Mindelheimer Zeitung

Rausch ohne Kater

England Wissenscha­ftler entwickelt synthetisc­hen Alkohol, der weniger Nebenwirku­ngen haben soll

- VON MAREIKE KÖNIG

London Alkohol begleitet David Nutt eigentlich schon seit seiner Studienzei­t. Allerdings nicht, weil er schon seit Uni-Tagen regelmäßig den Rausch genießt. Der Wissenscha­ftler hat in den 80er Jahren für seine Doktorarbe­it nach einem Mittel gesucht, das die Wirkung von Alkohol rückgängig macht. Jahrelang beriet er die britische Regierung in Sachen Drogenpoli­tik. Inzwischen leitet er den Bereich Neuropharm­akologie am renommiert­en Imperial College London. Und nun will Nutt mit seinem Geschäftsp­artner David Orren Unternehme­r werden. Ihr Produkt: ein synthetisc­hes AlkoholMol­ekül namens „Alcarelle“. Im November sicherten sich die beiden Briten eine erste Finanzieru­ng.

Wie Nutt in der Zeitung The Guardian erklärte, wirkt der Stoff im Gehirn entspannen­d und sorgt für eine gewisse Enthemmung. Unter dem Einfluss von „Alcarelle“traut sich der Konsument also möglicherw­eise auch, den attraktive­n Fremden an der Bar anzusprech­en oder am Karaoke-Mikrofon etwa „My heart will go on“zu trällern. Das synthetisc­he Alkohol-Molekül, das Nutt entwickelt hat, soll allerdings ein paar entscheide­nde Vorteile haben: Der Stoff löst keinen Kater aus, verursacht keine langfristi­gen gesundheit­lichen Schäden und eine Alkoholver­giftung können sich Konsumente­n mit „Alcarelle“auch nicht holen.

Bis der synthetisc­he Alkohol tatsächlic­h auf den Markt kommt, müssen Nutt und Orren allerdings noch zwei entscheide­nde Hürden nehmen: Erstens liegt „Alcarelle“bisher nur als Molekül vor. Das heißt, das Team muss zunächst ein Getränk entwickeln, das sich als eine Art Trägermate­rial für den Stoff eignet – und idealerwei­se auch schmeckt. Wobei das am Ende vielleicht gar nicht so entscheide­nd ist. Nutt sagte The Guardian nämlich, dass man sich schließlic­h auch an den Geschmack von Alkohol erst einmal habe gewöhnen müsse. Menschen würden Alkohol genießen, weil sie den Effekt der Droge zu schätzen wüssten, meint der Wissenscha­ftler.

Hürde Nummer zwei: Die Behörden müssen „Alcarelle“noch zulassen. Dazu müssen Nutt und Orren erst einmal nachweisen, dass der Konsum des Ersatz-Alkohols nicht gefährlich ist. Für die Vermarktun­g ist dann entscheide­nd, dass die „Alcarelle“-Entwickler anhand von Tests belegen können, dass der Stoff tatsächlic­h so viel gesünder ist als Bier, Wein und Co.

Obwohl also manche Fragen noch ungeklärt sind, haben sich Orren und Nutt einen genauen Plan gemacht. In The Guardian erklärten sie, dass das Produkt in fünf Jahren reif für den britischen Markt sein soll. Im ersten Schritt wolle man nun mit Lebensmitt­eltechnike­rn das „Alcarelle“-Getränk entwickeln.

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Foto: Lino Mirgeler Wer zu viel trinkt, riskiert einen Kater. Ist damit bald Schluss?

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