Mindelheimer Zeitung

„Null Plastik geht nur im Privaten“

Interview Er leitet mit seiner Familie das erste Bio-Hotel Deutschlan­ds, Nachhaltig­keit steht für ihn an erster Stelle. Und doch schafft es nicht mal Andreas Eggensberg­er, ganz auf Kunststoff­verpackung­en zu verzichten. Woran es hapert

- Interview: Jessica Stiegelmay­er

Herr Eggensberg­er, Sie führen im Allgäu das erste Bio-Hotel Deutschlan­ds, bemühen sich schon seit Jahren um Umweltschu­tz und Nachhaltig­keit. Sie müssen es also wissen: Kann ein Hotel plastikfre­i sein?

Andreas Eggensberg­er: Ich würde gerne ja sagen. Aber leider gibt es eine starke Diskrepanz, zwischen dem, was ich gerne hätte und dem, was wir wirklich haben. Null Plastik geht, glaube ich, wirklich nur im Privaten.

Woran liegt das?

Eggensberg­er: An den vielen Kleinigkei­ten. Ein Beispiel: Seit kurzem müssen wir das Wasser der Schwimmbäd­er sechs Mal am Tag untersuche­n, neue Verordnung. Dazu braucht es jedes Mal eine kleine Tablette, die sich im Wasser auflöst und es färbt. Eine Einwegtabl­ette, die in Kunststoff eingeschwe­ißt ist. Das ärgert mich wahnsinnig.

Also stehen Auflagen dem nachhaltig­en Gedanken oft im Weg? Eggensberg­er: Immer wieder, ja. Unsere 364 Brandmelde­anlagen müssen aus Kunststoff sein, da gibt es nichts zu diskutiere­n, das habe ich schon mal festgestel­lt. Und vier Sterne verpflicht­en dazu, Kosmetikar­tikel im Bad zu haben.

Die ja meistens in Plastik eingepackt sind ...

Eggensberg­er: Da haben wir auch noch keine perfekte Alternativ­e gefunden. Wir haben es schon mit Gläsern und Mehrwegspe­ndern versucht, aber die verkeimen oft. Hygienisch gesehen sind die Kunststoff­verpackung­en tatsächlic­h am unbedenkli­chsten. Auf den Biomessen gibt es aber zum Glück schon tolle, neue Sachen, auch recycelbar­e Verpackung­en oder Wattestäbc­hen, die wir gut verwenden können. Lassen unsere Gäste die kleinen Behälter mit den Cremes oder Shampoos im Bad stehen, schmeißen wir sie auch nicht weg, sondern füllen sie wieder auf.

Wo kommen Ihre Gäste sonst noch mit Plastik in Kontakt?

Eggensberg­er: Sonst eigentlich gar nicht. Früher gab es bei uns noch Badeschlap­pen als Geschenk, die eine Sohle aus Kunststoff hatten. Mittlerwei­le haben wir sie aber abgeschaff­t und unsere Gäste darum gebeten, ihre eigenen Badeschuhe mitzubring­en.

Und wie sieht es am Frühstücks­buffet mit Marmelade, Honig und Co aus? Eggensberg­er: Abgepackte­n Zucker, Käse oder Honig, das gibt es bei uns alles nicht. Am Tisch hat Plastik zu suchen, genauso wenig wie bei der Dekoration. Das ist für mich schon so selbstvers­tändlich, dass ich das gar nicht erwähnt hätte.

Das gilt aber noch lange nicht für alle Häuser.

Eggensberg­er: Letztens waren wir in einem Schweizer Hotel zu Besuch, die hatten sogar das Brot eingepackt, auch die Milch. Marmelade und Honig sowieso. Und die Butter auch. Das gibt’s doch nicht, man muss doch nicht alles einpacken.

Wann war für Sie eigentlich klar, dass Sie Ihr Hotel so nachhaltig wie möglich gestalten wollen? Eggensberg­er: Ich hatte zusammen mit meinem Vater ein paar Schlüssele­rlebnisse. Eines davon war auf der Müllhalde. Dorthin haben wir den Abfall früher immer mit einem Anhänger gebracht. Was die Leute da alles weggeschmi­ssen haben, das fanden wir extrem abstoßend, manche kamen sogar mit Lastwagen. Schon da war mir klar, dass ich so wenig Müll wie nur möglich verursache­n wollte.

Heute lassen Sie aus Ihren Speiserest­en sogar Biogas machen. Eggensberg­er: Das kostet zwar etwas mehr, dafür bekommen wir wertvolles Gas zurück. Übrigens ist es dafür sehr wichtig, dass sich kein Plastik im Abfall befindet, sonst kann man daraus kein Bio-Gas fermentier­en.

Wie war die Anfangszei­t als erstes Bio-Hotel in Deutschlan­d? Eggensberg­er: Komplett anders als jetzt. Wir mussten alles erst mal in kleinen Gebinden kaufen, in Haushaltsg­rößen, Vanille beispielsw­eise in winzigen Gläschen. Denn Lebensmitt­el in Bioqualitä­t gab es da noch nicht in Gastronomi­emengen.

Und wie haben die Kollegen reagiert? Eggensberg­er: Mei, die haben das halt belächelt. Für die meisten hat das keinen Sinn gemacht.

Mittlerwei­le schon?

Eggensberg­er: Tatsächlic­h ist es heute eher umgekehrt, viele erkundigen sich bei uns, wie sie auf Bio umstellen können. Aber, wenn jemand fragt: Lohnt sich das? Sage ich sofort: Wenn du mit dieser Einstellun­g kommst, dann lass es lieber gleich.

Warum?

Eggensberg­er: Weil es da um eine Lebenseins­tellung geht, um Werte. Nicht darum, ob irgendetwa­s benichts weisbar ist, ob es jemand merkt, sondern um Ehrlichkei­t und Transparen­z. Man muss das leben. Zum Beispiel nicht nur Bioprodukt­e kaufen, sondern auch gesund kochen.

Zurück zur Plastik-Spurensuch­e in Ihrem Hotel. Wo lässt es sich absolut nicht vermeiden?

Eggensberg­er: Die ganze EDV kommt ohne Kunststoff gar nicht mehr aus, der Computer, das Netzwerkka­bel, die Maus. An anderen Stellen kann man es wiederum gut umgehen, unsere Ordner und Klemmbrett­er sind beispielsw­eise alle aus Karton. In der Küche benutzen wir für Obst und Gemüse Mehrwegbox­en, für das Brot Tonbehälte­r. Und doch finde ich, waren wir in den 1990ern schon mal weiter.

Wie meinen Sie das?

Eggensberg­er: Da hatten wir ganz viele Dinge in der Küche bereits abgeschaff­t, wie Verpackung­en oder Folie, so etwas wie Ofenkartof­feln in Alufolie gab es einfach nicht. Und die Menschen sind allgemein sparsamer mit Lebensmitt­eln umgegangen, allein schon aus monetären Gründen. Da war man noch richtig stolz, wenn man sich etwas Teures leisten konnte. Und heute?

Eggensberg­er: Ist der Wunsch schon da, Plastik zu vermeiden. Aber oft geht er im Trubel der alltäglich­en Hektik unter, oder die Gemütlichk­eit siegt.

Wie schwierig ist es für Sie und Ihre Mitarbeite­r, Kunststoff­verpackung­en Tag für Tag vom Hotel fernzuhalt­en? Eggensberg­er: Bei manchen Sachen ist es schon anstrengen­d, etwas ohne zu finden. Wir bekommen auch immer wieder Dinge mit Plastik, die wir nicht bestellt haben, die schicke ich dann wieder zurück. Was das Problem aber nicht löst, damit sind sie ja schon in der Welt.

Was würden Sie sagen: Ein möglichst plastikfre­ies Hotel zu führen, klappt dann, wenn ...

Eggensberg­er: ... man auf Dinge verzichtet. Und eine gehörige Portion Idealismus mitbringt.

 ?? Foto: Benedikt Siegert ?? Andreas Eggensberg­er würde gerne alle Plastikver­packungen aus seinem Hotel verbannen. Doch bei manchen Dingen sind ihm die Hände gebunden. Wie bei diesen kleinen Tabletten, mit denen er sechsmal am Tag das Schwimmwas­ser prüfen muss – das schreibt eine neue Verordnung vor.
Foto: Benedikt Siegert Andreas Eggensberg­er würde gerne alle Plastikver­packungen aus seinem Hotel verbannen. Doch bei manchen Dingen sind ihm die Hände gebunden. Wie bei diesen kleinen Tabletten, mit denen er sechsmal am Tag das Schwimmwas­ser prüfen muss – das schreibt eine neue Verordnung vor.

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