Die Diva der Soul Music
Porträt Ob Hits im Dutzend mit den Supremes oder als Jazz-Sängerin Billie Holiday in „Lady Sings the Blues“, Diana Ross ist die Verwalterin ihres musikalischen Erbes
Manchmal benimmt sich das Leben so, als habe es zu viele Filme, gute wie schlechte, gesehen. Im Fall von Diana Ross wären dies melodramatische Filme. Mit einer Vielzahl von großartigen Supremes-Hits. Mit einer Diana Ross, die ein Kind von Berry Gordy, dem Chef ihrer Plattenfirma, bekam. Mit Scharen pubertierender weißer Mädchen als Fans, die in den Sixties auf die Love Songs des Trios standen, das die Eleganz der Motown-Soundschmiede in die SoulMusic einbrachte. Aber da waren auch Szenen der 90er Jahre, in denen Diana Ross als Bühnenstar funktionierte, aber Probleme hatte, Tonträger zu verkaufen zugunsten eines zeitgemäßen Rhythm & Blues. Dafür dominierten schlechte Filmszenen mit Alkoholproblemen, die sie aber mit einer Entziehungskur erfolgreich bekämpfte.
Filmischer Rückblick auf gute Jahre: Dass die Supremes, die zwischen 1964 („Where Did Our Love Go“) und 1969 („Someday We’ll Be Together“) mit zwölf Songs die amerikanischen Single-Charts toppten – nur von den Beatles geschlagen –, lag vor allem an der attraktiven Diana, in deren Stimmbänder sich ihr Glamour akustisch zu spiegeln schien. Kein Wunder, dass die Gruppe 1967 in Diana Ross & The Supremes umbenannt wurde.
Später profitierte Diva Diana, die in einem Schwarzenviertel von Detroit aufgewachsen ist, von der Motown-„Ausbildung“der Supremes: Dazu gehörten Tanztraining, Etikette und die Fähigkeit zum Small Talk. Und Stilsicherheit mit Balladen wie „Touch Me in the Morning“. Einen großen Erfolg landete die Sängerin mit „Upside Down“, ein Riesenhit gelang Diana Ross mit dem Duett „Endless Love“an der Seite von Lionel Richie – ein aus europäischer Sicht eine Spur zu schmalziges Stück Musik. Was sich von dem Kinofilm „Lady Sings The Blues“nicht behaupten lässt. Darin interpretierte Diana Ross 1972 eindrucksvoll die Jazz-Sängerin Billie Holiday. Inzwischen ist die Entertainerin, die im Lauf der Jahre oft auf den Bühnen Europas gestanden hat, zur Verwalterin ihres musikalischen Erbes geworden. Als ob sie nicht längst selbst eine Kino-Figur wäre. Eine gute, aber mitunter auch schlechte. Mehr noch, Diva Diana hat sich ikonengleich vervielfältigt wie der Stummfilmstar Norma Desmond in dem Billy-Wilder-Film „Boulevard der Dämmerung“. Dianas roter Lippenstift, das lange, rote Kleid. Wer wie Diana Ross sein musikalisches Statement zementiert hat, hätte es bei der Grammy-Gala im Februar nicht nötig gehabt, den 75. Geburtstag sechs Wochen im Voraus zu feiern.
Und hätte dem neunjährigen Enkel Raif-Henok Emmanuel die Lobhudelei für „Grandmommy“erspart. Was sagte das Kind? „Junge Menschen wie ich können wegen ihrer Unabhängigkeit, ihrem Selbstbewusstsein und ihrem Willen, sie selbst zu sein, zu ihr aufblicken.“Spricht so ein Neunjähriger? Oder hat ihm das seine Oma aufgeschrieben?