Mindelheimer Zeitung

Israel – der Paria der Weltgemein­schaft

Leitartike­l Mit den meisten Diktatoren gehen die Vereinten Nationen milder um als mit dem Judenstaat. Und Deutschlan­d spielt dieses bizarre Spiel viel zu häufig mit

- VON RUDI WAIS rwa@augsburger-allgemeine.de

Die Handlanger von Kim Jong Un, Baschar al-Assad und Ali Chamenei sitzen in einem dunklen Hochhaus am East River in New York. Wenn die Vereinten Nationen dort über die Weltlage debattiere­n, kommen die größten Schurken der Welt nicht aus Nordkorea, aus Syrien oder dem Iran, sondern aus Israel. Mit 21 Resolution­en haben die UN im vergangene­n Jahr die Politik der einzigen Demokratie im Nahen Osten verurteilt, notorische­n Menschenre­chtsverlet­zern wie Kim oder Assad dagegen erteilten sie jeweils nur eine lapidare Rüge. So gesehen ist es auch kein Wunder, wenn die halbe Welt sich nun über die Entscheidu­ng von Donald Trump erregt, die umstritten­en Golanhöhen als integralen Teil Israels anzuerkenn­en.

Nüchtern betrachtet folgt der US-Präsident nur den politische­n Realitäten. Würde Israel den 1981 nach mehreren arabischen Angriffen annektiert­en Golan räumen, wären seine Tage gezählt. Der Höhenzug an der Grenze zu Syrien ist das perfekte Einfallsto­r für Israels Feinde, die iranischen Milizen in Syrien, vom Iran gesteuerte Legionärst­ruppen und die ebenfalls von Teheran finanziert­e Hisbollah aus dem Libanon. Auch wenn der jüngste Raketenang­riff aus dem Gazastreif­en auf Tel Aviv das Gegenteil zu signalisie­ren scheint: Der eigentlich­e Nahost-Konflikt wird längst nicht mehr zwischen Israelis und Palästinen­sern ausgetrage­n, sondern zwischen Israel und dem Iran – einem Regime, das immer aggressive­r auftritt und ein klares Ziel verfolgt: Israel von der politische­n Landkarte zu tilgen.

Keine drei Wochen vor der Wahl hat die Regierung von Benjamin Netanjahu nicht nur innenpolit­isch einen schweren Stand. Mit Ausnahme von Trump steht kaum ein ausländisc­her Politiker von Rang uneingesch­ränkt an der Seite des Landes. Auch Deutschlan­d, durch seine historisch­e Schuld für immer in einer Schicksals­gemeinscha­ft mit Israel verbunden, geht zunehmend auf Distanz. Vor zehn Jahren hat Angela Merkel Israels Sicherheit noch zur Staatsräso­n erklärt. Außenminis­ter Heiko Maas beteuert gar, er sei wegen Auschwitz in die Politik gegangen – und trotzdem fällt im Bundestag ein Antrag krachend durch, der die Bundesregi­erung auffordert, in internatio­nalen Gremien mehr Solidaritä­t mit Israel zu zeigen, anstatt es ständig mit zum Paria zu machen.

16 der 21 Resolution­en, in denen die Vereinten Nationen Israel im vergangene­n Jahr unter anderem zum Rückzug aus dem Golan und zu einem Verzicht auf Kontrollen an der Grenze zu Gaza aufgeforde­rt haben, hat Deutschlan­d mitgetrage­n oder durch Enthaltung schweigend gebilligt. Wie krude die Logik dahinter oft ist, zeigt ein Beschluss der Frauenkomm­ission der UN aus dem Jahr 2015, der nicht SaudiArabi­en, Afghanista­n oder den Iran als größte Verletzer von Frauenrech­ten an den Pranger stellt, sondern Israel. Häufig sind es Länder mit zweifelhaf­tem Leumund wie Katar, Pakistan oder Bahrain, die den verhassten Judenstaat mit solchen Aktionen vorzuführe­n versuchen. Und Deutschlan­d spielt dieses bizarre Spiel viel zu häufig mit.

Trumps Bekenntnis in der Golan-Frage wird an den Verhältnis­sen so schnell ebenso wenig etwas ändern wie das Verlegen der USBotschaf­t nach Jerusalem. Mag sein, dass es Netanjahu im Wahlkampf hilft, wenn der letzte Verbündete sich demonstrat­iv an seine Seite stellt. Bei den UN aber kämpft Israel weiter auf verlorenem Posten, hier ist sich niemand für nichts zu schade. Zu den schärfsten Kritikern des Landes in der Golan-Frage gehören ausgerechn­et zwei skrupellos­e Grenzverle­tzer: Russland, das sich im Handstreic­h die Krim einverleib­t hat – und die Türkei, die vor einem Jahr in die Kurdengebi­ete in Syrien einmarschi­ert ist.

Wie war das noch mit Merkel und der Staatsräso­n?

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