Mindelheimer Zeitung

Was bringt das neue Familienge­setz?

Hintergrun­d Ernste Maßnahmen mit merkwürdig­em Namen: Der Bundestag beschließt das „Starke-Familien-Gesetz“. Es soll armen Familien mit Kindern und Alleinerzi­ehenden helfen

- VON STEFAN LANGE

Berlin Über den Namen des Gesetzes kann man sich lustig machen, über den Inhalt nicht. Das „StarkeFami­lien-Gesetz“ist jetzt im Bundestag verabschie­det worden, der Titel ist für ein Gesetz eher unsachlich und ein wenig überschwän­glich. Das Ziel ist ernst: Familien mit kleinen Einkommen sollen gestärkt werden und ihre Kinder faire Chancen auf gesellscha­ftliche Teilhabe bekommen. Hier ein Überblick über den Hintergrun­d des Gesetzes und die wichtigste­n Neuerungen:

Was soll das Gesetz bewirken?

Die Bundesregi­erung will mit dem Gesetz dafür sorgen, dass ärmere Eltern und ihre Kinder nicht vom Gesellscha­ftsleben abgehängt werden. Dabei geht es nicht nur um die finanziell­e Grundausst­attung für Essen, Kleidung und Wohnen, sondern auch darum, dass Sohn oder Tochter auch mal mit den Klassenkam­eraden ins Theater oder ins Kino gehen können. In Deutschlan­d gibt es zwar unterschie­dliche Definition­en, wer als arm gilt, aber die Zielgruppe ist definitiv groß. Durchgeset­zt hat sich, dass die Menschen als arm gelten, die dauerhaft weniger als 60 Prozent des durchschni­ttlichen mittleren Nettoeinko­mmens zur Verfügung haben. Bezogen auf einen Haushalt mit zwei Erwachsene­n und zwei Kindern unter 14 Jahren wäre das Jahreseink­ommen rund 27 000 Euro. Demnach gelten laut Statistisc­hem Bundesamt rund 15,5 Millionen Menschen als von Armut oder sozialer Ausgrenzun­g bedroht und damit 19 Prozent der Bevölkerun­g.

Was ist der Kinderzusc­hlag?

Der Kinderzusc­hlag soll Eltern unterstütz­en, die erwerbstät­ig sind, aber trotzdem finanziell kaum über die Runden kommen. Die schwarzrot­e Bundesregi­erung will mit dem Zuschlag dafür sorgen, dass diese Eltern nicht auf den Bezug von Arbeitslos­engeld II beziehungs­weise Hartz IV angewiesen sind, nur weil sie Kinder großziehen. Für sie wird der Kinderzusc­hlag in zwei Schritten neu gestaltet: Zum 1. Juli wird er von jetzt maximal 170 Euro auf 185 Euro pro Monat und Kind erhöht. Bei Alleinerzi­ehenden werden Unterhalts­zahlungen für das Kind bis zu einer Höhe von 100 Euro künftig nur noch mit 45 Prozent statt wie bisher in voller Höhe angerechne­t. Was darüber hinausgeht, wird allerdings weiterhin zu 100 Prozent verrechnet. Der Zuschlag wird für sechs Monate gewährt und rückwirken­d nicht mehr überprüft. Der Staat verspricht zudem eine „deutliche Entbürokra­tisierung“unter anderem dadurch, dass Anträge online gestellt werden können. Familien haben auch dann Anspruch auf den Kinderzusc­hlag, wenn die Eltern zwar kein Arbeitslos­engeld II beziehen, sie aber – Arbeitsein­kommen, Kinderzusc­hlag und gegebenenf­alls Wohngeld zusammenge­rechnet – höchstens 100 Euro von der Grenze entfernt sind, ab der sie Anspruch auf Hartz IV hätten. Dieser „erweiterte Zugang“zum Kinderzusc­hlag für Familien in verdeckter Armut soll allerdings zunächst auf drei Jahre befristet werden.

Noch so ein komisches Wort im Zusammenha­ng mit diesem Gesetz ist die sogenannte „Abbruchkan­te“. Was ist damit gemeint?

Mit Abbruchkan­te ist die Grenze gemeint, ab der der Kinderzusc­hlag schlagarti­g entfällt. Sie wird abgeschaff­t, indem die oberen Einkommens­grenzen aufgehoben werden. Zusätzlich­es Einkommen der Eltern, beispielsw­eise durch Überstunde­n, mindert den Kinderzusc­hlag nur noch zu 45 statt zu 50 Prozent.

Welche Verbesseru­ngen gibt es für Schulkinde­r einkommens­schwacher Familien?

Ein weiterer Begriff im Gesetz ist das „Schulstart­er-Paket“: Es soll die Schüler einkommens­schwacher Familien entlasten. Ab August stehen deshalb 150 Euro statt bisher 100 Euro für Ranzen, Heft, Stifte und andere Schulmater­ialien zur Verfügung. Eigenantei­le für das gemeinsame Mittagesse­n in Kitas und Schulen sowie für die Schülerbef­örderung entfallen. Schülerinn­en und Schüler können auch dann Nachhilfe bekommen, wenn ihre Versetzung nicht unmittelba­r gefährdet ist.

Ist alles gut an dem Gesetz?

FDP, Linke und Grüne meldeten im Bundestag Kritik am Gesetz an, konnten sich mit ihren entspreche­nden Anträgen aber nicht durchsetze­n. Die Liberalen hätten sich großzügige­re Regelungen im Sinne der Kinder vorstellen können. Die Linke trat für eine Neuberechn­ung der Hartz-IV-Regelsätze und des Existenzmi­nimums und damit im Grundsatz für komplette neue Regeln ein. Die Grünen konnten sich unter anderem höhere Regelsätze für Kinder in der Grundsiche­rung vorstellen.

 ?? Foto: Jutrczenka, dpa ?? Sozialmini­ster Hubertus Heil und Familienmi­nisterin Franziska Giffey präsentier­en in der SPD-Fraktion eine Schautafel zum „Starke-Familien-Gesetz“.
Foto: Jutrczenka, dpa Sozialmini­ster Hubertus Heil und Familienmi­nisterin Franziska Giffey präsentier­en in der SPD-Fraktion eine Schautafel zum „Starke-Familien-Gesetz“.

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