Polizei warnt vor Betrügern
Ein Telefon genügt den Tätern, um ihre Opfer um ihr Erspartes zu bringen. Wie man sich schützen kann
Am Telefon geben sich Betrüger als Polizisten aus und bringen so ihre Opfer um viel Geld. Die Polizei gibt Tipps, wie man sich vor Betrug schützen kann.
Eigentlich hat Polizeipräsident Werner Strößner an diesem Morgen allen Grund zur Freude: Die Zahl der Straftaten im Bereich des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/ West ist leicht gesunken und die Region ist wie in den vergangenen Jahren eine der sichersten in ganz Deutschland. Doch ein Delikt bereitet ihm „wirklich ganz extreme Sorgen“, wie er bei der Vorstellung der Kriminalstatistik zugibt: Betrüger, die als falsche Polizeibeamte oder vermeintliche Enkel in Not Senioren am Telefon um ihr Erspartes bringen. 1340 Fälle dieses sogenannten Callcenter-Betrugs hat das Polizeipräsidium im vergangenen Jahr registriert, mehr als fünfmal so viele wie im Jahr zuvor. Und schon jetzt ist absehbar, dass die Zahlen weiter steigen werden: Zwischen dem 1. Januar und dem 19. März gab es im Vergleich zum Vorjahreszeitraum bereits eine Steigerung von 100 Prozent. Allein in den 24 Stunden vor dem Pressegespräch wurden den Beamten sechs betrügerische Anrufe gemeldet. „Einer davon war erfolgreich“, sagt Strößner. Das Opfer überließ den Betrügen eine fünfstellige Summe. Es ist der zweite Fall dieser Größenordnung innerhalb weniger Tage. Erst vor Kurzem ist wie berichtet eine 71-Jährige aus dem Raum Mindelheim gleich zweimal in die Falle getappt: Die Betrüger ergaunerten bei ihr 33000 Euro. Zunächst hatte ein angeblicher „Kriminalkommissar“die Frau am Telefon überredet, einem Abholer 18000 Euro zu übergeben. Als sie sich später an die echte Polizei wandte und dort Anzeige erstattete, riefen die Betrüger erneut bei ihr an. „Durch geschickte Gesprächsführung und Verunglimpfung der örtlichen Polizeiinspektion“schafften sie es den Beamten zufolge, ihr weitere 15000 Euro abzuluchsen. Erst als sich der Anrufer zwei Tage später ein drittes Mal meldete, wandte sich die 71-Jährige noch einmal an die Polizeiinspektion vor Ort, die eine weitere Geldübergabe verhindern konnte. Im bislang schlimmsten Fall händigte das Opfer den Betrügern gar 165000 Euro aus. Doch auch deutlich kleinere Beträge reichten laut dem Leitenden Kriminaldirektor Albert Müller aus, um die Opfer in den Ruin zu treiben. „Das ist meistens alles an Geld, das die Leute für ihren Lebensabend aufgespart haben. Teilweise ist es wirklich der letzte Groschen, den die Täter ihnen abnehmen. So etwas wie Mitleid oder Rücksicht gibt es da nicht.“Zwar greife die Präventionsarbeit schon. „Aber es tut uns weh, dass die Täter immer wieder erfolgreich sind.“Im vergangenen Jahr waren sie es 16 Mal, darunter auch einmal im Unterallgäu. Hier stieg die Zahl der kriminellen Anrufe von 29 im Jahr 2017 auf zuletzt 125. Die Masche, mit der die Betrüger ihre Opfer im Vorjahr um insgesamt fast 475000 Euro brachten, variiert dabei: Der „Enkeltrick“, bei dem sich die Täter als Verwandter ausgeben, der dringend Bargeld benötigt, nimmt laut Müller in jüngster Zeit wieder zu. Noch häufiger aber behaupten die Anrufer, Polizeibeamte, Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft, des Finanzamtes oder einer anderen Behörde zu sein. Um die Geschichte glaubwürdig erscheinen zu lassen, wird im Display des Angerufenen oft sogar die Notrufnummer 110 oder die der örtlichen Polizeiinspektion angezeigt. Tatsächlich kommen viele der Anrufe jedoch aus Callcentern in der Türkei. Die Anrufer, teils in Deutschland aufgewachsen, sprechen akzentfreies Deutsch oder auch den hiesigen Dialekt. Ihre Opfer finden sie im Telefonbuch: Kurze Telefonnummern oder auch weniger moderne Vornamen weisen darauf hin, dass der Anschluss einem älteren Menschen gehören könnte. Unter dem Vorwand, dass die Adresse bei Einbrechern gefunden worden sei und ein Einbruch unmittelbar bevorstehe, die eigene Hausbank aufgrund unlauterer Machenschaften nicht sicher sei oder ein Strafverfahren nur durch sofortige Zahlung einer Geldbuße abgewendet werden könne, bringen sie die Senioren dazu, Wertsachen und Bargeld an einen Mittelsmann zu übergeben oder große Summen auf ein angeblich sicheres Konto zu überweisen. Zwar schafft es die Polizei bisweilen, die Boten abzufangen – wie zuletzt im Raum Neu-Ulm und in Kaufbeuren – doch die Hintermänner sind schwer zu fassen. Und selbst wenn eines der Callcenter, die übrigens auch im eigenen Land aktiv sind, wie im vergangenen Herbst geschlossen wird, ist der Erfolg meist nicht von langer Dauer: Innerhalb weniger Wochen übernehmen andere Betrüger das Geschäft, zu dessen Leidtragenden auch die Polizei selbst gehört. Schließlich wird das Vertrauen in die Beamten massiv geschädigt. Laut Werner Strößner gab es bereits Fälle, in denen die Opfer so verunsichert waren, dass sie sogar den echten Beamten die Tür nicht öffnen wollten. Ein Ende der Betrugsmasche scheint nur absehbar, wenn noch mehr Menschen als bisher darüber informiert sind und die folgenden Tipps beherzigen, die die Polizei veröffentlicht hat:
● Die Polizei selbst ruft niemals unter der Telefonnummer 110 an.
● Keine Behörde fordert telefonisch Wertgegenstände, Bargeld oder Überweisungen.
● Gesundes Misstrauen ist keine Unhöflichkeit – genau hinterfragen, skeptisch sein und sich nicht unter Zeitdruck bringen lassen.
● Mit der Familie oder einer Vertrauensperson über den Anruf sprechen.
● Nicht die Rückruffunktion nutzen oder von vorgetäuschten Freizeichen täuschen lassen. Auflegen und den Notruf 110, am besten mit einem anderen Telefon (Mobiltelefon oder Apparat des Nachbarn etc.) wählen.
● Bei wiederholten Anrufen die eigene Telefonnummer ändern und einen Telefonbuch- oder Interneteintrag unterlassen.
Am Telefon steht die 110, doch der Anruf kommt aus dem Ausland