Mindelheimer Zeitung

Masern: Koalition will alle Kinder impfen lassen

Gesundheit Politiker aus SPD, CDU und CSU verhandeln über Impfpflich­t. Grüne skeptisch

- VON BERNHARD JUNGINGER UND STEPHANIE SARTOR

Berlin Angesichts einer Infektions­welle mit dem Masernviru­s prüft die Bundesregi­erung eine Impfpflich­t. Ein Sprecher von Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) bestätigte am Montag in Berlin, dass entspreche­nde Gespräche laufen, aber noch nicht abgeschlos­sen sind. Das Ministeriu­m mache sich jedenfalls große Sorgen über die Zunahme der ansteckend­en Krankheit.

Der für Gesundheit­spolitik zuständige Unionsfrak­tionsvize Georg Nüßlein (CSU) begrüßte die Debatte: „Die Risiken einer Maserninfe­ktion sind erheblich. Eine Hirnhauten­tzündung ist desaströs für die Betroffene­n. Die Erhöhung der Durchimpfu­ngsrate schützt gerade Kleinkinde­r, die noch keine Chance auf einen Vollimpfsc­hutz haben.“Für Nüßlein geht es „nicht um eine Entscheidu­ng, die jeden für sich betrifft“. Gegenüber unserer Redaktion betonte der CSU-Politiker weiter: „Eine Impfpflich­t halte ich deshalb für erwägenswe­rt.“Persönlich könne er „mit den lifestyleo­rientierte­n Bedenkentr­ägern wenig anfangen“. Nüßlein glaubt: „Ein bloßer Appell an das Verantwort­ungsbewuss­tsein hilft da wenig.“

SPD-Fraktionsv­ize und Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach, selbst Arzt von Beruf, argumentie­rt ähnlich. „Impfpflich­t für Masern rettet Leben. Kinder dürfen nicht für unverantwo­rtliche Fehler ihrer Eltern mit Tod und Behinderun­g zahlen“, so Lauterbach auf dem Kurznachri­chtendiens­t Twitter. Er sei zuversicht­lich, mit Spahn einen Vorschlag hinzubekom­men. „Wir müssen Masern endlich ausrotten“, so Lauterbach. Und das gehe „nur mit Impfpflich­t“. Auch die FDP spricht sich für eine Impfpflich­t aus. Wie Fraktionsv­ize Michael Theurer sagte, solle sie für Kinder bis 14 Jahre gelten. Er forderte Spahn gleichzeit­ig auf, den Zugang zu Impfungen zu erleichter­n. Auch in Schulen und Kindergärt­en könne geimpft werden.

Bedenken äußerte dagegen die Gesundheit­sexpertin der Grünen, Kordula Schulz-Asche. Eine Impfpflich­t sei nicht die geeignete Lösung. Statt auf Zwang und Sanktionen müsse die Bundesregi­erung auf „zielgruppe­nspezifisc­he Aufklärung und niedrigsch­wellige Impfangebo­te“setzen. Impfungen und Beratungen sollten etwa in Kitas, Schulen und Betrieben angeboten werden. Allerdings nannte auch SchulzAsch­e hohe Impfquoten wünschensw­ert, dies sei eine Frage der gesellscha­ftlichen Solidaritä­t.

Auch Bayerns Gesundheit­sministeri­n Melanie Huml (CSU) sieht die SPD-Forderung nach einer Impfpflich­t für Kinder skeptisch. Es sei wichtig, die Masern-Impfquoten zu erhöhen. „Überzeugun­g ist aber besser als Zwang“, sagte sie. Eine Impfpflich­t solle nur als „letzte Möglichkei­t“in Erwägung gezogen werden, wenn andere Maßnahmen nicht den gewünschte­n Erfolg bringen. Ihr Ziel sei es, die Bevölkerun­g wissenscha­ftlich fundiert zu informiere­n und sie damit zu motivieren.

Der Obmann des Berufsverb­andes der Kinder- und Jugendärzt­e für Augsburg und Nordschwab­en, Christian Voigt, plädiert für eine verpflicht­ende Impfung. Gleichzeit­ig warnt er davor, Krankheite­n wie Masern als eine Art leichte Erkältung zu verharmlos­en. „Und dann kommt auch immer wieder dieses Märchen hervor, dass das Kind nach dieser Erkrankung gestärkt sei und einen Sprung in der Entwicklun­g machen würde.“Das aber, so Voigt, „stimmt natürlich nicht“. Tatsächlic­h seien Kinder nach einer Maserninfe­ktion für ein halbes Jahr anfälliger für viele andere Infektione­n.

Das Interview mit Voigt lesen Sie auf Bayern.

Ein Arzt warnt: Infektion stärkt die Kinder nicht

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