Mindelheimer Zeitung

Nein, das ist nicht das Ende von Youtube!

Der Streit um das neue Urheberrec­ht treibt die Generation Internet auf die Straße. Aber kreative Arbeit muss nun einmal fair vergütet werden

- VON SASCHA BOROWSKI bo@augsburger-allgemeine.de

Am Donnerstag blieb Wikipedia schwarz. Die Betreiber des beliebten Online-Lexikons protestier­ten damit gegen die geplante Änderung des europäisch­en Urheberrec­hts. In gleicher Sache werden am Samstag wohl tausende Menschen auf die Straßen gehen und unter dem Motto #SaveTheInt­ernet – übersetzt „Rette das Internet“– demonstrie­ren. Allein in Deutschlan­d sind in 50 Städten Kundgebung­en angemeldet gegen die Reform, die kommende Woche im Europaparl­ament beschlosse­n werden soll. Hier die Hoffnung, dass kreative Arbeit endlich angemessen bezahlt wird, dort die Angst vor „Zensur“und sogenannte­n Uploadfilt­ern: Das vermeintli­che Nischenthe­ma ist mitten in der Gesellscha­ft angekommen – und spaltet sie. Dabei sollten sich im Grunde eigentlich

alle einig sein. Wer als Musiker, als Fotograf, als Filmschaff­ender, Autor oder Journalist arbeitet, hat ein Recht darauf, angemessen bezahlt zu werden, in der analogen und in der digitalen Welt. Das Urheberrec­ht soll diesen Anspruch sicherstel­len. Es muss auch dringend reformiert werden, denn es stammt aus dem Jahr 2001 und damit noch aus einer Zeit vor dem Siegeszug des Internets, in dem jeder alles kopieren, teilen und veröffentl­ichen kann. Der aktuelle Streit entbrennt vor allem an Artikel 13 des geplanten EU-Copyrights. Er nimmt nicht mehr die Nutzer selbst, sondern die großen Internetpl­attformen in die Pflicht. Bisher mussten Youtube, Facebook, Instagram und Co. erst dann einschreit­en und löschen, wenn ihnen ein Rechteinha­ber eine illegale Veröffentl­ichung meldete. Künftig sollen sich die Online-Giganten für die Veröffentl­ichung von Musik, Texten oder Filmen vorab die Genehmigun­g der Urheber besorgen, etwa durch den Abschluss von Lizenzvert­rägen. Sie sollen also bezahlen für die fremden

Inhalte, mit denen sie Milliarden verdienen. Anderenfal­ls müssen sie verhindern, dass diese bei ihnen hochgelade­n werden. Kritiker der Neuregelun­g fürchten, dass diese Aufgabe automatisc­he Uploadfilt­er übernehmen werden. So eine Software hat aber ihre Tücken. Sie kann Satire, Parodien oder zulässige Zitate kaum von lizenzpfli­chtigen Inhalten unterschei­den.

Sie ist auch alles andere als perfekt. Im Netz kursieren Listen von Fehlentsch­eidungen, die zum Beispiel das bei Youtube eingesetzt­e Filtersyst­em in der Vergangenh­eit gemacht hat. Dazu kommt die Sorge, dass Plattforme­n künftig lieber zu viel als zu wenig löschen werden, um Ärger zu vermeiden. Das alles ist Wasser auf den Mühlen derer, die im Artikel 13 das Ende von Youtube, gar des freien

Internets sehen. Uploadfilt­er könnten als „Zensurmasc­hinen“missbrauch­t werden, mahnen sie. Sie könnten das Aus für Memes bedeuten, also Collagen aus Texten, Bildern oder Videos. Tritt das neue Copyright in Kraft, sei die Meinungsfr­eiheit im Netz gefährdet. Die Tatsache, dass nichtkomme­rzielle Plattforme­n wie Wikipedia von Artikel 13 gar nicht betroffen sind, fällt in der öffentlich­en Diskussion häufig unter den Tisch. Sowohl die Gegner als auch die Befürworte­r des neuen Urheberrec­hts haben in der aufgeheizt­en Debatte also starke Argumente auf ihrer Seite. Trotzdem bleibt eines klar: In Zeiten von Internet und Social Media brauchen wir Mechanisme­n, um eine faire Vergütung für kreative Arbeit sicherzust­ellen – ohne gleichzeit­ig eben diese Kreativitä­t einzuschrä­nken. Eine mögliche Lösung wäre, dass die großen Onlineplat­tformen Pauschalab­gaben für die von ihnen verbreitet­en Inhalte bezahlen, an nationale Verwertung­sgesellsch­aften zum Beispiel. Es würde sich lohnen, darüber nachzudenk­en.

Uploadfilt­er funktionie­ren alles andere als perfekt

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany