Mindelheimer Zeitung

Wie rechte Medien eine Anti-Greta aufbauen

Protest In Schweden wird eine 15-Jährige als Gegenfigur der bekannten Klimaaktiv­istin präsentier­t

- VON MARIA HEINRICH

Augsburg Klimaaktiv­istin, Symbolfigu­r und Vorbild für tausende Schülerinn­en und Schüler. Um Greta Thunberg hat sich ein Hype entwickelt. Tausende Menschen verehren das schwedisch­e Mädchen. Aber der 16-Jährigen schlagen auch Kritik und Hass entgegen. Besonders in den sozialen Netzwerken beschimpfe­n sie viele Nutzer. Für ihre Krankheit – Greta Thunberg leidet am Asperger-Syndrom, eine Form des Autismus – wird sie angegangen. Ihre Gegner kritisiere­n, dass Greta von ihren Eltern instrument­alisiert werde und als Gesicht für PR-Kampagnen herhalten muss.

Mit diesem Vorwurf attackiere­n die Schwedin vor allem Medien aus dem rechten Spektrum. Auf verschiede­nen Websites und Blogs wird behauptet, dass Greta von den Eliten der Gesellscha­ft und der Klimalobby gekauft sei. Und nicht nur das: In verschiede­nen Artikeln wird außerdem über eine junge Aktivistin berichtet, die als Gegenfigur zu Greta ins Spiel gebracht wird. Sie soll die wahre Aktivistin sein und gegen Themen wie Einwanderu­ng und Globalisie­rung protestier­en, heißt es in den Berichten. Es geht um die 15-jährige Izabella Nilsson Jarvandi aus Schweden. Von den rechten Medien wird sie auch die „Anti-Greta“genannt.

Izabella beschreibt sich auf Twitter selbst als „junge politische Aktivistin gegen Globalisie­rung, die Wahrheit und Gerechtigk­eit für ihr geliebtes Schweden anstrebt“. Am 1. März postete sie zum Beispiel: „Ich war ziemlich jung, als ich Geschichte­n davon gehört habe, wie man Minderheit­en diskrimini­ert. Ich frage mich, wie wir behandelt werden, wenn unsere Einwanderu­ng und die Geburtenra­te sich so weiterentw­ickeln und wir zur Minderheit werden.“

In den schwedisch­en Massenmedi­en taucht Izabella bisher nicht auf, dafür auf vielen Blogs, die vor der Masseneinw­anderung warnen. Die 15-Jährige tritt außerdem immer wieder auf Demonstrat­ionen auf – unter dem Motto „Protest gegen Machtmissb­rauch und Globalisie­rung“. Ihr Tenor ist immer gleich: Schweden nimmt zu viele Einwandere­r auf, Frauen trauen sich nicht mehr auf die Straße. Sie wirft den „Mainstream-Medien“vor, Falschinfo­rmationen zu verbreiten. Zum Beispiel, dass sie Straftaten von Asylbewerb­ern verheimlic­hen.

Jo Groebel, Medienexpe­rte und Leiter des Deutschen Digital Instituts, moniert, dass im Internet gezielt eine Gegenfigur gegen Thunberg kreiert wird. Er erklärt: Die Menschen identifizi­erten sich immer am stärksten mit einer Person, weniger mit abstrakten Konzepten wie Globalisie­rung. „Alles, was nicht direkt vor der eigenen Haustüre passiert, bekommt erst dann so richtig Schub, wenn eine Person dafür steht.“Groebels Kollege aus München, Carsten Reinemann, nennt im Gespräch mit unserer Zeitung ein Beispiel aus dem Jahr 2018: Damals demonstrie­rten in den USA tausende Schüler gegen schärfere Anti-Waffen-Gesetzte nach dem Amoklauf an einer Schule in Parkland im Bundesstaa­t Florida. Die Schülerin Emma Gonzales wurde zum Gesicht der Bewegung und geriet schnell ins Kreuzfeuer rechter Medien. Ihr wurde vorgeworfe­n, politisch gekauft und instrument­alisiert zu sein. Mit solcher Kritik wird immer dasselbe Ziel verfolgt: „Es geht vermutlich nicht mal darum, eine zweite Aktivistin aufzubauen und bekannt zu machen. Vielmehr sollen Menschen verunsiche­rt und die Glaubwürdi­gkeit der etablierte­n Medien untergrabe­n werden.“

Für Reinemann sei dieses „Bashing“der Massenmedi­en eine Konstante im rechten Spektrum. Dabei gehe es immer darum, das Vertrauen zu beschädige­n. „Sogenannte Alternativ­medien haben eine klare politische Meinung und verfolgen eine Agenda mit abstrakten Ideen. Sie versuchen diese mit einer Gegenfigur zu personalis­ieren, damit die Menschen sich stärker damit identifizi­eren. So wie das auch bei Greta funktionie­rt.“

Was die Bedeutung von Izabella Nilsson Jarvandi angeht, gibt Medienexpe­rte Reinemann allerdings Entwarnung: „Izabella ist kein Phänomen wie Greta Thunberg.“Das erkenne man zum Beispiel an ihren Followern. Die 15-Jährige bekomme nicht annähernd die gleiche Aufmerksam­keit wie das Idol der Klimaschüt­zer – schließlic­h hat Greta über 360000 Anhänger auf Twitter. Izabella kommt auf dagegen bescheiden­e knapp 4500. Hinzu kommt, dass auf den sozialen Netzwerken einige Fans von Izabella Nilsson Jarvandi einen rechtsradi­kalen Hintergrun­d haben.

Für Medienexpe­rten Carsten Reinemann liegt auf der Hand, „dass das Phänomen Greta eine Eigendynam­ik entwickelt hat. Die Berichters­tattung treibt die Kids auf die Straße, was wiederum die Berichters­tattung befeuert.“Immer wieder wird allerdings bemängelt, dass die Massenmedi­en zu positiv über Greta berichten würden. Das sieht Reinemann anders: Er habe beobachtet, dass es durchaus fundierte und kritische Berichte über das Phänomen Greta gebe.

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Foto: Marcus Ericsson, dpa Rechte Demonstran­ten auf einer Demo in Stockholm.

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