Masern: Koalition will alle Kinder impfen lassen
Gesundheit Politiker aus SPD, CDU und CSU verhandeln über Impfpflicht. Grüne skeptisch
Berlin Angesichts einer Infektionswelle mit dem Masernvirus prüft die Bundesregierung eine Impfpflicht. Ein Sprecher von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bestätigte am Montag in Berlin, dass entsprechende Gespräche laufen, aber noch nicht abgeschlossen sind. Das Ministerium mache sich jedenfalls große Sorgen über die Zunahme der ansteckenden Krankheit.
Der für Gesundheitspolitik zuständige Unionsfraktionsvize Georg Nüßlein (CSU) begrüßte die Debatte: „Die Risiken einer Maserninfektion sind erheblich. Eine Hirnhautentzündung ist desaströs für die Betroffenen. Die Erhöhung der Durchimpfungsrate schützt gerade Kleinkinder, die noch keine Chance auf einen Vollimpfschutz haben.“Für Nüßlein geht es „nicht um eine Entscheidung, die jeden für sich betrifft“. Gegenüber unserer Redaktion betonte der CSU-Politiker weiter: „Eine Impfpflicht halte ich deshalb für erwägenswert.“Persönlich könne er „mit den lifestyleorientierten Bedenkenträgern wenig anfangen“. Nüßlein glaubt: „Ein bloßer Appell an das Verantwortungsbewusstsein hilft da wenig.“
SPD-Fraktionsvize und Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, selbst Arzt von Beruf, argumentiert ähnlich. „Impfpflicht für Masern rettet Leben. Kinder dürfen nicht für unverantwortliche Fehler ihrer Eltern mit Tod und Behinderung zahlen“, so Lauterbach auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Er sei zuversichtlich, mit Spahn einen Vorschlag hinzubekommen. „Wir müssen Masern endlich ausrotten“, so Lauterbach. Und das gehe „nur mit Impfpflicht“. Auch die FDP spricht sich für eine Impfpflicht aus. Wie Fraktionsvize Michael Theurer sagte, solle sie für Kinder bis 14 Jahre gelten. Er forderte Spahn gleichzeitig auf, den Zugang zu Impfungen zu erleichtern. Auch in Schulen und Kindergärten könne geimpft werden.
Bedenken äußerte dagegen die Gesundheitsexpertin der Grünen, Kordula Schulz-Asche. Eine Impfpflicht sei nicht die geeignete Lösung. Statt auf Zwang und Sanktionen müsse die Bundesregierung auf „zielgruppenspezifische Aufklärung und niedrigschwellige Impfangebote“setzen. Impfungen und Beratungen sollten etwa in Kitas, Schulen und Betrieben angeboten werden. Allerdings nannte auch SchulzAsche hohe Impfquoten wünschenswert, dies sei eine Frage der gesellschaftlichen Solidarität.
Auch Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) sieht die SPD-Forderung nach einer Impfpflicht für Kinder skeptisch. Es sei wichtig, die Masern-Impfquoten zu erhöhen. „Überzeugung ist aber besser als Zwang“, sagte sie. Eine Impfpflicht solle nur als „letzte Möglichkeit“in Erwägung gezogen werden, wenn andere Maßnahmen nicht den gewünschten Erfolg bringen. Ihr Ziel sei es, die Bevölkerung wissenschaftlich fundiert zu informieren und sie damit zu motivieren.
Der Obmann des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte für Augsburg und Nordschwaben, Christian Voigt, plädiert für eine verpflichtende Impfung. Gleichzeitig warnt er davor, Krankheiten wie Masern als eine Art leichte Erkältung zu verharmlosen. „Und dann kommt auch immer wieder dieses Märchen hervor, dass das Kind nach dieser Erkrankung gestärkt sei und einen Sprung in der Entwicklung machen würde.“Das aber, so Voigt, „stimmt natürlich nicht“. Tatsächlich seien Kinder nach einer Maserninfektion für ein halbes Jahr anfälliger für viele andere Infektionen.
Das Interview mit Voigt lesen Sie auf Bayern.
Ein Arzt warnt: Infektion stärkt die Kinder nicht