Audi-Betriebsrat: Vorstand hat nur „nebulöse Strategie“
Krise Die Arbeitnehmervertreter haben eigene Ideen für die Zukunft des Autobauers
Ingolstadt Der Audi-Betriebsrat und die IG Metall fordern vom AudiVorstand mit Bram Schot an der Spitze für den Umbau des Unternehmens eine klare Strategie ein. Schon auf der ersten Betriebsversammlung des Jahres waren am Mittwochabend deutliche Worte gefallen. Im Gespräch mit unserer Redaktion legten die Arbeitnehmervertreter nach. Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Peter Mosch sagte: „Bevor wir in weitere konkrete Gespräche gehen, ist es uns wichtig, dass das Unternehmen eine Strategie aufzeigt. Die ist derzeit nicht erkennbar und nebulös. Da ist jetzt der Vorstand gefordert, diese zu erarbeiten und vorzulegen.“
Bis Ende Frühjahr, Anfang Sommer will das Unternehmen gemeinsam mit den Arbeitnehmern den Pakt „Audi.Zukunft.“erarbeiten. Audi-Chef Schot hatte angekündigt, dass Stellen gestrichen und Milliarden eingespart werden. Zugleich hat die VW-Tochter eine groß angelegte Elektromodell-Offensive gestartet. Der Absatz des vom AbgasSkandal und von Problemen bei der Umstellung auf den WLTP-Abgaszyklus gezeichneten Unternehmens war 2018 eingebrochen. Zwar hatte man immer noch 1,8 Millionen Fahrzeuge verkauft. Es waren aber 3,5 Prozent weniger als im Vorjahr.
Audi reagiert. Das Unternehmen hat dem Betriebsrat kürzlich einen Forderungskatalog als Basis für weitere Verhandlungen zukommen lassen, wie der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Jörg Schlagbauer auf der Betriebsversammlung am Mittwoch mitteilte. Er hatte diesen dort als „Giftliste“tituliert.
Nach Informationen unserer Redaktion stehen in dem Papier unter anderem Einsparungen beim Personal in Höhe von 25 Prozent, Streichung von außertariflichen Leistungen, auch Azubis sollen nicht mehr zwangsläufig nach der Ausbildung übernommen werden. Ein Unternehmenssprecher wollte das auf Anfrage nicht kommentieren.
Dem Betriebsrat ist bewusst, dass die Branche insgesamt und auch die Konkurrenten Daimler und BMW gefordert sind. Dass Audi aber so im Fokus stehe, liege auch an der Art, wie kommuniziert werde. Daran manifestiert sich die Kritik am Audi-Vorstand besonders. Der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Ingolstadt, Bernhard Stiedl, sagt: „Das wird – in Interviews – so dramatisch dargestellt, als wenn Audi ein Sanierungsfall wäre oder kurz vor der Insolvenz stünde. Man will damit eine bestimmte Stimmung produzieren. Wenn man Formulierungen benutzt wie ,Zu viel Speck angesetzt‘, dann verunsichert das die Leute.“Stiedl aber ist überzeugt: „Audi hat kein Kostenproblem.“Dass am Personal gespart werden soll, hält er für falsch. „Immer bei den Leuten ansetzen, das ist leicht. Da weiß ich, welches Ergebnis rauskommt. Schwieriger ist es, eine eigene Strategie zu entwickeln. Da ist der Vorstand jetzt gefordert.“
Mosch ergänzt: „Wir wissen, dass Audi in schwerem Fahrwasser liegt.“Alle, auch die Arbeitnehmervertreter hätten „Hausaufgaben“zu erledigen, aber zuerst müsse der Vorstand liefern. „Wir sind bereit, an einem Strang zu ziehen, aber die Vorschläge und Ideen, die müssen nun vom Unternehmen kommen.“Für die Arbeitnehmer stehen alle Maßnahmen unter der Priorität: Sicherung der Beschäftigung und Auslastung des Standortes.
Mosch nannte einige Punkte, die auf dem Weg zu einer Einigung umgesetzt werden müssten. Es brauche zunächst vor allem „eine saubere Analyse und eine gemeinsame Ausgangslage.“Ansatzpunkte sieht er als Erstes beim Thema Komplexität. Er gibt ein Beispiel von vielen: Eine Baureihe etwa müsse nicht 25 verschiedene Lenkräder haben. Zehn
Muss eine Baureihe 25 Lenkräder anbieten?
reichten. Man habe dann weniger Entwicklungskosten, weniger Lagerkosten. „Das Komplexitätsthema zieht viel nach sich. Wenn man da eindämmt, könnten wir Millionen sparen.“Audi-Chef Schot sage zwar auch, dass er weniger wolle. Aber: „Er sagt bisher nicht, wie er das erreichen will.“
Eine weitere wichtige Maßnahme ist für den Betriebsrat das Thema „Insourcing“. Sprich: Aufgaben ins Unternehmen holen, die man bisher Fremdfirmen überlassen hat. Mosch nennt hier die Batteriefertigung. „Neben den E-Modellen für die deutschen Standorte fordern wir das schon länger: Mit der neuen Technologie können wir in Ingolstadt Arbeitsplätze aufbauen.“Audi brauche insgesamt eine Wertschöpfungsanalyse: „Wir müssen schauen, was kommt an neuen Aufgaben hinzu, was fällt weg. Darauf können wir dann die Beschäftigten einstellen und sie entsprechend qualifizieren.“Mit Blick auf die Umstellungen im Werk – eine von drei Nachtschichten wurde vergangene Woche gestrichen – sei das wichtig. Wenn pro Jahr 600000 Fahrzeuge produziert würden, brauche man insgesamt neun Schichten. 2019 und 2020 rechnet der Betriebsrat allerdings damit, dass in Ingolstadt nur noch rund 460000 Autos vom Band laufen werden. Der Veränderungsdruck ist da. Mosch betont: „Viele von uns sind seit Jahren dabei. Wir haben kein Erkenntnisproblem. Wir haben ein Umsetzungsproblem.“Trotzdem bleibt er optimistisch: „Wir werden Audi gemeinsam wieder auf die Erfolgsspur bringen.“