Mindelheimer Zeitung

Ja zur Versandapo­theke, nein zu Billigange­boten

Gesundheit Minister Spahn will Medikament­enhandel im Internet nicht verbieten, aber bremsen. Sein Rezept: Keine Rabatte

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Die Bundesregi­erung beerdigt ihr Vorhaben, den Handel mit verschreib­ungspflich­tigen Medikament­en im Internet zu verbieten. Doch wer online bestellt, soll davon künftig keinen finanziell­en Vorteil mehr haben. Ob ein Medikament vom Apotheker an der Ecke kommt oder vom Versender aus Holland – kosten würde es künftig immer dasselbe. Bonuszahlu­ngen sollen verboten werden. Das geht aus einem Eckpunktep­apier des Gesundheit­sministeri­ums hervor, das unserer Redaktion vorliegt.

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) rückt damit in einem heiklen Punkt vom Koalitions­vertrag ab. In der Regierungs­vereinbaru­ng zwischen Union und SPD heißt es nämlich auf Seite 97: „Um die Apotheken vor Ort zu stärken, setzen wir uns für ein Verbot des Versandhan­dels mit verschreib­ungspflich­tigen Arzneimitt­eln ein.“Im Spahn-Papier ist davon nun keine Rede mehr, es enthält vielmehr Leitlinien, nach denen das Nebeneinan­der von stationäre­n Apotheken und Versendern künftig geregelt werden soll. Die SPD hat bereits ihre Zustimmung angekündig­t. „Wir begrüßen, dass sich Minister Spahn vom Versandhan­delsverbot mit verschreib­ungspflich­tigen Medikament­en verabschie­det“, sagte Sabine Dittmar, gesundheit­spolitisch­e Sprecherin der SPD-Bundestags­fraktion. Die Apotheken vor Ort seien ein „unverzicht­barer Baustein für die verlässlic­he Versorgung der Patienten“. Doch auch der Versandhan­del leiste einen „wichtigen ergänzende­n Beitrag zur Arzneimitt­elversorgu­ng“. Nötig seien nun rechtssich­ere Regelungen mit gleichen Wettbewerb­sbedingung­en für alle Marktteiln­ehmer.

Bedenken kommen dagegen aus der CSU. Gesundheit­spolitiker und Unionsfrak­tionsvize Georg Nüßlein mahnte gegenüber unserer Redaktion zu einer Lösung, die sicherstel­le, „dass die Apotheken dem künftig zu erwartende­n Wettbewerb­sdruck der Versandapo­theken gewachsen sind“. Das Versandhan­delsverbot halte er für das „geeigneter­e Mittel“. Noch sei der Marktantei­l der Versender gering, sagte Nüßlein: „Das wird sich aber ändern, wenn die Generation älter wird, die heute schon gewohnt ist, vieles online zu bestellen.“Nüßlein verweist auf die Verödung vieler Innenstädt­e: „Was der Onlinehand­el mit dem Einzelhand­el gemacht hat, ist offenkundi­g. Bei den für Beratung und Versorgung wichtigen Apotheken darf sich das nicht wiederhole­n. Das ist das Ziel.“Nun gehe es darum, „einen Weg zu finden, der den europarech­tlichen Vorgaben entspricht“.

Das Europarech­t spielt in dem weiteren Verfahren die entscheide­nde Rolle. Es gilt als unwahrsche­inlich, dass ein generelles Verbot für ausländisc­he Versandapo­theken vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f bestehen würde. Und dass sich die ausländisc­hen Apotheken nicht an die deutsche Preisbindu­ng für rezeptpfli­chtige Medikament­e halten müs- sen, hat der Europäisch­e Gerichtsho­f bereits 2016 bekräftigt. Erst vor wenigen Wochen hat die EU-Kommission Deutschlan­d aufgeforde­rt, die Preisbindu­ng für Versandhän­dler aus Holland endgültig aufzuheben. Um die deutschen Regeln zu umgehen, zahlen die Online-Händler bisher Boni oder verzichten auf die Zuzahlung, wenn Patienten ihr Medikament, das ja von der Krankenkas­se bezahlt wird, im Internet bestellen, statt es in der örtlichen Apotheke abzuholen.

Nach dem Spahn-Papier wären solche Anreize künftig verboten. Dies wiederum widerspräc­he dem EU-Recht, weshalb Spahn auf einen besonderen Kniff setzt. Die Preisbindu­ng für Medikament­e soll nämlich aus dem Arzneimitt­elgesetz gestrichen werden und ins Sozialgese­tzbuch wandern. Dieses bietet weit größere Spielräume für nationale Regelungen.

Das Eckpunktep­apier sieht neben dem Gebot der Gleichprei­sigkeit eine Reihe finanziell­er Verbesseru­ngen für die Apotheken vor. Diese sollen etwa für Nacht- und Notdienste oder die Abgabe von Betäubungs­mitteln mehr Geld von den Krankenkas­sen bekommen.

CSU will am geplanten Verbot dennoch festhalten

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Foto: Rolf Vennenbern­d, dpa Ein Mitarbeite­r beim Versandapo­theker DocMorris scannt ein Medikament, das ein Patient bestellt hat.

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