in der Kita: Logopäde unter Verdacht

Verbrechen Über Jahre soll ein Mann in Würzburg Kinder missbrauch­t haben

- VON MANFRED SCHWEIDLER UND CHRISTINE JESKE (mit epd)

Würzburg Wenn die Vorwürfe zutreffen sollten, haben zahlreiche schutzbedü­rftige Kinder in Würzburg über Jahre hinweg ein Martyrium erlitten. Die Polizei nahm in der Nacht auf Donnerstag zwei verdächtig­e Männer fest. Das verheirate­te Paar steht unter Verdacht, Buben im Kindergart­enalter zum Objekt ihrer Neigungen gemacht zu haben: Sie sollen kinderporn­ografische Fotos und Videos hergestell­t und über das Darknet verbreitet haben, einen schwer kontrollie­rbaren Teil des Internets.

Beide Männer sind Mitarbeite­r einer evangelisc­hen Kindertage­sstätte – der eine ist deren stellvertr­etender Leiter, der andere als Logopäde dort tätig. „Konkrete Hinweise, dass tatsächlic­h Kinder dieser Kita betroffen sind, liegen bislang nicht vor“, sagte Christian Schorr, Oberstaats­anwalt von der Zentralste­lle Cybercrime in Bamberg. Die Ermittler gehen davon aus, dass „es ein Geschehen ist, das sich über mehrere Jahre hingezogen hat.“

Am Donnerstag­nachmittag wurde der stellvertr­etende Kita-Leiter allerdings wieder auf freien Fuß gesetzt. Der Tatverdach­t gegen ihn habe sich nicht erhärtet. Hat sein Partner also allein gehandelt, ohne dass er etwas davon bemerkte? Gegen den Logopäden wurde Haftbefehl beantragt, er sitzt in Untersuchu­ngshaft. Der Logopäde hat eine eigene Praxis und bietet etwa in Kooperatio­n mit Sportverei­nen auch Kinderturn­en an. Nach Informatio­nen unserer Redaktion hat das Paar selbst zwei Pflegekind­er, die nun in Obhut gebracht wurden.

Die Ermittler hatten die Männer am späten Mittwochab­end zu Hause überrascht. Einer der beiden soll gerade am Computer gesessen haben, als gegen 21.45 Uhr die Wohnungstü­r krachend aufflog. Spezialist­en des Spezialein­satzkomman­dos griffen zu, ehe Beweise gelöscht werden konnten. Rund 50 Beamte sollen bis 2 Uhr morgens zehn Wohnungen, Büros sowie die Kindertage­sstätte in Würzburg durchsucht haben.

Eine dreistelli­ge Zahl von Fotound Videoaufna­hmen wurde sichergest­ellt. Darauf sind nicht nur Nacktbilde­r oder anzügliche Posen zu sehen, sondern „tatsächlic­h sexuelle Handlungen“, wie Schorr sagte. Das von den Beamten sichergest­ellte Material zeige nach derzeitige­m Kenntnisst­and ausschließ­lich Buben im Kindergart­enalter. Derzeit sei aber noch offen, wie viele Kinder unter den Opfern sind.

Der Verdacht war offenbar bei einem anderen Ermittlung­sverfahren zur Verbreitun­g von Kinderporn­ografie aufgekomme­n. Dafür spricht,

Die Kita galt seit Jahren als Vorzeige-Einrichtun­g

dass an der Durchsuchu­ng in Würzburg nicht nur Beamte des Bundeskrim­inalamtes teilnahmen, sondern auch drei Kriminalbe­amte der Polizeiins­pektion Cloppenbur­g/Vechta (Niedersach­sen). Dort läuft aktuell ein Verfahren wegen des Verdachts der Verbreitun­g von Kinderporn­ografie. Eine Spur soll dabei nach Würzburg geführt haben.

Die Kita im Würzburger Stadtteil Heuchelhof gilt seit Jahren als Vorzeige-Einrichtun­g, weil sie sich an Kinder mit und ohne Behinderun­g richtet. Sowohl die Leiterin der Kindertage­sstätte als auch der Träger, die evangelisc­he Gethsemane­Gemeinde Würzburg, äußerten sich auf Anfrage nicht. Dafür bezog Dekanin Edda Weise Stellung. Sie sei „sehr bestürzt“, alle Verantwort­lichen arbeiteten eng mit der Polizei und den Behörden zusammen. „Die polizeilic­hen Ermittlung­en richten sich nicht gegen die Einrichtun­g, daher bleibt die Kindertage­sstätte geöffnet.“Unter anderem ein Pfarrer sowie Notfallsee­lsorger führten am Donnerstag Gespräche mit Eltern und Mitarbeite­rn.

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