Wie der Staat das Wohnen immer teurer macht
Mieten und Immobilienpreise explodieren. Die jetzige Misere geht direkt auf viele Entscheidungen zurück, deren Folgen die Verantwortlichen sträflich ignorieren
Die meisten Jugendlichen, die seitWochen in vielen Städten freitags für den Klimaschutz demonstrieren, eint ein Gefühl: Die Verantwortlichen in der Politik mögen sich vielleicht um die Probleme der Gegenwart kümmern, aber viel zu wenig um die absehbaren Krisen der Zukunft. Die Schüler könnten dabei nicht nur wegen des kaum gebremsten Treibhausgas-Ausstoßes auf die Straße gehen, sondern genauso gut gegen die Krise am Wohnungsmarkt demonstrieren: Wer von ihnen wird sich angesichts der rasant steigenden Immobilienpreise in Zukunft ein Eigenheim oder eine Mietwohnung bezahlbar leisten können? Die Preise für Eigenheime stiegen in Bayern in den vergangenen zehn Jahren um über 70 Prozent. Und sie klettern nicht nur in den Großstädten, sondern auch in vielen ländlichen Regionen in gleichem Tempo weiter. Bei den Neuvermietungen sieht es ähnlich düster aus. Jahr für Jahr steigen die Wohnkosten gerade für junge Familien deutlich stärker als die Einkommen. Die Preisexplosion ist nicht wie eine Naturgewalt über Deutschland hereingebrochen. Sie ist eine Folge politischen Handelns und wirtschaftlichen Versagens: Die internationale Finanzkrise begann vor mehr als einem Jahrzehnt mit Niedrigzinsen auf dem amerikanischen Immobilienmarkt. Die Risiken viel zu teurer Eigenheimkäufe wurden in den Kreislauf der internationalen Finanzwirtschaft geschmuggelt. Das Gift löste in einer Kettenreaktion die Eurokrise aus, die bis heute zu einer europäischen Niedrigzinspolitik führt. Nun landet diese alte Krise auf dem deutschen Wohnungsmarkt: Zum einen wurden „sichere“Immobilien heiß begehrte Anlageobjekte branchenfremder Investoren. Andererseits führten die Niedrigzinsen wie einst in den USA zu einem Nachfrageboom, der nach den Marktgesetzen die Preise nach oben schießen lässt. Diese logische Entwicklung war absehbar. Doch die wechselnden Koalitionen von Kanzlerin Angela Merkel unterließen es sträflich, rechtzeitig Gegenmaßnahmen einer gezielten Wohnbauförderung einzuleiten. Im Gegenteil: Sämtliche Bundesregierungen seit den achtziger Jahren betrieben mehr oder minder eine Politik der Wohnverteuerung. Unter Helmut Kohl wurde die politische Abrissbirne gegen den einst erfolgreichen sozialen Wohnungsbau geschwungen: Statt über den Bedarf wurde lebensfremd über „Fehlbelegungsquoten“diskutiert. Gab es 1987 noch über vier Millionen Wohnungen mit sozialer Mietpreisbindung, sind es heute nur noch etwas über eine Million. Auch Rot-Grün mischte dabei kräftig mit: Die Sozialdemokraten ebneten den Weg für den massenhaften Verkauf gemeinwirtschaftlicher Wohnungen. Sie fehlen heute ebenso wie Sozialwohnungen als ein Preiskorrektiv am Wohnungsmarkt. Nebenbei schaffte die SPD-Regierung noch die populäre Eigenheimzulage für Familien ab. Vor allem aber begann zu dieser Zeit eine Überbürokratisierung des Wohnbaus mit einer Flut gut gemeinter Bauvorschriften. Jede einzelne mag aus Umwelt- und Sicherheitsgründen sinnvoll erscheinen. Doch in ihrer Masse und ihrem Zusammenwirken verschärfen sie die Krise: Selbst gemeinnützige Wohnbau-Gesellschaften haben es damit unabhängig von Bodenpreisen langsam schwer, neue Wohnungen zu bauen, bei der die Quadratmetermiete noch einstellig bleibt. Statt bei den Ursachen anzupacken, flüchten Bund und Länder in Symbolpolitik und Wortkitsch, um vom Versagen abzulenken: von der juristisch verpfuschten „Mietpreisbremse“bis zur ambitionslosen Landesbaugesellschaft „Bayernheim“. Künftig auf den Wohnungsmarkt drängenden Generationen hilft diese Art Politik nicht.
Die Regierung flieht in Wortkitsch und Symbolpolitik