Ein bärenstarkes Hobby
Freizeit Ulrike Hoebel aus Kirchheim fertigt Teddybären selbst an. Es gibt dabei nichts, was es nicht gibt
Kirchheim Basteln ist nicht gleich Basteln. Das wird einem spätestens klar, wenn man Ulrike Hoebels Wohnzimmer betritt und einen Blick auf die Teddybär-Exponate wirft, die sie liebevoll auf dem Tisch drapiert hat. Die originellen Bärenfiguren stechen sofort ins Auge durch das hohe Maß an Präzessionsarbeit, das die 66-jährige Hobbybastlerin bei jedem ihrer Stücke mit einem handwerklichen Ehrenkodex walten lässt.
Ihr Dialekt verrät, dass sie nicht gebürtig aus Kirchheim stammt. Aus ihrer Heimat Mönchengladbach macht sie aber kein Geheimnis. Ebenso wenig wie aus den Gründen für den Ortswechsel. Ihren Mann verschlug es 1992 beruflich ins Unterallgäu. Seitdem wohnen die Hoebels in Kirchheim und fühlen sich sichtlich wohl. Die gelernte Versicherungskauffrau versuchte nach dem Umzug wieder in ihrem Beruf Fuß zu fassen, merkte aber schnell, dass sie der Branche auch wegen des hohen Drucks im Außendienst entwachsen war. Sie wollte nicht davon leben müssen, anderen Menschen einen Bären aufzubinden. Stattdessen fertigt sie jetzt selbst welche.
Ein Sammelsurium an Fotoalben zeigt: Es gibt nichts, was es nicht gibt. Bären in allen Variationen. Ob als Hochzeitspaar in Tracht, als Großelternpaar mit Pfeife und Strickzeug oder als Bär im Nikolaus-Outfit, der Fantasie der WahlKirchheimerin sind keine Grenzen gesetzt.
Ihre Rohstoffe bezieht sie aus einer Bärenmanufaktur. Dort bestellt sie Textilien, Augen und Gelenke. Die Augen sind aus echtem Glas. Darauf legt Ulrike Hoebel Wert. Mund und Nase stickt sie von Hand auf die Gesichter, die vor dem Besticken übrigens rasiert werden müssen – auch die Bärendamen. Dafür benutzt sie einen alten Rasierapparat ihres Mannes. Bis die Rohstoffe zu einem Bären verarbeitet sind, können schon mal 15 Stunden vergehen. „Da ist er aber erst nackt!“, stellt die Bärenexpertin richtig. Je nach Outfit kann sie insgesamt schon mal zwei Wochen an einem einzigen Projekt sitzen, denn auch die Kleidung näht sie selbst. Mithilfe von Schnittmustern schneidert sie die thematische Garderobe von Hand. Das Nähen hat sich Ulrike Hoebel selbst beigebracht. Manchmal muss das Schnittmuster abgeändert oder angepasst werden, was die Arbeitszeit natürlich entsprechend verlängert.
Ihr Repertoire ist nicht nur auf Teddybären beschränkt. Die Liste an handgefertigten Artikeln ist lang. Zu ihrem „Kerngeschäft“gehören auch Frotteehandtuch-Engel, Geschirrtuchpuppen, doppelte Ofenhandschuhe sowie Kosmetik- und Stofftaschen und vieles mehr. Auf zwei Artikel ist sie besonders stolz: die Kirschkernkissen und die „Leseknochen“. Das Besondere an den Kirschkernkissen ist, dass sie über ein gesondertes Innenleben verfügen, was den Besitzer besonders freuen dürfte, denn der Bezug kann deshalb bei Bedarf mal schnell in die Waschmaschine gesteckt werden.
Wer sich unter einem Leseknochen nichts vorstellen kann, für den holt die rüstige Rentnerin sogleich das Nackenkissen hervor, das eine bequeme Kopfhaltung beim Lesen oder Liegen ermöglicht.
Ulrike Hoebel fertigt all ihre Handarbeiten auch auf Wunsch an. So kann der Kunde zum Beispiel die Stoffe selbst aussuchen. Natürlich bekommt sie für ihre Arbeiten Geld. Aber, es ist das alte Lied der Handarbeiten: Reich wird man davon ganz bestimmt nicht. Sie käme ungefähr auf einen Stundenlohn von zwei Euro, sagt sie, und gibt zu, dass man in ihrer Branche schon mit einer gehörigen Portion an Idealismus ausgestattet sein müsse.
Für einen Teddybären verlangt Ulrike Hoebel Preise zwischen 20 und 80 Euro. Seit mehr als 20 Jahren verkauft sie ihre Handarbeiten zum Beispiel auf den Fischacher Osterund Weihnachtsmärkten. Vom dortigen Bürgermeister erhielt sie 2016 sogar eine Urkunde zu ihrem 20-jährigen Jubiläum als Hobbykünstlerin.
Die Bastlerin ist stets bemüht, ihr Sortiment regelmäßig durch neue Produkte zu erweitern. Schließlich will sie ihrer Stammkundschaft auch immer mal etwas Neues bieten. Vor einiger Zeit kam ein Pater aus Maria Vesperbild zu ihr und bat sie, für den gesamten Kirchenchor Engel aus Handtüchern anzufertigen, auf die eine Dame der Pfarrei auf dem Weihnachtsmarkt aufmerksam geworden war. 26 Engel unter Zeitdruck herzustellen, grenzte schon fast an Akkordarbeit.
Aber sonst ist das Pensum deutlich kleiner. „Es soll ja auch Spaß machen“, resümiert die agile Rentnerin. Mit den zwei Märkten in Fischach und den privaten Aufträgen ist die Bärenfrau das ganze Jahr über gut beschäftigt.