In der Champions League der Musik
Cool steht der Augsburger Domsingknabe auf den großen Bühnen der Welt. Eine glockenreine Stimme will jedoch jahrelang für Spitzenleistungen trainiert werden
Sein Kennzeichen: ein schwarzer Pullover mit ovalem Abzeichen in Rot mit golden eingesticktem Augsburger Dom. Das Outfit kennt man inzwischen rund um den Globus, sei es in Japan, in den USA, im Vatikan, in Warschau oder Stockholm. Ebenso tauchen Augsburger Domsingknaben in den Programmheften großer deutscher Opernhäuser, Orchester und auf Plattencovern auf. Derzeit gehäuft mit dem „War Requiem“in München und Linz, in Augsburg in den Opern „Die Zauberflöte“, „JFK“und „Werther“und bald mit der Matthäuspassion. Das ist der Gipfel für die Jünglinge mit den schönen Stimmen. Spätestens wenn sie schulfrei bekommen für einen Auftritt, eine Konzertreise, bekommen auch die Klassenkameraden Respekt vor ihrer künstlerischen Leistung, die ihr Chef, Domkapellmeister Reinhard Kammler, ohne zu zögern, mit Spitzensport gleichsetzt. Cool steht der Augsburger Domsinger auf der Bühne. Das Lampenfieber ist wie weggeblasen, sobald die ersten Töne sitzen. Ist ja nichts anderes, als bei der Einzelprobe vorzusingen. Nur dass bei der Aufführung hunderte Augenpaare auf den Sänger gerichtet sind. Meistens verzückt einer elastisch geführten, glockenreinen Stimme. Vier, fünf Jahre dauert es, bis die Kehle vergoldet ist. „Noch nie ist zu mir ein Sängerknabe gekommen, der fertig gewesen wäre“, sagt Ausbilder Kammler. Behutsam will das Potenzial gehoben sein. Die Jungs im Vorchor schaut er an, ob ihre Stimme gesund ist, ob sie an der Musik interessiert und aufnahmefähig sind. Spielerisch beginnt das Gesangstraining mit Rhythmen auf der Handtrommel und zugeworfenen Tönen. Wenn Aussicht besteht, den Ansprüchen der Domsingknaben zu genügen („Wir trainieren für die Champions League“), erhält jeder Einsteigerbub die individuelle Förderung, die eine optimale Entwicklung seiner Stimme verspricht. Das geht beim einen schneller und beim anderen langsamer. Was am Ende herauskommt? Wird’s ein Solist? Gar eine Rampensau? Ein Ensemblesänger? Der Kapellmeister steht vor der spannenden, aber schwierigen Aufgabe, über die richtigen Einsätze für seine Goldkehlchen zu entscheiden. „Ich habe noch nie einen Knaben von einer Rolle zurückgezogen, weil ich mich geirrt hätte“, sagt er. Zu groß wäre der Schaden für die kindliche Seele. Sollte ein Domsinger doch einmal patzen, darf er das Malheur auf seinen Ausbilder schieben. „Ich bemühe mich, den Druck zu nehmen“, betont Kammler. „Die Stimme ist das wertvollste Instrument, man darf sie nicht überfordern.“Die Augsburger Domsingknaben leben nicht im Internat, sie gehen zweimal die Woche in das Haus St. Ambrosius. Da bleibt auch Zeit für andere Hobbys. Auf der Höhe der Karriere wird der Sängerknabe irgendwann anfangen zu kieksen. Der Stimmbruch ist da, es heißt pausieren mit dem Singen. Aber Kammler wartet schon darauf, die neue, männliche Stimme seiner Knaben zu pflegen – und einzusetzen.