Mindelheimer Zeitung

Brüssel will Tempo-Bremse für Autos vorschreib­en

Neue Elektronik soll Fahrer stärker kontrollie­ren und Unfallzahl­en senken

- VON RUDI WAIS

Augsburg/Berlin Autos, die nicht anspringen, weil sie den alkoholisi­erten Atem des Fahrers erkennen, automatisc­he Tempobrems­en, die die Geschwindi­gkeit von selbst auf das vorgeschri­ebene Limit herunterre­geln: Schon in wenigen Jahren werden elektronis­che Kontrollsy­steme Europas Autofahrer­n viele Entscheidu­ngen aus der Hand nehmen. Nach dem Willen des Europaparl­aments sollen Neuwagen vom Jahr 2022 an mit bis zu 30 HightechFa­hrhilfen ausgestatt­et sein. Da heute 90 Prozent aller Unfälle auf menschlich­es Versagen zurückzufü­hren sind, verspricht Brüssel sich davon eine deutliche Reduzierun­g der Opferzahle­n im Straßenver­kehr.

Ulrich Lange, der verkehrspo­litische Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag, vergleicht die Pläne mit der Einführung der Gurtpflich­t Anfang 1976. „Die ist nach anfänglich­em Widerstand von der großen Mehrheit der Autofahrer auch sehr schnell akzeptiert worden“, sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion. Die jetzt geplanten Maßnahmen würden ebenfalls zu mehr Sicherheit im Straßenver­kehr führen. Dass Neuwagen durch die technische­n Finessen teurer werden, glaubt der Nördlinger Abgeordnet­e nicht. „Viele dieser Fahrhilfen gibt es ja heute schon.“Wenn sie künftig in Masse und in Serie eingebaut würden, werde das die Preise drücken.

Zu den neuen Kontrollsy­stemen, die nach einer Übereinkun­ft des Europaparl­aments und der EU-Mitgliedsl­änder künftig in jeden Neuwagen eingebaut werden sollen, gehören neben den Sensoren, die bei übermäßige­m Alkoholkon­sum des Fahrers den Start des Wagens blockieren, auch Warnsystem­e, die den Fahrer bei Müdigkeit alarmieren, Kameras für mehr Übersicht beim Rückwärtsf­ahren, verpflicht­ende Messsystem­e für den Reifendruc­k und spezielle Datenrekor­der für die Rekonstruk­tion von Unfällen – vergleichb­ar mit den Blackboxes in Flugzeugen. Für Lastwagen will die EU spezielle Abbiege-Assistente­n und Sensorsyst­eme vorschreib­en, die vor allem Fußgänger, Rad- und Motorradfa­hrer im toten Winkel erkennen sollen.

Fährt jemand künftig zu schnell, würde sein Auto dies erkennen und die Geschwindi­gkeit selbststän­dig reduzieren. Theoretisc­h kann der Fahrer das System zwar deaktivier­en, zum Beispiel um zügig zu überholen, nach einer gewissen Zeit allerdings würde der Bordcomput­er sich dann mit lauten Warnhinwei­sen wieder melden. Als erster Hersteller hat Volvo bereits angekündig­t, die Höchstgesc­hwindigkei­t aller Neuwagen vom nächsten Jahr an auf 180 Stundenkil­ometer zu begrenzen.

In Fahrzeugen der gehobenen Kategorie gebe es bereits einige dieser Kontrollsy­steme, sagt auch EUIndustri­ekommissar­in Elzbieta Biekowska. In Zukunft sollten sie aber in alle Autos eingebaut werden – in Modellen, die neu auf den Markt kommen, ab 2022, in allen anderen Neuwagen ab dem Jahr 2024.

Ist auf die Technik im Zweifel mehr Verlass als auf den Menschen? Lesen Sie dazu auch den Kommentar.

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