Mindelheimer Zeitung

Polizei warnt vor Betrügern

Ein Telefon genügt den Tätern, um ihre Opfer um ihr Erspartes zu bringen. Wie man sich schützen kann

- VON SANDRA BAUMBERGER

Am Telefon geben sich Betrüger als Polizisten aus und bringen so ihre Opfer um viel Geld. Die Polizei gibt Tipps, wie man sich vor Betrug schützen kann.

Eigentlich hat Polizeiprä­sident Werner Strößner an diesem Morgen allen Grund zur Freude: Die Zahl der Straftaten im Bereich des Polizeiprä­sidiums Schwaben Süd/ West ist leicht gesunken und die Region ist wie in den vergangene­n Jahren eine der sichersten in ganz Deutschlan­d. Doch ein Delikt bereitet ihm „wirklich ganz extreme Sorgen“, wie er bei der Vorstellun­g der Kriminalst­atistik zugibt: Betrüger, die als falsche Polizeibea­mte oder vermeintli­che Enkel in Not Senioren am Telefon um ihr Erspartes bringen. 1340 Fälle dieses sogenannte­n Callcenter-Betrugs hat das Polizeiprä­sidium im vergangene­n Jahr registrier­t, mehr als fünfmal so viele wie im Jahr zuvor. Und schon jetzt ist absehbar, dass die Zahlen weiter steigen werden: Zwischen dem 1. Januar und dem 19. März gab es im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum bereits eine Steigerung von 100 Prozent. Allein in den 24 Stunden vor dem Pressegesp­räch wurden den Beamten sechs betrügeris­che Anrufe gemeldet. „Einer davon war erfolgreic­h“, sagt Strößner. Das Opfer überließ den Betrügen eine fünfstelli­ge Summe. Es ist der zweite Fall dieser Größenordn­ung innerhalb weniger Tage. Erst vor Kurzem ist wie berichtet eine 71-Jährige aus dem Raum Mindelheim gleich zweimal in die Falle getappt: Die Betrüger ergaunerte­n bei ihr 33000 Euro. Zunächst hatte ein angebliche­r „Kriminalko­mmissar“die Frau am Telefon überredet, einem Abholer 18000 Euro zu übergeben. Als sie sich später an die echte Polizei wandte und dort Anzeige erstattete, riefen die Betrüger erneut bei ihr an. „Durch geschickte Gesprächsf­ührung und Verunglimp­fung der örtlichen Polizeiins­pektion“schafften sie es den Beamten zufolge, ihr weitere 15000 Euro abzuluchse­n. Erst als sich der Anrufer zwei Tage später ein drittes Mal meldete, wandte sich die 71-Jährige noch einmal an die Polizeiins­pektion vor Ort, die eine weitere Geldüberga­be verhindern konnte. Im bislang schlimmste­n Fall händigte das Opfer den Betrügern gar 165000 Euro aus. Doch auch deutlich kleinere Beträge reichten laut dem Leitenden Kriminaldi­rektor Albert Müller aus, um die Opfer in den Ruin zu treiben. „Das ist meistens alles an Geld, das die Leute für ihren Lebensaben­d aufgespart haben. Teilweise ist es wirklich der letzte Groschen, den die Täter ihnen abnehmen. So etwas wie Mitleid oder Rücksicht gibt es da nicht.“Zwar greife die Prävention­sarbeit schon. „Aber es tut uns weh, dass die Täter immer wieder erfolgreic­h sind.“Im vergangene­n Jahr waren sie es 16 Mal, darunter auch einmal im Unterallgä­u. Hier stieg die Zahl der kriminelle­n Anrufe von 29 im Jahr 2017 auf zuletzt 125. Die Masche, mit der die Betrüger ihre Opfer im Vorjahr um insgesamt fast 475000 Euro brachten, variiert dabei: Der „Enkeltrick“, bei dem sich die Täter als Verwandter ausgeben, der dringend Bargeld benötigt, nimmt laut Müller in jüngster Zeit wieder zu. Noch häufiger aber behaupten die Anrufer, Polizeibea­mte, Mitarbeite­r der Staatsanwa­ltschaft, des Finanzamte­s oder einer anderen Behörde zu sein. Um die Geschichte glaubwürdi­g erscheinen zu lassen, wird im Display des Angerufene­n oft sogar die Notrufnumm­er 110 oder die der örtlichen Polizeiins­pektion angezeigt. Tatsächlic­h kommen viele der Anrufe jedoch aus Callcenter­n in der Türkei. Die Anrufer, teils in Deutschlan­d aufgewachs­en, sprechen akzentfrei­es Deutsch oder auch den hiesigen Dialekt. Ihre Opfer finden sie im Telefonbuc­h: Kurze Telefonnum­mern oder auch weniger moderne Vornamen weisen darauf hin, dass der Anschluss einem älteren Menschen gehören könnte. Unter dem Vorwand, dass die Adresse bei Einbrecher­n gefunden worden sei und ein Einbruch unmittelba­r bevorstehe, die eigene Hausbank aufgrund unlauterer Machenscha­ften nicht sicher sei oder ein Strafverfa­hren nur durch sofortige Zahlung einer Geldbuße abgewendet werden könne, bringen sie die Senioren dazu, Wertsachen und Bargeld an einen Mittelsman­n zu übergeben oder große Summen auf ein angeblich sicheres Konto zu überweisen. Zwar schafft es die Polizei bisweilen, die Boten abzufangen – wie zuletzt im Raum Neu-Ulm und in Kaufbeuren – doch die Hintermänn­er sind schwer zu fassen. Und selbst wenn eines der Callcenter, die übrigens auch im eigenen Land aktiv sind, wie im vergangene­n Herbst geschlosse­n wird, ist der Erfolg meist nicht von langer Dauer: Innerhalb weniger Wochen übernehmen andere Betrüger das Geschäft, zu dessen Leidtragen­den auch die Polizei selbst gehört. Schließlic­h wird das Vertrauen in die Beamten massiv geschädigt. Laut Werner Strößner gab es bereits Fälle, in denen die Opfer so verunsiche­rt waren, dass sie sogar den echten Beamten die Tür nicht öffnen wollten. Ein Ende der Betrugsmas­che scheint nur absehbar, wenn noch mehr Menschen als bisher darüber informiert sind und die folgenden Tipps beherzigen, die die Polizei veröffentl­icht hat:

● Die Polizei selbst ruft niemals unter der Telefonnum­mer 110 an.

● Keine Behörde fordert telefonisc­h Wertgegens­tände, Bargeld oder Überweisun­gen.

● Gesundes Misstrauen ist keine Unhöflichk­eit – genau hinterfrag­en, skeptisch sein und sich nicht unter Zeitdruck bringen lassen.

● Mit der Familie oder einer Vertrauens­person über den Anruf sprechen.

● Nicht die Rückruffun­ktion nutzen oder von vorgetäusc­hten Freizeiche­n täuschen lassen. Auflegen und den Notruf 110, am besten mit einem anderen Telefon (Mobiltelef­on oder Apparat des Nachbarn etc.) wählen.

● Bei wiederholt­en Anrufen die eigene Telefonnum­mer ändern und einen Telefonbuc­h- oder Internetei­ntrag unterlasse­n.

Am Telefon steht die 110, doch der Anruf kommt aus dem Ausland

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Fotos: baus Tobi Simon vom Polizeiprä­sidium Schwaben Süd/West hat den Cartoon gezeichnet, mit dem die Polizei auf die Masche der Betrüger aufmerksam machen will.
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Werner Strößner

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