Bahn: Mehr Kunden, weniger Gewinn
Verkehr Trotz steigender Fahrgastzahlen und Umsätze fehlen dem Staatsunternehmen viele Milliarden Euro. Nun soll der Bund einspringen – und Tafelsilber wird verkauft
Berlin So viele Fahrgäste wie nie zuvor haben 2018 die Züge der Deutschen Bahn genutzt. Trotzdem war das vergangene Jahr kein gutes für den Konzern im Staatsbesitz. Denn der Gewinn ist gesunken, ganz im Gegensatz zu den Schulden, die in bedenkliche Höhen geklettert sind. An allen Ecken und Enden fehlt Geld – Personal ist knapp, Züge und Schienen sind veraltet. Gleichzeitig stellen immer mehr Verspätungen die Geduld der Passagiere auf eine harte Probe.
Bahnchef Richard Lutz sprach auf der Bilanzpressekonferenz in Berlin von „Wachstumsschmerzen“als Nebenwirkungen der gestiegenen Fahrgast- und Umsatzzahlen. So ist die Zahl der Reisenden im Fernverkehr 2018 auf 148 Millionen geklettert, das sind vier Prozent mehr als im Jahr davor. Lutz rechnet damit, dass im laufenden Jahr die 150-Millionen-Marke geknackt wird. Bis zum Jahr 2030 sollen es sogar 200 Millionen Passagiere jährlich sein. Der Umsatz stieg laut Lutz um 3,1 Prozent auf gut 44 Milliarden Euro.
Für die internationalen BahnTöchter, die Spedition Schenker und den Nahverkehrsspezialisten meldet Bahn-Finanzchef Alexander Doll jeweils gestiegene Umsätze. Zudem habe das Geschäft mit dem Schienennetz von der Nachfrage von Konkurrenzbahnen wie dem Flixbus-Ableger „Flixtrain“profitiert. Beim Sorgenkind, der Güterverkehrstochter DB Cargo, ging das Geschäft dagegen um fast fünf Prozent zurück.
Trotz der gestiegenen Fahrgastzahlen und Umsätze ist der Gewinn 2018 deutlich eingebrochen. Er sank im Vergleich zu 2017 um 29,2 Prozent auf 542 Millionen Euro. Hintergrund: Ein Teil der gestiegenen Fahrgastzahlen geht auf Sonderangebote und Rabattaktionen zurück. Der Gewinn reicht nicht einmal dafür, dem Bund als Besitzer die vereinbarte Dividende von 650 Millionen Euro zu bezahlen. Die wäre freilich ohnehin als Investition in die Schienen-Infrastruktur zurückgeflossen.
Investieren muss die Bahn in den kommenden Jahren jedenfalls kräftig. Nicht zuletzt um die Probleme mit der Pünktlichkeit in den Griff zu bekommen. Jeder vierte Zug im Fernverkehr war 2018 verspätet. „Den einen Hebel, den man umlegt, und schon wird die Bahn besser, den gibt es leider nicht“, sagte Konzernchef Lutz. Mit Hochdruck sollen nun die „Engpässe in den Bereichen Infrastruktur, Fahrzeuge und Personal beseitigt werden. Mehr als 20000 Mitarbeiter sollen künftig jährlich eingestellt werden.
Zusammen mit dem Bund hat die Bahn laut Finanzchef Doll vergangenes Jahr elf Milliarden Euro investiert, sieben Prozent mehr als im Jahr davor. Allein 62 Prozent der Investitionen flossen in die Verbesserung des in die Jahre gekommenen Schienennetzes. Insgesamt haben sich die Schulden des DB-Konzerns im Vergleich zum Vorjahr um 926 Millionen auf 19,5 Milliarden Euro erhöht.
Um Schulden abzubauen und Investitionen zu ermöglichen, denkt die Bahn nun auch darüber nach, sich von einem Teil ihres „TafelsilArriva bers“zu trennen. So wird aktuell erwogen, die profitable internationale Nahverkehrstocher Arriva zu verkaufen oder an die Börse zu bringen. Das ursprünglich britische Unternehmen ist in 14 europäischen Ländern aktiv. Der für Verkehr zuständige stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Ulrich Lange (CSU), begrüßte die Pläne: „Wir brauchen einen finanziell gesunden Bahnkonzern, um unsere bahnpolitischen Ziele zu erreichen. Daher ist der Prüfauftrag für den Verkauf von Arriva konsequent, auch wenn er ein Signal dafür ist, wie schlecht es um die Eigenkapitalausstattung der DB steht.“Gegenüber unserer Redaktion kündigte Lange an: „Der Bund wird die Erhaltungsmittel für das Schienennetz deutlich erhöhen.“
Oliver Krischer, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen und für Verkehr zuständig, kritisierte: „Die Verkehrsminister der letzten Jahre haben die Finanzierung der Infrastruktur vernachlässigt. Das System Bahn fährt auf Verschleiß und muss dringend modernisiert werden.“Gegenüber unserer Redaktion sagte Krischer: „Das wird ohne eine deutliche Anhebung der Zuwendungen aus dem Bundeshaushalt nicht möglich sein.“